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Halsschmerz-Leitlinie

Red Flags bei rotem Hals

Was tun, wenn ein Patient mit wundem Hals und Schluckbeschwerden vor einem steht? Hier gibt die neue Halsschmerz-Leitlinie passende Empfehlungen an die Hand. PTA-Forum hat die wichtigsten Aspekte für die Beratung in der Apotheke sowie die Grenzen der Selbstmedikation zusammengefasst. Interessant: Nicht alle lokalen Therapeutika werden gemäß Leitlinie empfohlen.
Michelle Haß
29.01.2021  16:00 Uhr

Vor Kurzem aktualisierte die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) die S3-Leitlinie zum Thema Halsschmerzen. Diese gibt vor allem Hausärzten eine Handlungsempfehlung zur Halsschmerztherapie an die Hand. Doch dürfte die Leitlinie auch PTA und Apotheker interessieren. Sie können daraus wertvolle Hinweise für die Beratung von Halsschmerz-Geplagten ziehen. Denn die Leitlinie hebt noch einmal speziell hervor, wie wichtig eine Beratung ist.

Vor allem bei Patienten mit harmlosen akuten Beschwerden sollte eine ausführliche Beratung und Aufklärung des Krankheitsbilds und den damit verbundenen Symptomen erfolgen. Wichtig zu erwähnen: Halsschmerzen sind in der Regel selbstlimitierend und dauern circa eine Woche an. In 50 bis 80 Prozent der Fälle liegt ein viraler Infekt zugrunde. Angesichts der aktuellen Situation sollte auch eine SARS-CoV-2-Infektion als Ursache in Betracht gezogen werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Entzündung ist dagegen eher gering und der Einsatz von Antibiotika somit in den meisten Fällen unwirksam.

Grenzen beachten

Bevor PTA oder Apotheker passende Empfehlungen aussprechen, gilt wie immer abzuklären, ob ein Fall für die Selbstmedikation vorliegt. Chronische Beschwerden, die bereits länger als zwei bis drei Wochen anhalten, sowie Schwangere und Kinder unter sechs Jahren sind immer ein Fall für den Arzt. Auch bei sehr starken Schluckbeschwerden, Begleitsymptomen wie Fieber oder Schwellungen der Lymphknoten ist es sinnvoll, einen Arzt zu konsultieren, um eine bakterielle Infektion auszuschließen. Zusätzlich definiert die Leitlinie eine Reihe von Warnhinweisen, sogenannte Red Flags (siehe Kasten), die bei akuten Halsschmerzen eine individuelle ärztliche Beratung, Diagnostik und Therapie erfordern. Klagt der Betroffene über Atemnot, pfeifende Geräusche beim Einatmen (Stridor) oder zeigt Anzeichen einer Zyanose, ist Gefahr in Verzug und der Patient sollte umgehend einen Arzt aufsuchen.

Kommen PTA und Apotheker zu dem Schluss, dass es sich um akute, eher harmlose Halsschmerzen handelt, können sie Betroffenen in erster Linie eine Reihe nicht medikamentöser Maßnahmen ans Herz legen. Dazu zählen: körperliche Schonung, Vermeidung von Tabakkonsum (auch passiv!) sowie das Feuchthalten der Schleimhäute etwa durch eine angemessene Flüssigkeitszufuhr und eine ausreichende Luftfeuchtigkeit innerhalb geschlossener Räume. Bei beginnender Heiserkeit die Stimme soweit wie möglich schonen. Auf keinen Fall flüstern, denn das strapaziert zusätzlich.

Klar: Für diese allgemeinen Maßnahmen liegen meist keine kontrollierten wissenschaftlichen Studien vor. Dennoch sprechen sich die Experten in der aktualisierten Leitlinie für deren Empfehlung aus. Ein gutes Selbstmanagement des Patienten sei mit einem geringen »Schadenspotenzial« verbunden und könne einer unnötigen Medikamenteneinnahme entgegenwirken.

Hals befeuchten

Reichen allgemeine Maßnahmen nicht aus, um die Schleimhäute feucht zu halten und zu beruhigen, können Betroffene auf verschiedene medikamentöse Optionen zurückgreifen. Präparate mit Schleimstoff-haltigen Drogen wie Eibisch (zum Beispiel Phytohustil®), Primelwurzel (zum Beispiel Ipalat® Halspastillen) oder Isländisch Moos (zum Beispiel Isla Moos®) befeuchten die Schleimhäute, indem sie den Speichelfluss anregen und mucilaginös wirken. Die in den Schleimstoffen enthaltenen Polysaccharide bilden mit dem Speichel eine Art Schutzfilm, der sich über die Schleimhaut legt. Das unangenehme Kratzgefühl wird gemindert und entzündete Epithelzellen vor weiteren Reizen geschützt. Entsprechende Präparate sind in Form von Lutschtabletten und Bronchialpastillen sowie als Saft und Sirup erhältlich. Nach Möglichkeit auf Darreichungsformen zum Lutschen zurückgreifen, da diese den Speichelfluss zusätzlich anregen.

Eine befeuchtende Wirkung versprechen auch Halstabletten mit Hyaluronsäure (zum Beispiel Isla® med akut, GeloRevoice®). Diese binden beim Lutschen Feuchtigkeit und bilden zusammen mit enthaltenen Gelbildnern wie Carbomeren und Xanthan einen sogenannten Hydrogel-Komplex. Dieser legt sich ebenso wie die pflanzlichen Schleimstoffe schützend auf die Schleimhaut. Die meisten Präparate sind bereits ab sechs Jahren zugelassen und somit auch für Kinder geeignet. Beliebt sind außerdem salzhaltige Arzneimittel entweder als Inhalationen in Form von Dampfbädern oder als Lutschtabletten (wie Emser® Pastillen). Letztere sollen neben der Befeuchtung der Schleimhäute durch ihre leicht hypertone Konzentration abschwellend auf die Schleimhäute wirken.

Entzündung bekämpfen

Stehen Schmerzen im Vordergrund, können Lokaltherapeutika mit analgetischen oder lokalanästhetischen Wirkstoffen Abhilfe schaffen. Das derzeit einzige Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), das in Deutschland für die topische Anwendung bei Halsschmerzen zugelassen ist, ist Flurbiprofen (zum Beispiel in Dobendan® Direkt). Es ist in Form von Lutschtabletten ab einem Alter von zwölf Jahren oder als Spray ab 18 Jahren erhältlich. Beide werden alle drei bis sechs Stunden angewendet, jedoch maximal fünfmal am Tag. Beim Spray besteht eine Einzeldosis aus drei Sprühhüben. Die Handhabung des Sprays kann gerade ältere Patienten überfordern, weshalb hier unter Umständen die Lutschtabletten vorzuziehen sind. Das Spray wird im hinteren Rachenbereich appliziert und darf nicht eingeatmet werden. Beim Sprühen also Luft anhalten!

Lokalanästhetika sind eine wirksame Alternative zu Flurbiprofen, haben jedoch den Nachteil, dass sie weder einen entzündungshemmenden Effekt haben noch die Heilung beschleunigen. Zudem ist ihre Wirkdauer beschränkt, sodass etwa alle drei Stunden erneut eine Lutschtablette eingenommen werden muss. Die Tageshöchstdosis beträgt meist sechs Stück. Als Wirkstoffe werden Benzocain (zum Beispiel Dolo-Dobendan®, Anaesthesin Pastillen) oder Lidocain allein oder in Kombination mit desinfizierenden Wirkstoffen beziehungsweise Lokalantibiotika angewendet. Der Wirkstoff Ambroxol (zum Beispiel Mucoangin® Lutschtabletten) – eher als Wirkstoff gegen Husten bekannt – wirkt in hohen Dosen ebenfalls lokalanästhetisch. Gleichzeitig werden ihm schwach entzündungshemmende Eigenschaften zugesprochen.

Auch die Experten der Leitlinie sprechen sich für einen Einsatz von Lokaltherapeutika, die NSAR oder Lokalanästhetika enthalten, zur Symptomlinderung aus. Sie betonen jedoch, dass viele Patienten auch normales Bonbonlutschen als wohltuend und schmerzlindernd empfinden. Studien hätten gezeigt, dass Lutschtabletten mit Lokalanästhetika und lokalen NSAR zwar den Placebo-Lutschtabletten überlegen sind, die Unterschiede aber meist marginal.

Den Einsatz von topischen Antibiotika oder Lokalantiseptika bezeichnen die Autoren bei einer mehrheitlich viral bedingten Infektion als nicht nachvollziehbar. Desinfizierende Wirkstoffe wie Benzalkoniumchlorid (zum Beispiel in Dorithricin®) oder Cetylpyridiumchlorid (zum Beispiel in Dolo-Dobendan®) oder Lokalantibiotika wie Tyrothricin (zum Beispiel in Lemocin® oder Dorithricin®) sollen die Keimlast im Mund- und Rachenraum senken. Lokalantiseptika seien jedoch konzentrationsabhängig zytotoxisch und wirken nur an der Oberfläche, während sich die wesentliche Infektion in der Tiefe des Gewebes abspiele, so die Experten. Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays, die Antiseptika oder lokale Antibiotika enthalten, empfehlen sie daher nicht.

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