Pille danach – seit fünf Jahren ohne Rezept |
Carolin Lang |
24.03.2020 15:30 Uhr |
Im Jahr 2018 erfolgten ungefähr 92 Prozent aller Abgaben der »Pille danach« ohne eine ärztliche Verordnung. / Foto: Science Photo Library/PHANIE, VOISIN
Die Entlassung aus der Verschreibungspflicht von oralen Notfallkontrazeptiva hat Frauen den Zugang zu diesen Verhütungsmitteln erleichtert. Und die Zahlen zeigen: Das Angebot wird genutzt. Laut ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sind die Absatzzahlen in der Selbstmedikation seit dem OTC-Switch angestiegen, während ärztliche Verordnungen mehr und mehr zurückgehen.
Die Daten der ABDA zeigen eine generelle Steigerung der Abgabe um etwa 76 Prozent von 2014 zu 2018. Dabei nimmt der Anteil an Frauen, die das Notfallkontrazeptivum ohne Rezept erwerben, von Jahr zu Jahr zu. 2018 erfolgten ungefähr 92 Prozent aller Abgaben ohne eine ärztliche Verordnung. Da so viele Kundinnen die »Pille danach« ohne vorherigen Arztbesuch erwerben möchten, nehmen PTA und Apotheker bei der Beratung zur Notfallkontrazeption eine enorm wichtige Rolle ein.
Bei einer Online-Umfrage der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) wurden 2018 Apotheker aus insgesamt 555 öffentlichen Apotheken zu ihren bisherigen Erfahrungen bei der Abgabe von Notfallkontrazeptiva befragt. Knapp 44 Prozent der Apotheker identifizierten Unsicherheiten in der Selbstdiagnose der Frau. Drei von vier Apothekern äußerten mindestens einmal fachliche Bedenken hinsichtlich der sicheren Anwendung eines Notfallkontrazeptivums in der Selbstmedikation, woraufhin überwiegend der (zusätzliche) Verweis an einen Gynäkologen erfolgte. Die Umfrage zeigt wie wichtig pharmazeutisches Personal für die Arzneimittelsicherheit bei der Abgabe von Notfallkontrazeptiva ist.
Die zur Notfallverhütung eingesetzten Wirkstoffe Levonorgestrel und Ulipristalacetat verschieben beide den Eisprung um circa fünf Tage, was die Lebenszeit von Spermien überschreitet und so eine Konzeption nach dem Geschlechtsverkehr verhindern soll. Levonorgestrel ist ein Gestagen und in Präparaten wie beispielsweise Pidana® und Unofem Hexal® enthalten. Ulipristalacetat ist ein selektiver Progesteron-Rezeptor-Modulator und Wirkstoff von EllaOne®.
Bei der Abgabe muss das pharmazeutische Personal überprüfen, ob eine Einnahme sinnvoll und sicher ist. Grundsätzlich wird die Abgabe nur an die betroffene Frau mit persönlicher Beratung empfohlen. Die Bundesapothekerkammer (BAK) hat dazu Handlungsempfehlungen herausgegeben.
Danach gibt es zehn Fragen, die bei der Abgabe der »Pille danach« gestellt werden sollten:
Stellt sich während der Beratung heraus, dass eine Abgabe nicht infrage kommt, sollte das pharmazeutische Personal der Kundin zu einem Besuch beim Gynäkologen raten. Dieser kann im Zweifelsfall oder auch wenn das Einnahmefenster für die »Pille danach« überschritten ist, eine Kupferspirale einsetzen. Das gilt als die sicherste Form der Notfallverhütung.
Spricht nichts gegen die Einnahme, muss zwischen den beiden zur Verfügung stehenden Wirkstoffen gewählt werden. Dabei helfen unter anderem die Angaben in der Tabelle.
Ulipristalacetat | Levonorgestrel | |
---|---|---|
Einnahmezeitpunkt | bis zu 120 Stunden (5 Tage) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr | Bis zu 72 Std. (3 Tage) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr |
Empfohlene Stillpause | Eine Woche | Acht Stunden |
Besondere Vorsichtsmaßnahmen | Bei schwerem Asthma mit Einnahme von Glucocorticoiden ist die Einnahme nicht empfohlen. | Nach Einnahme von PiDaNa® 1,5 mg gab es wenige Fälle thromboembolischer Ereignisse. Die Möglichkeit des Auftretens sollte bedacht werden. (insbesondere bei Risikofaktoren wie Thrombophilie in der eigenen oder Familiengeschichte) |
PTA und Apotheker müssen über die Einnahme sowie mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufklären. Hierbei ist es wichtig, stets den Notfallcharakter der »Pille danach« hervorzuheben. Ein wichtiger Hinweis für die Kundin ist außerdem, dass die Einnahme schnellstmöglich erfolgen sollte. Hat der Eisprung bereits stattgefunden, ist die Wirksamkeit nicht mehr gegeben. Auch wenn innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme Erbrechen auftritt, führt dies zum Wirkverlust und eine weitere Tablette muss eingenommen werden. Um Übelkeit und Erbrechen vorzubeugen, kann vor der Einnahme etwas gegessen werden.
Bei der Beratung sollte zudem erwähnt werden, dass die Monatsblutung durch die Einnahme einige Tage früher oder später einsetzen kann. Bleibt die Periode mehr als sieben Tage nach dem erwarteten Termin aus, sollte ein Gynäkologe konsultiert werden. Nimmt die Kundin normalerweise hormonelle Kontrazeptiva ein, soll die Einnahme wie gewohnt fortgeführt werden. Allerdings ist die Wirksamkeit nicht mehr gewährleistet, sodass zusätzlich Barrieremethoden angewendet werden müssen. Die »Pille danach« bietet zudem keinen Verhütungsschutz für den restlichen Zyklus und schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Auch über mögliche Nebenwirkungen sollte die Kundin aufgeklärt werden. Es können beispielsweise Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Bauch- und Unterleibschmerzen, Dysmenorrhö, Müdigkeit und Spannungen in der Brust auftreten.
Die Abgabe an Minderjährige bis zum Alter von 14 Jahren wird ohne Einverständnis eines Erziehungsberechtigten nicht empfohlen. Eine Abgabe auf Vorrat ist ebenfalls nicht empfohlen. Laut BAK gibt es Hinweise auf eine verminderte Wirksamkeit von Notfallkontrazeptiva bei einem erhöhten Körpergewicht beziehungsweise Body-Mass-Index (BMI). Die Datenlage dazu ist jedoch begrenzt und nicht eindeutig, weshalb Notfallkontrazeptiva nach wie vor für alle Frauen unabhängig von ihrem BMI empfohlen werden.