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Gut vorbereiten

Reisen mit chronischer Erkrankung oder Handicap

Auch mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung kann man weite Reisen unternehmen. Eine rechtzeitige und sorgfältige Planung ist dabei entscheidend.
Judith Schmitz
09.07.2019  16:00 Uhr

Der 34-jährigen Isabel Speckmann wurden nach Bandscheibenvorfällen im Alter von 16 bis 22 Jahren zwölf Wirbel bis zum Nacken versteift. Zudem ist sie am Guillain-Barré-Syndrom erkrankt, das ihr Rückenmark auf Dauer zerstören wird. Zeitweise lag oder saß Speckmann im Rollstuhl. Vor sieben Jahren entschied sie sich trotz ihrer Einschränkungen, so oft wie möglich mit Hund und Wohnmobil durch Westeuropa zu reisen. Auf ihrem Blog isaswomo.de gibt sie anderen Menschen mit Handicap und chronischer Erkrankung wertvolle Reisetipps.

Man müsse zunächst ehrlich zu sich selbst sein und den momentanen Gesundheitszustand realistisch einschätzen, rät Speckmann. Aber bei fast jeder Erkrankung gebe es gute Phasen, die sich zum Reisen eignen. Speckmann empfiehlt, die Reise vorab immer mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Er kann auch dabei helfen, eine Krankenübersicht mit Krankheitsverlauf, Medikamenten und Adressen aller behandelnden Ärzte oder Krankenhäuser zu erstellen. Außerdem könne er auch die Diagnose mit Fachbegriffen für Ärzte im Ausland aufschreiben, so Speckmann. Zusätzlich kann der Patient einen kleinen, farbigen Zettel mit den wichtigsten Angaben im Portemonnaie mit sich führen.

Generell sollten chronisch Kranke oder Menschen mit Behinderungen ihre Reise so früh wie möglich vorbereiten. Je nach Reiseland muss man sich etwa um eine Malaria-Prophylaxe oder bestimmte Impfungen kümmern. Chronisch Kranke sollten Impfungen laut Speckmann mindestens sechs Monate vor Reiseantritt planen. Vor allem Patienten, die Immunsuppressiva einnehmen, sollten das Thema Impfen auf jeden Fall mit ihrem Arzt ausführlich besprechen. Ein Reisemediziner kann bei der Wahl der richtigen Impfungen helfen und auch gegebenenfalls Standardimpfungen auffrischen. Weitere Informationen finden Ratsuchende zudem bei der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit. Ist ein Leit- oder Blindenhund Reisebegleiter, muss man sich zusätzlich mit den Quarantäne- und Impfbestimmungen für Tiere auseinandersetzen. Auskünfte dazu erteilt zum Beispiel die Botschaft des Reiselandes.

Medikamente in Reserve

Chronisch Kranke sollten ihre Medikamente in ausreichender Menge mit in den Urlaub nehmen. Dazu gehört auch eine Reserve für den Notfall. Bei Flugreisen sollte man die Arzneimittel im Handgepäck mitführen, falls die Koffer verloren gehen oder verspätet eintreffen. Für Medikamente, die dauerhaft gekühlt werden müssen, eignen sich spezielle Medikamentenkühltaschen. Wegen großer Qualitätsunterschiede sollte man bei der Auswahl der Tasche darauf achten, dass sie von einer Prüfstelle getestet wurde.

Mit ins Gepäck gehört auch eine Reiseapotheke, die speziell auf den Reisenden und seine Krankheit abgestimmt ist. So muss man im Urlaubsland nicht umständlich nach den richtigen Wirkstoffen suchen. Die Reisenden sollten sich in der Apotheke ausführlich beraten lassen und die Reiseapotheke gegebenenfalls mit dem behandelnden Arzt besprechen, wobei auch auf Wechselwirkungen der Medikamente zu achten ist.

Formular für BtM

Reisende sollten sich rechtzeitig über die Einfuhrbestimmung ihrer Medikamente in das Urlaubsland informieren. Für Medikamente, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, benötigt man bei Reisen bis zu 30 Tagen in Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens ein Formular des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ein Amtsarzt muss es unterschreiben (siehe auch www.bfarm.de). Um Probleme bei Reisen in Länder außerhalb Europas zu vermeiden, sollte man sich laut BfArM bei der jeweils zuständigen diplomatischen Vertretung des Reiselandes in Deutschland nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen erkundigen.

Auch für andere Arznei- und Hilfsmittel empfiehlt es sich, ein Formular zur Medikamentenmitnahme für den Eigenbedarf in verschiedenen Sprachen auszufüllen und es vom Arzt unterschreiben zu lassen. Das hilft beim Zoll und erleichtert die notärztliche Hilfe im Urlaub. Ein entsprechendes Formular ist zum Beispiel beim ADAC als Download verfügbar.

Wer selbst mit dem Auto oder Wohnmobil fährt, sollte wissen, ob die eingenommen Medikamente das Fahr- und Reaktionsvermögen beeinflussen. Wer unter dem Einfluss bestimmter Medikamente Auto fährt, bringt sich und andere in Gefahr und riskiert bei einem Unfall seinen Versicherungsschutz. Wer über eine längere Zeit jedoch nebenwirkungsfrei auf sein Medikament eingestellt ist, kann sich von einem Arzt, am besten mit verkehrsmedizinischer Zusatzausbildung, auf sein Fahr- und Reaktionsvermögen testen lassen.

Eine Auslandsreiseversicherung (Reiserücktritts-, Auslandskrankenversicherung, Gepäckversicherung) empfiehlt sich für jeden Reisenden, sollte aber auf die Person zugeschnitten sein. Der Versicherte sollte etwa abklären, wie lange am Stück er sich im Ausland aufhalten darf, damit der Versicherungsschutz noch gültig ist, ob die bestehende Erkrankung und daraus entstehende mögliche Folgeerkrankungen abgedeckt werden und wer über den Rücktransport entscheidet: der Arzt im Urlaubsland oder in Deutschland.

Egal, in welches Land man reist: Über die Internetseite des Auswärtigen Amtes kann man sich in die Krisenvorsorgeliste eintragen lassen. Bei einer Reisewarnung, Naturkatastrophe oder einem Terroranschlag im betreffenden Reiseland kümmert sich das Auswärtige Amt dann um die dort eingetragenen deutschen Bürger. Damit nehme man den Angehörigen daheim unter Umständen viel Arbeit ab, so Speckmann.

Wer zusammen mit anderen Personen reisen möchte, sollte im Vorfeld die gesundheitliche Situation und die Erwartungen an den Urlaub offen besprechen. Ein Kurztrip mit dem Wunschpartner zeigt schnell, ob man gut zusammen reisen kann. Man kann auch vorab recherchieren, ob gewünschte Ausflugsziele barrierefrei erreichbar sind.

Besser nicht last minute

Das Tropeninstitut rät, sich bei Reisen in ferne Länder insbesondere über die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, speziell auch im Notfall, zu erkundigen. Wichtige Fragen, etwa zum individuellen Betreuungsbedarf und der sprachlichen Verständigung, gilt es zu klären. Ansprechpartner können der Reiseveranstalter, die Fluggesellschaft und Fremdenverkehrsämter vor Ort sowie Hilfsverbände sein.

Problematisch kann es etwa für Reisende werden, wenn Nahverkehrsmittel und Transfers nicht behindertengerecht sind, das Netz aus Apotheken, Krankenhäusern und Arztpraxen dünn ist und moderne Medikamente nur schwer oder gar nicht erhältlich sind. Das Tropeninstitut rät von einer Flugreise ab, wenn »die Bestätigung von besonderen Erfordernissen durch Reiseveranstalter oder Reisebüro nicht möglich ist«. Auch sehr kurzfristig geplante Flugreisen und Last-Minute-Angebote kommen für Menschen mit schwerer Behinderung und chronischer Erkrankung wegen der längeren Vorbereitungszeit eher nicht infrage.

Bei der Buchung sollte man das Reisebüro beziehungsweise den Reiseveranstalter über die Behinderung oder die chronische Erkrankung informieren. Wer spezielle Arrangements abgeschlossen hat, sollte sich die bestätigen lassen. Das gilt auch für Einreise- und Zollvorschriften für beispielsweise elektrische Rollstühle oder Leit- und Blindenhunde. Diese muss man ebenso wie weiteres Sondergepäck wie Gehhilfen bei der Fluggesellschaft anmelden und sich bestätigen lassen.

Schon während der Buchung, spätestens aber wenn man die Reiseunterlagen abholt, empfiehlt es sich, das Betreuungsformular der Fluggesellschaft auszufüllen und an diese weiterzuleiten. Auch kann man einen Zubringerservice buchen. Bereits vor Reiseantritt sollte man sich nach dem Service für Behinderte auf dem Abflug- und Zielflughafen erkundigen. Spätestens drei Tage vor Abflug sollte man den Sitzplatz reservieren und wenn nötig ein Sondermenü bestellen. Reisedokumente und Ausweise (zum Beispiel ein Diabetiker- oder Schwerbehindertenausweis), Hilfsmittel und Medikamente gehören ins Handgepäck.

Vor dem Flug ist es empfehlenswert, sich noch einmal bei dem Personal der Fluggesellschaft nach Formalitäten und den Gegebenheiten am Zielflughafen zu erkundigen. Das Sicherheitspersonal sollte man vor den Sicherheitskontrollen über Herzschrittmacher, implantierte oder am Körper getragene Insulinpumpen und mobile Dialyseeinheiten informieren. Die Induktionsfelder der Kontrollschranken beziehungsweise der Handkontrollgeräte können die Steuerelektronik der mitgeführten Geräte möglicherweise empfindlich stören.

Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Reiseveranstaltern, die sich auf Reisen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung spezialisiert haben. Vor Ort sollte man den Behindertenausweis stets mitnehmen. Viele Touristenattraktionen behandeln Reisende mit Behinderung bevorzugt. Oftmals bieten sie ihnen und ihren Begleitern ein kostenloses oder vergünstigtes Ticket an.

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