Risikofaktor Parodontitis |
Verena Schmidt |
12.04.2022 12:00 Uhr |
Wer seine Zähne regelmäßig pflegt, beugt neben Karies auch vielen weiteren Erkrankungen vor. / Foto: Getty Images/skynesher
Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die einen schweren Verlauf von Covid-19 begünstigen. Die wenigsten aber denken in diesem Zusammenhang an eine mangelnde Mundhygiene. Doch einige Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass Menschen mit schlechter Mundhygiene ein deutlich erhöhtes Risiko haben, bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 schwer zu erkranken oder gar zu sterben. Eine Fallkontrollstudie aus Katar etwa, bei der sich Zahnmediziner den Zusammenhang von Parodontitis und schweren Covid-Verläufen genau anschauten, zeigt: Mit bestehender Parodontitis landeten Covid-19-Patienten 3,5-mal häufiger auf einer Intensivstation als solche mit gesunder Mundflora. Sie mussten 4,5-mal häufiger beatmet werden und hatten sogar ein 8,8-fach erhöhtes Risiko, zu versterben.
Eine Parodontitis entsteht, wenn sich im Mund viele Bakterien ansammeln. Gerät das orale Mikrobiom dann aus der Balance, können sich schädliche Bakterienspezies übermäßig vermehren und das Zahnfleisch und weitere Teile des Zahnhalteapparats angreifen. Im weiteren Verlauf entstehen sogenannte Zahnfleischtaschen, die mit der Zahnbürste nicht erreicht werden können. Dort sammeln sich Bakterien an, und die Entzündung schreitet weiter fort. Später kann diese dann Gewebe schädigen, die die Zähne im Kiefer fest verankern sollen – die Zähne können sich lockern und ausfallen. Breiten sich die Bakterien vom Mund ausgehend im Körper aus, kann das fatale Folgen haben und etwa einen Herzinfarkt oder Schlaganfall begünstigen.
Eine Parodontitis beeinflusst auch viele chronische Erkrankungen. Gut untersucht sind zum Beispiel die Wechselwirkungen mit Diabetes mellitus: Diabetiker haben ein im Vergleich zu Gesunden dreifach erhöhtes Risiko, an Parodontitis zu erkranken. Bei Diabetes-Patienten mit schlecht eingestelltem Blutzucker verlaufen Entzündungen im Mundraum schwerer als bei gut kontrollierten Blutzuckerwerten; umgekehrt erschwert eine bestehende Parodontitis aber eine gute Blutzuckereinstellung.
Wie genau die Wechselbeziehungen der Stoffwechselerkrankung und der Parodontitis aussehen, ist noch nicht ganz geklärt. Dass Diabetiker ein erhöhtes Risiko für eine Parodontitis aufweisen, könnte mit sogenannten Endprodukten der fortgeschrittenen Glykierung (AGE, advanced glycation end products) zusammenhängen. Diese entstehen beispielsweise durch Bindung von Glucose an Proteine und Lipide verstärkt bei Hyperglykämien. Binden die AGE an spezifische Rezeptoren auf Entzündungszellen, können sie die Freisetzung von Entzündungsmediatoren induzieren und so auch die von Bakterien verursachte Entzündung im Mundraum verstärken.
Bei Typ-2-Diabetikern diskutieren Zahnmediziner auch einen Zusammenhang mit einer vermehrten Bildung von Adipokinen – Proteine mit hormoneller Wirkung, die bei Adipositas vermehrt aus dem Fettgewebe freigesetzt werden. Adipokine regulieren die Wirkung von Insulin, können jedoch auch Entzündungs- und Wundheilungsprozesse negativ beeinflussen.
Ähnliche entzündungsfördernde Wirkungen wie bei Diabetes scheint die Parodontitis bei rheumatischen Erkrankungen zu haben, und auch das Herz kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Verschiedene Studien bringen die Parodontitis außerdem in Verbindung mit einem erhöhten Frühgeburtsrisiko in der Schwangerschaft, Nieren- und Atemwegserkrankungen und neurodegenerativen Krankheiten wie Morbus Alzheimer.
Wie kann man nun einer Parodontitis vorbeugen? Die wichtigste Maßnahme ist, den Zahnbelag regelmäßig zu beseitigen: durch mindestens zweimal tägliches Zähneputzen und die Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Interdentalbürsten. Der Zahnarzt kann zudem bakterielle Beläge beseitigen, auch unterhalb des Zahnfleischrands. Zweimal pro Jahr empfiehlt sich außerdem eine professionelle Zahnreinigung.
»Zähneputzen verhindert Herzinfarkt«: So könnte man es wohl überspitzt formulieren. Denn Entzündungen des Zahnfleischs können sich im ganzen Körper ausbreiten und zahlreiche Schäden verursachen – darunter einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Der Zahnmediziner Professor Dr. James Deschner und der Medizinjournalist Peter Erik Felzer, Chefredakteur der Apothekenkunden-Zeitschrift »Das Apotheken Magazin«, erklären in dem Patienten-Ratgeber »Gesund beginnt im Mund«, wie sich einer Parodontitis effektiv vorbeugen lässt und wie sie behandelt werden kann. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der aktuellen Behandlungsleitlinie.
Die Autoren punkten in ihrem Ratgeber mit Fachexpertise, aber auch mit hoher Leserfreundlichkeit. Das sieht auch die Fachjury der Initiative proDente so: Im März 2022 wurden die beiden Autoren für den Ratgeber mit dem Journalistenpreis »Abdruck« ausgezeichnet.
James Deschner, Peter Erik Felzer: Gesund beginnt im Mund. Wie die richtige Zahnpflege vor Herzinfarkt & Co. schützen kann; Govi – ein Imprint der Avoxa Mediengruppe Gesundheit mit der Apotheke 2021, 96 Seiten
Buch: kartoniert, PZN 17586777, ISBN 978-3-7741-1583-5, E-Book: PDF mit Wasserzeichen, ISBN 978-3-7741-1584-2, jeweils EUR 11,90.
Hinweis: Der Ratgeber wird in Apotheken zum Verkauf angeboten. Apotheken bestellen mit Staffelrabatt direkt bei der Avoxa-Mediengruppe oder bei ihrem Pharmagroßhändler.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.