Religionen der Welt – was darf auf den Teller? |
Im Ramadan können die Tage ohne Nahrung anstrengend sein. Abends wieder essen dürfen, bereitet dann um so mehr Freude. / Foto: Getty Images/Shirley Yu
Im Urlaub lassen sich die meisten Menschen gerne von ungewohnten Geschmackserlebnissen begeistern und genießen orientalische Speisen und exotische Gewürze als willkommene Abwechslung zur üblichen Kost. Mit der Zuwanderung anderer Kulturen wandelt sich auch hierzulande die traditionelle Küche. Viele neue Lebensmittel haben Einzug in den Supermarkt gehalten, die Speisekarte in Restaurants und Imbissen ist heute international. Über die religiösen Vorschriften und abweichende Essgewohnheiten und Gebräuche ist dennoch nur wenig bekannt. Hilfreich ist es auch für die Beratung in der Apotheke, Kenntnis über traditionelle oder religiöse Gebräuche und Speisevorschriften zu haben, um niemanden ungewollt auszugrenzen.
Die Gesellschaft in Deutschland ist geprägt von christlichen Wurzeln, strenge Speisevorschriften sind den meisten Bundesbürgern mittlerweile eher fremd. Allerdings gibt es durchaus religiös motivierte Traditionen, die bis heute Bestand haben. Dazu zählen zum Beispiel die Maultaschen im Schwäbischen: Der Legende nach wurden sie im Kloster Maulbronn während der Fastenzeit erfunden, um das Verbot, Fleisch zu essen, zu umgehen. Kleingehackt und mit Gemüse gemischt wurde es in einem Mantel aus Nudelteig versteckt und konnte scheinheilig als Fastenspeise serviert werden. Das schwäbische Nationalgericht ist mittlerweile in aller Munde und der mögliche Ursprung kaum noch bekannt. Das gilt auch für bestimmte Traditionen zu den Feiertagen wie die Gemüseküche am Gründonnerstag, Fisch am (Kar-)Freitag oder das Backen von Plätzchen und Christstollen in der Adventszeit. In anderen Religionen sind die Regeln dazu, was auf den Tisch kommt, sehr viel ausgefeilter und werden – je nachdem wie streng religiös jemand lebt – strikt eingehalten oder nur näherungsweise umgesetzt.
Einige Regeln haben sich in wärmeren Ländern als Schutz vor verdorbenen Speisen etabliert und wurden religiös als »unrein« eingestuft. Vielen ist bekannt, dass gläubige Muslime aus diesem Grund kein Schwein essen. Das ist nicht so abwegig, auch hierzulande werden Hausschweine einer besonderen Fleischuntersuchung unterzogen, da Schweinefleisch unter anderem anfällig für Trichinellen ist. Hausschlachtungen konnten aus hygienischen Gründen deshalb nur in den Wintermonaten stattfnden, erst die Schlachthäuser mit entsprechender Kühlung ermöglichen die unbedenkliche Weiterverarbeitung von Schweinefleisch.
Vielen ist bekannt, dass gläubige Muslime kein Schwein essen, da es als unrein gilt. Generell wird im Islam unterschieden zwischen erlaubten Lebensmitteln, die als »halal« (auch »helal«) bezeichnet werden und als zum Verzehr geeignet gelten, sowie den verbotenen und nicht zum Verzehr gestatteten Lebensmitteln (»haram«). Die Liste der Lebensmittel, die gläubigen Muslimen untersagt sind, bezieht sich in erster Linie auf tierische Produkte. Dazu zählen neben Schweinefleisch alle daraus hergestellten Produkte, zum Beispiel Gelatine (auch in Gummibärchen, Kapseln et cetera) oder Chips mit Schweinefett oder Schmalz, außerdem innere Organe und Blut, Fleisch verstorbener sowie von fleischfressenden Tieren. Auch Alkohol ist tabu.
Erlaubt sind Fleisch und Produkte von Rind, Geflügel, Schaf und Ziege. Alle Lebensmittel, die nicht ausdrücklich verboten sind, beispielsweise alle pflanzlichen Produkte, sind zulässig. Die Zuordnung ist allerdings nicht immer eindeutig, da bei der Herstellung reine Lebensmittel mit unzulässigen Zutaten oder Zusätzen versetzt werden können. Ein Beispiel ist Apfelsaft, der zur Ausfällung von Trübstoffen mit Auszügen aus Schweinegelatine geklärt sein kann. Das ist sicher eine Erklärung dafür, dass viele Muslime eher auf Importware in speziellen Supermärkten zurückgreifen. »Makruh« steht für verpönte Lebensmittel, deren Verzehr zwar nicht verboten, aber nicht gerne gesehen ist.
Die Tiere müssen auf eine besondere Art getötet werden, damit das Fleisch als halal gilt. Anders geschlachtetes Fleisch und daraus hergestellte Produkte werden als unrein eingestuft. Damit eine Schlachtung rein abläuft, muss der Schlachter ein Muslim sein und das lebende, nicht betäubte Tier so töten, dass ein möglichst schnelles Ausbluten erfolgt. Blut darf im Islam nicht verzehrt werden. Diese als Schächten bezeichnete Schlachtung ist in Deutschland gesetzlich verboten. Daher stammt Halal-Fleisch meist aus Importen. Fisch ist erlaubt, ohne dass es besondere Vorschriften zum Töten gibt. Dagegen sind Meerestiere ohne Schuppen in manchen islamischen Traditionen nicht zulässig.
Experten schätzen, dass etwa zwei Drittel der in Deutschland lebenden Muslime die Speisevorschriften zumindest teilweise einhalten. Auf Schweinefleisch wird meist konsequent verzichtet, bei Alkohol ist die Handhabung etwas laxer. Bei streng Gläubigen können nicht nur Lebensmittel in die Bewertung von haram und halal einbezogen werden, sondern auch Arzneimittel, Cremes, Tropfen und anderes mehr. Ein sensibler Umgang ist dann im Sinne des Kunden angezeigt.
Auch im Judentum teilt man die Lebensmittel in zwei Kategorien ein: Erlaubte werden als »koscher« bezeichnet und nicht erlaubte als »trefe«. Wie im Islam gilt Schweinefleisch als tabu, und Fleisch muss gemäß den jüdischen Vorschriften geschlachtet werden. Das heißt, die Tiere müssen nach der Schlachtung vollständig ausbluten. Erlaubt sind Säugetiere, die wiederkäuen und gespaltene Hufe haben, wie Rind, Ziege und Schaf, sowie Fische mit Flossen und Schuppen, beispielsweise Lachs. Die meisten Vogelarten gelten ebenfalls als koscher. Produkte von koscheren Tieren wie Milch und Eier sind grundsätzlich erlaubt.
Im Judentum gibt es zudem die Vorschrift, milchige Lebensmittel mit Bestandteilen aus Milch und fleischige, die Fleisch oder andere Produkte vom Tier enthalten, zu trennen. Sie dürfen nicht zusammen in einer Mahlzeit vorkommen, nicht gemeinsam zubereitet und auch nicht zusammen auf einem Tisch serviert werden. Es dürfen dafür nicht die gleichen Töpfe, Pfannen oder Teller zum Einsatz kommen. Religiöse Juden haben extra unterschiedliches Geschirr, um den Kontakt der Lebensmittel zu vermeiden. Milchige und fleischige Speisen dürfen zudem nur in zeitlichem Abstand verzehrt werden. Tabu ist demnach beispielsweise ein Hackfleischauflauf mit Sahne und Käse. Ist ein Lebensmittel weder fleischig noch milchig, wie Fisch, Eier und alle pflanzlichen Lebensmittel, wird es als »parve« bezeichnet und darf mit beiden Kategorien auf den Tisch kommen. Bei streng Gläubigen müssen Speisen außerdem idealerweise von einem Juden oder wenigstens mit jüdischer Beteiligung hergestellt werden, sonst gelten sie nicht als koscher, sondern nur als »kosher style«.
Generell gilt das Gebot der Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen. Deshalb leben die meisten Hindus vegetarisch. / Foto: Adobe Stock/Arundhati
Die Lehre des Buddhismus bezieht sich auf die eher philosophischen Überlegungen des Siddhartha Gautama, der als der ursprüngliche Buddha – der Erleuchtete – gilt und in Nordindien gelebt hat. Anhänger des Buddhismus gelten als besonders friedfertig, da Mitgefühl mit allem Lebendigen und das Vermeiden von Leid zentrale Punkte ihres Glaubens darstellen. Von ihren fünf sogenannten Tugendregeln betreffen zwei das Essen. So ist ihnen nicht erlaubt, Lebewesen zu töten, und sie sollen keine Rauschmittel konsumieren. Folglich lehnen viele Buddhisten Fleisch sowie den Konsum von Alkohol ab. Dennoch sind nicht alle Buddhisten zwangsläufig Vegetarier. Einige Anhänger des Buddhismus verzichten auch auf den Verzehr von Zwiebelgewächsen wie Knoblauch, Schnittlauch oder Porree. Denn diesen Lebensmitteln wird eine anregende Wirkung auf ungewollte sexuelle Energien unterstellt. Aus dem gleichen Grund essen manche auch keinen Ingwer. Verboten ist zudem das Fleisch von Elefanten, Pferden, Hunden, Schlangen und Raubtieren.
Buddhisten sollen zudem nur so lange essen bis ihr Hunger gestillt ist. Lebensmittel dürfen nicht vergeudet oder weggeworfen und kein Tier nur um des Essens willen getötet werden. Wird bei einer Einladung Fleisch serviert, dürfen sie es essen, um dem Gastgeber Respekt zu zollen.
Etwa 100.000 Menschen leben hierzulande nach den Regeln des Hinduismus, der aus Indien stammt. Die bekannteste: Kühe gelten als heilige Tiergottheit und dürfen daher nicht verzehrt werden. Auch das Fleisch von fleischfressenden Tieren ist zu meiden, da es als weniger rein gilt. Fleisch von pflanzenfressenden Tieren, ausgenommen Rindern, wird aber teilweise gegessen. Generell gilt jedoch das Gebot der Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen. Daher leben die meisten Hindus vegetarisch. Beim Umgang mit Lebensmitteln spielt die Vorstellung von Reinem und Unreinem eine große Rolle, wie auch im Islam oder Judentum. So gelten Milchprodukte als besonders rein, ebenso Wasser oder Ghee (flüssiges, gereinigtes Butterschmalz) und alle pflanzlichen Lebensmittel als gut. Der Hinduismus ist jedoch aus unterschiedlichen Traditionen zusammengewachsen, weswegen es keine für alle Hindus geltenden Regeln gibt. Unterschiedliche Vorschriften können in Indien auch durch das traditionelle Kastensystem entstehen, was aber auf hier lebende Hindus vermutlich keine Auswirkungen hat.
Die drei großen Weltreligionen Islam, Christen- und Judentum kennen das religiös motivierte Fasten, im Buddhismus gibt es bestimmte Monate des Verzichts. Die Zeit der Nahrungspause dient der inneren Einkehr, der Besinnung auf das Wesentliche und dazu, den eigenen Glauben zu festigen. In den letzten Jahren hat das Fasten hierzulande eine wachsende Aufmerksamkeit erhalten. Christen fasten ab Aschermittwoch traditionell 40 Tage bis Ostern, um dem Leiden Christi zu gedenken. Mittlerweile wird diese Zeit auch genutzt, um auf Alkohol oder Süßes zu verzichten oder den materiellen Konsum zu überdenken. Fasten ist so eher zum Aufbrechen liebgewonnener, aber eher schädlicher Gewohnheiten geworden.
Von den etwa fünf Millionen Muslimen in Deutschland begehen nach Zahlen des Bundesamtes für Migration etwa die Hälfte den Fastenmonat Ramadan. Das jährliche Fasten, das in diesem Jahr vom 13. April bis zum 11. Mai stattfand, gilt als eine der fünf Säulen des Islams. Das Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, Spenden und eine Pilgerreise nach Mekka zählen zu den weiteren Säulen.
Während des Ramadan, der sich jährlich aufgrund der Orientierung am Mondkalender um einige Tage verschiebt, wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder gegessen noch getrunken sowie auf das Rauchen verzichtet. Die Zeit dient traditionell als Stärkung ethisch-moralischer Werte mit Gebeten oder Besuchen der Moscheen sowie der Pflege von Kontakten zu Angehörigen und Freunden. Fluchen, Lästern oder Streiten sind dagegen unerwünscht. Üblicherweise erfolgt das abendliche Fastenbrechen in Gemeinschaft mit der Familie und Freunden, niemand soll alleine das Fasten brechen. Der Fastenmonat endet mit dem sogenannten Zuckerfest, dem Sekerbayrami. Drei Tage lang wird das Leben gefeiert und zusammen mit anderen gegessen und getrunken.
Auch im Judentum ist das Fasten fester Bestandteil der religiösen Tradition. Der höchste Feiertag heißt Jom Kippur und ist der Versöhnungstag, an dem sich Menschen mit Gott und ihren Mitmenschen aussöhnen. Das Datum variiert, da der jüdische Kalender ebenfalls nach dem Mond berechnet wird. In diesem Jahr wird er am 16. September gefeiert. Vor Beginn des Jom Kippur kommen traditionell Kreplach auf den Tisch, Teigtaschen, meist mit Rindfleisch gefüllt. Am Versöhnungstag wird nur gebetet, weder das Essen noch Trinken sind erlaubt. Die Gläubigen verzichten zudem auf Arbeiten, Körperpflege und Geschlechtsverkehr, manche auch auf das Tragen von Lederschuhen. Die Mehrheit der Juden, auch weniger religiöse, fasten an Jom Kippur mehr oder weniger streng. Das Fasten dauert 25 Stunden und beginnt mit dem Sonnenuntergang des Vortages. Zum Abschluss des Fastens wird ein festliches Mahl zubereitet, als Anbeißen bezeichnet. Man wünscht sich gegenseitig ein gutes Jahr und gute Besiegelung. Auch an vier Trauertagen der jüdischen Geschichte wird gefastet, um an die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, an Vertreibung und Exil zu erinnern.
Was im Urlaub voller Neugier entdeckt wird, stößt in der eigenen Umgebung schnell auf Befremden. Dabei können die zusammenlebenden Kulturen sich gegenseitig nicht nur tolerieren, sondern durchaus bereichern. Wie selbstverständlich sind heutzutage Pizza und Döner, die zwischen den 1955er und Ende der 1960er Jahren mit der ersten Gastarbeiterwelle nach Deutschland kamen. Das heißt, die Gesellschaft und kulturelle Gepflogenheiten befinden sich im steten Wandel. Wie viele von den in Deutschland lebenden Angehörigen der großen Weltreligionen ihren Glauben tatsächlich praktizieren und sich beispielsweise an die Speisevorschriften halten, ist nicht bekannt. Es ist eher davon auszugehen, dass die Regeln zunehmend aufweichen. Das heißt aber nicht, dass ein sensibler Umgang mit anderen Kulturen und religiösen Vorschriften bei Gläubigen überflüssig wären. In der Apotheke ist es sicher sinnvoll, zumindest einige Regeln zu kennen und zu respektieren, um mit entsprechenden Kunden verständnisvoll und auf Augenhöhe umzugehen.
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Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wiesen im Juni 2020 von den 83,2 Millionen Einwohnern in Deutschland 21,2 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund auf, das heißt mehr als ein Viertel. Per Definition gilt in Deutschland, dass eine Person einen Migrationshintergrund hat, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. In den westlichen Bundesländern haben mehr als ein Drittel aller Einwohner einen Migrationshintergrund, in den neuen Bundesländern ist der Anteil deutlich geringer.
Statistiker schätzen, dass unsere Gesellschaft sich zu etwas mehr als der Hälfte aus katholischen und evangelischen Christen (44,3 Millionen), etwa 5,5 Millionen Muslimen, circa 225.000 Juden, etwa 280.000 Buddhisten und circa 100.000 Hindus zusammensetzt. Etwas mehr als ein Drittel der Menschen in Deutschland gibt an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, in den neuen Bundesländern deutlich mehr als in den alten. Unter den Geflüchteten, die in den Jahren 2013 bis einschließlich 2016 nach Deutschland gekommen sind, war ein hoher Anteil an Muslimen, überwiegend aus Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten. Mehrheitlich stammt die muslimische Bevölkerung in Deutschland dagegen aus der Türkei. Das heißt, es herrschen unterschiedliche Traditionen, und das muslimische Leben ist in Deutschland entsprechend vielfältig.