Rund um das Take-home-Rezept |
Juliane Brüggen |
14.12.2021 16:00 Uhr |
Lange war Methadon das am häufigsten verschriebene Substitutionsmittel. Mittlerweile ist Levomethadon gleichauf, wie der Bericht zum Substitutionsregister (Januar 2021) zeigt. / Foto: Adobe Stock/monropic
»Take home« bedeutet für Suchtpatienten mehr Freiraum und Selbstbestimmung. Wann es soweit ist, entscheidet der Arzt. Die Substitutionstherapie beginnt zunächst immer mit einer Sichtvergabe: Der Patient nimmt die Substitutionsmittel unter Aufsicht ein, etwa in der Arztpraxis oder in der Apotheke. Sieht der Arzt nach einiger Zeit, dass der Patient zuverlässig ist, keine anderen Drogen konsumiert und klinisch wie psychosozial stabil ist, kommt der nächste Schritt: die Take-home-Verschreibung.
Alle Angaben zu Personen, Kassen- und Vertragsnummern sowie die Nummern der Codierzeile sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und unbeabsichtigt. Ortsangaben und Telefonnummern sind rein willkürlich gewählt, um den Beispielen eine reale Anmutung zu geben.
Vorlagedatum in der Apotheke: 14.12.2021 / Foto: PTA-Forum
In § 5 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) finden sich die Regelungen zur Substitutionstherapie. In Absatz 9 geht es um die Take-home-Verordnung. Hier ist festgelegt, dass der Arzt dem Patienten nur eine begrenzte Menge an Substitutionsmitteln zur eigenverantwortlichen Einnahme – also zur Einnahme ohne Aufsicht – verschreiben darf, und zwar
Ein begründeter Einzelfall kann beispielsweise eine Urlaubsreise sein oder eine berufliche Tätigkeit.
Neben den allgemein vorgeschriebenen Angaben auf dem BtM-Rezept, muss das Rezept mit »ST« gekennzeichnet sein. Außerdem vermerkt der Arzt die Reichdauer »in Tagen« auf dem Rezept, eine spezielle Form ist dafür nicht vorgesehen. Am genauesten ist die Angabe in Daten, zum Beispiel »Reichdauer: 16.12. bis 21.12.2021«.
Der Arzt kann weiterhin patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, an denen die Apotheke bestimmte Teilmengen an den Patienten oder die Arztpraxis (zur Sichtvergabe) abgeben soll – oder, an denen eine Sichtvergabe in der Apotheke stattfinden soll (Vorsicht: schriftliche Vereinbarung mit Arzt erforderlich). Diese Anweisungen muss der Arzt ebenfalls auf dem Rezept vermerken. Hat der Patient dazu allerdings ein separates Dokument erhalten, reicht ein Hinweis auf die schriftliche Anweisung auf dem Rezept.
Eine Take-home-Verordnung darf der Arzt nur »im Rahmen einer persönlichen Konsultation« an den Patienten übergeben. Laut Richtlinie der Bundesärztekammer zur Substitutionstherapie soll einmal pro Woche ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient stattfinden und ebenfalls einmal pro Woche die Einnahme unter Aufsicht.
Take-home-Verordnungen (»ST«) und Überbrückungs-Verordnungen (»SZ«) dürfen während der Covid-19-Pandemie aber auch ohne persönliche Konsultation an Patienten übergeben werden. Diese Regelung, die auf die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (SARS-CoV-2-AM-VersVO) zurückgeht, gilt vorerst bis zum 31. Mai 2022. Innerhalb einer Kalenderwoche darf der Patient zudem ausnahmsweise bis zu vier Rezepte erhalten, aber nicht mehr als ein Rezept pro Tag.
Der Arzt darf nur zur Substitution zugelassene Arzneimittel verschreiben, außerdem Zubereitungen mit Levomethadon, Methadon oder Buprenorphin und in begründeten Ausnahmefällen Zubereitungen mit Codein oder Dihydrocodein. Für die heroingestützte Behandlung gelten besondere Regeln: Diamorphin (= Heroin) darf nur in speziellen Einrichtungen verschrieben und angewendet werden.
Take-home-Rezepte rechnet die Apotheke meist nach Hilfstaxe ab. Finden sich dort keine Regeln zur Preisberechnung, müssen die Preise direkt mit der Krankenkasse verhandelt werden. In der Hilfstaxe beschäftigen sich die Anlagen 4 bis 7 mit der Substitutionstherapie:
In den Anlagen finden sich die Preistableaus, mit denen das pharmazeutische Personal den Nettoabgabepreis berechnen kann, je nachdem, wie viele Einzeldosen verordnet sind. Einen Sonderstatus hat das Substitutionsmittel Subutex®, wenn es mit Aut-idem-Kreuz verordnet ist: Dann wird es nach einer alten Anlage 6 der Hilfstaxe abgerechnet: in der Fassung vom 01. Oktober 2009. Da es sich um Nettopreise handelt, werden Umsatzsteuer, BtM-Gebühr und gegebenenfalls die Kosten für den kindergesicherten Verschluss dazugerechnet.
Ist mehr als ein Abgabezeitpunkt vereinbart, kann es sein, dass bei der Abgabe der letzten Teilmenge – wie im dargestellten Rezeptbeispiel – die Belieferungsfrist des BtM-Rezeptes (vermeintlich) überschritten ist. Was zählt, ist aber das Vorlagedatum: Es reicht, wenn der Patient das BtM-Rezept innerhalb von sieben Tagen nach dem Ausstellungstag in der Apotheke vorgelegt hat (vergleiche § 12 BtMVV). Es empfiehlt sich, das Vorlagedatum auf dem Rezept zu vermerken.
Für Substitutionsrezepte muss die Apotheke elektronische Zusatzdaten (Z-Datensatz) liefern, wobei für Rezepturen noch eine Übergangsfrist bis 30. Juni 2022 gilt. Liegt ein Papierrezept vor, wird dazu eine Transaktionsnummer oberhalb des IK-Feldes gedruckt. So wird das Papierrezept mit den elektronischen Daten verknüpft. Außerdem kommt ein 40-stelliger Hash-Code in die zweite und dritte Taxzeile des Rezeptes.
Welche Daten werden also übermittelt? Das lässt sich in der Technischen Anlage 1 zur Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nach § 300 SGB V nachlesen. Grundsätzlich ist das Institutionskennzeichen (IK) der Apotheke, die Transaktionsnummer und ein Zeitstempel im Datensatz enthalten. Hinzu kommt ein Datensatz für die verordnete Rezeptur oder Fertigarzneimittel-Teilmenge (sogenanntes Herstellungssegment). Erfasst werden bei Substitutionsrezepten das Kennzeichen des Herstellenden (in der Regel wieder das IK der Apotheke), Datum und Uhrzeit der Abgabe sowie die Anzahl der Abgabevorgänge und der Einzeldosen je Abgabevorgang; außerdem die tatsächlich verwendeten Stoffe oder Fertigarzneimittel mit ihrer PZN und der jeweils verwendete Mengenanteil.
Die Apotheke kann für eine Rezeptur oder Fertigarzneimittel-Teilmenge mehrere Abgabevorgänge erstellen, zum Beispiel, wenn der Arzt die Abgabe der Take-home-Einzeldosen aufgeteilt hat (siehe Rezeptabbildung). Pro Abgabevorgang wird das jeweils zutreffende Sonderkennzeichen, die Abrechnungsart (Sichtvergabe, Take-home-Verordnung oder SZ-Verordnung), die abzurechnende Einzeldosis in Milligramm und ihr Preis erfasst.
Für Rezepturen mit Methadon und Levomethadon (Anlage 4 und 5 der Hilfstaxe) ist das Übermitteln der elektronischen Zusatzdaten bis Ende des Jahres noch optional. Zudem ist für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2022 eine Übergangsfrist vereinbart: Auf die Lieferung der Z-Daten und Bedruckung von Papierrezepten mit Hash-Code kann demnach verzichtet werden, wenn technische Probleme dies verhindern.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.