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Hygiene in der Küche

Rote Karte für Lebensmittelverderber

Der Sommer steht in den Startlöchern, mit ihm die erhöhte Gefahr verdorbener Lebensmittel. Urheber des akuten Brech-Durchfalls sind vor allem in den warmen Monaten aktiv. Und nährstoffarmes Obst und Gemüse, Schimmelpilze oder Chemikalien bedrohen ganzjährig die Gesundheit. Die Spielregeln in Sachen Speisenzubereitung sind eigentlich ganz einfach.
Cornelia Höhn
22.06.2021  09:00 Uhr

Wer jetzt regional kauft, freut sich über die große Auswahl knackiger heimischer Äpfel. Aber wie kann das sein? Es ist Juni, im eigenen Garten wurden die Äpfel im Herbst geerntet, sind längst verzehrt und hatten schon in der Bratapfelzeit deutliche Runzeln. Deutsche Äpfel, die man jetzt kauft, haben in der kontrollierten Atmosphäre von Speziallagern überwintert, wo sie bei 1° bis 4°C, erniedrigtem Sauerstoff- und erhöhtem Kohlendioxidgehalt kaum Vitaminverluste erleiden und durch hohe Luftfeuchtigkeit in Form bleiben. Nach dem Einkauf gehören sie ins Gemüsefach des Kühlschrankes, denn in der Obstschale würden sie in drei Wochen ihren gesamten Vitamin-C-Gehalt einbüßen.

Ein ähnliches Schicksal erleiden übrigens Obst und Gemüse, die wir roh einfrieren. Hier heißt das Zauberwort Blanchieren: Kurzes Erhitzen in kochendem Wasser oder Wasserdampf inaktiviert Enzyme, die für den Abbau der Vitamine verantwortlich sind. Schnelles Abkühlen in Eiswasser, auf dem kürzesten Weg in den Gefrierschrank - und 90 Prozent der Vitamine sind nach einem halben Jahr noch unversehrt. In der Industrie gibt es hierfür Spezialgeräte; Tiefkühl-Obst und -Gemüse zählen also durchaus zu den empfehlenswerten Convenience-Produkten.

Gefahr Botulismus

Vitaminschonender und vor allem sicherer als homemade ist auch die industrielle Herstellung von Konserven: Bohnen beispielsweise werden dort im Dampfdruckkessel auf 121 °C Kerntemperatur erhitzt und sehr schnell abgekühlt. Bakteriensporen des anaeroben Clostridium botulinum sterben hierbei innerhalb weniger Minuten ab. Auskeimen der Sporen und Bildung von Botulinum Neurotoxinen (BoNT) werden so unterbunden. Hauptquelle des Botulismus ist folglich im Haushalt unsachgemäß eingewecktes Gemüse, aber auch Wurstdosen oder Fischprodukte.

BoNT werden erst bei Temperaturen über 85 °C nach einer Minute zerstört. In unerhitzten Lebensmitteln, wie Bohnensalat aus unzureichend eingekochten Bohnenkonserven, können winzige Mengen bereits lebensbedrohlich sein. Tückisch sind daher Lebensmittel, die noch nicht merklich verändert sind. Also Finger weg von aufgeblähten Dosen und offenen Einmachgläsern! Bei Verdacht keinesfalls probieren, sondern vernichten!

12 bis 72 Stunden nach Verzehr BoNT-kontaminierter Produkte treten Lähmungserscheinungen im Bereich der Gliedmaßen, Augen- und Zungenmuskulatur auf, mit Doppelbildern, Sprach- und Schluckstörungen. In Deutschland gibt es etwa 3 bis 6 Fälle pro Jahr, 5 Prozent der Betroffenen sterben an Atemlähmung oder Herzversagen.

Keimschleuder Salat

Direkt vor dem Verzehr die unzerteilten Blätter unter fließendem Wasser zu reinigen, zu zerkleinern und sofort mit Essig und Öl zu mischen, garantiert die geringsten Auslaugverluste und eine massive Reduktion der auch nach dem Waschen oft noch hohen Keimzahlen. Den sauren pH-Wert der Vinaigrette lieben Bakterien nämlich nicht.

Laut Bundesamt für Risikobewertung (BfR) weisen vorgeschnittene, in Folie verpackte Salate aus dem Supermarktregal oft Krankheitserreger auf, die sich im feuchten, nährstoffreichen Milieu trotz Kühlung noch weiter vermehren können. Diese Salate sollten deshalb vor dem Verzehr nochmals sehr gründlich gewaschen werden. Aufgeblähte Verpackungen bitte links liegen lassen. Schwangere und Immungeschwächte vermeiden vorbereitete Salatmischungen am besten gänzlich.

Was Sprossen betrifft, so hat es Professor Dr. Alexander Kekulé, Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle-Wittenberg, schon während der EHEC-Epidemie 2011 auf den Punkt gebracht: »Sprossen waren von Anfang an einer der üblichen Verdächtigen. Wir wissen, dass das ein besonders gefährliches Produkt ist.« Im Keim sind bereits wenige Bakterien enthalten, diese bleiben während des Wachstums in der Frucht und können somit nicht abgewaschen werden.

Mehr als 4000 Erkrankte und rund 50 Todesfälle gab es damals durch die aggressive EHEC-Variante, die erstmals zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) mit Zerstörung roter Blutkörperchen und Nierenversagen führte. Der Übeltäter wurde nie dingfest gemacht, aber der ägyptische Bockshornkleesamen stand arg im Kreuzfeuer.

Die süße Gefahr

Wer kann schon an der Auslage des Bäckers vorbeigehen oder einem Eis beim Italiener widerstehen? Doch leider – auch hier lauern Gefahren. Backwaren sind in der Mitte manchmal noch teigig, die Theken haben keine Kühlung und so ist der Keimvermehrung etwa von Salmonellen in eihaltigem Backwerk Tür und Tor geöffnet. Viele Bäckereien verwenden mittlerweile pasteurisiertes Vollei, also am besten erst nachfragen, dann genießen!

Eisberge, die an heißen Sommertagen schon in den übervollen Behältern des Eiscafes dahinschmelzen, sind ein hervorragendes Substrat, süß und flüssig wie Keime es lieben. Ein kritischer Blick kann also nicht schaden! Beim aufgeschäumten pastenartigen Softeis werden statt -18 °C lediglich -6 °C erreicht. Konsistenz und Temperatur bieten demnach ebenfalls ein optimales Nährmedium. Laut Bayrischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ergaben Untersuchungen von Softeis im Vergleich zu Speiseeis aus Eisdielen aber wesentlich weniger Beanstandungen. Die Softeismaschine als Brutstätte sei eher ein »gefühltes Risiko«. Etwa 14.000 Salmonellen-Infektionen soll es pro Jahr in Deutschland geben.

Kein Sommer ohne Grillfest

In der Abenddämmerung landet leicht ein noch nicht durchgegartes Putensteak auf dem Teller und die Grillzange wird in aller Regel für rohes wie für fertiges Fleisch hergenommen. Der Kartoffelsalat steht viel zu lange ungekühlt auf dem Partytisch - und schon haben Campylobacter-Bakterien ihren Auftritt. Kein Wunder, dass Infektionen verstärkt im Sommer in der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen auftreten.

Laut einer Studie des BfR sind 40 Prozent der konventionellen Geflügelbestände befallen, bei Freiland- und Bio-Ware sind es gar 60 Prozent. Die Keime vermehren sich im Lebensmittel zwar nicht, da aber schon eine geringe Zahl krank macht, reicht die Vorabkontamination oft aus.

Ein Abend im Biergarten

Den Lippenstiftrest auf dem Maßkrug übersehen wir dezent, das nicht ganz saubere Besteck wischen wir verstohlen an der Serviette ab. Ansonsten vertrauen wir darauf, dass es in der Restaurantküche hygienisch zugeht. Nicht abgedeckte Wunden an den Händen, erkältete Mitarbeiter und eine unzureichende Speisenkühlung verhelfen den widerstandsfähigen Enterotoxinen des Staphylococcus aureus bei der Verbreitung. Laut BfR können weder saurer Magen-pH, Verdauungsenzyme, noch stark erhitzte Speisen den Giftstoffen etwas anhaben. Manche Menschen erkranken innerhalb weniger Minuten.

Ganzjährige Übeltäter

Schwangere, Kleinkinder und Immungeschwächte sollten um Rohmilchprodukte, Rohwürste, Hackepeter, Sushi und Räucherfisch sowie vorgeschnittene Salate einen weiten Bogen machen, um Listeria monocytogenes keine Chance zu geben. Das fakultativ anaerobe Bakterium kann sich noch bei 0 °C in losen oder vakuumverpackten Lebensmitteln vermehren, die deshalb weit vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums verzehrt werden sollten. Listerien überleben den Aufenthalt im Gefrierschrank, Temperaturen ab 70 °C töten sie ab. Werden Bakterien über die Nabelschnur übertragen, kann das den Fetus schädigen beziehungsweise Früh- oder Totgeburten zufolge haben. Beim Neugeborenen sind Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung Hinweise auf eine vorangegangene Listerieninfektion der Mutter.

Bei Toxoplasma gondii handelt es sich um Parasiten, deren widerstandsfähige Zysten in rohem Fleisch, aber auch im Erdboden überleben. Schwangere und Immunsupprimierte verzichten daher besser auf nicht ausreichend erhitztes Fleisch beziehungsweise waschen rohes Gemüse und bodennah wachsendes Obst besonders gründlich. Das BfR meldet jährlich um die 15 konnatale Toxoplasmosefälle, wobei die werdenden Mütter oft keine oder nur leichte Krankheitszeichen aufweisen.

Die Übertragungsrate über die Plazenta ist im letzten Schwangerschaftsdrittel besonders hoch. Dem Neugeborenen drohen ein Hydrocephalus (Wasserkopf) und Verkalkung der Hirngefäße. Manchmal zeigt sich erst nach Jahren eine Entzündung der Netz- und Aderhaut bei bis dahin unauffälligen Kindern. Positiv: Fast die Hälfte aller Frauen mit Kinderwunsch hat schon Antikörper, muss sich also nicht um eine Erkrankung kurz vor oder während der Schwangerschaft sorgen. Die andere Hälfte sollte Gartenarbeit und das Reinigen der Katzentoilette unbedingt anderen überlassen, denn auch Katzenkot kann infektiös sein.

Gesundheitsrisiko Schimmelpilz

Teratogen sind von Schimmelpilzen gebildete Mykotoxine wie Aflatoxin (in Nüssen, Getreide) oder Patulin (in Obst). Nicht nur für das Ungeborene bergen sie Risiken: jedem von uns drohen durch den Verzehr Leber- und Nierenschäden. Aflatoxin B scheint außerdem der am stärksten kanzerogene Naturstoff zu sein.

Das Tückische an Schimmelpilzen ist, dass ihr toxinbildendes Myzel auch trockene Nahrungsmittel durchdringt, während sich die wasserlöslichen Toxine in feuchten Lebensmitteln komplett verteilen. Im Zweifel heißt es deshalb ab in die Tonne. Wie alle Lebewesen benötigen auch die Lebensmittelverderber eine Umgebung, in der Temperatur, Feuchtigkeit, Sauerstoffgehalt und pH-Wert für ihr Wachstum optimal sind. Schimmelpilze lieben es kälter, benötigen am wenigsten Wasser, weshalb Hartkäse auch im Kühlschrank schimmelt. Während Bakterien einen neutralen pH-Wert bevorzugen, verderben saure Produkte fast immer durch Schimmel.

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