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Endlich Ruhe?

Schlafen in Corona-Zeiten

Die Corona-Pandemie durchdringt alle Lebensbereiche und macht auch vor dem Schlafzimmer nicht halt. Als das öffentliche Leben heruntergefahren wurde, fiel sofort die Stille auf: Kein Verkehrslärm mehr an zuvor stark befahrenen Straßen, keine startenden Flugzeuge in Airport-Nähe. Führt diese Ruhe zu einem besseren Schlaf? Oder verursacht die Corona-Krise Stress und damit Schlafstörungen?
dpa
18.06.2020  11:00 Uhr

Erste Studienergebnisse sowie Daten von Energieversorgern zum Strom- und Wasserverbrauch weisen darauf hin, dass viele Menschen seit Mitte März morgens etwas länger im Bett bleiben. Der Schlaf-Wach-Rhythmus orientierte sich zwischen Ende März und Ende April eher an unserer inneren biologischen Uhr als an sozialen Erfordernissen wie Arbeitszeiten, fanden Forschende der Universität Basel heraus. 75 Prozent der überwiegend weiblichen Befragten berichteten, bis zu rund 50 Minuten länger zu schlafen als vor den Einschränkungen.

Schlaflos in der Pandemie

»Es gab aber auch negative Veränderungen«, sagt Studienleiterin Christine Blume. So hätten 58 Prozent eine schlechtere Schlafqualität angegeben. »Diejenigen, die sich stärker belastet fühlen, schlafen schlechter und kürzer.« Einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse zufolge schläft jeder Zehnte in der Corona-Pandemie schlechter, unter den coronabedingt Gestressten sogar jeder Vierte.

Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), befürchtet, dass die Corona-Krise die Anzahl der Patienten mit Schlafstörungen weiter ansteigen lässt. Ihre Zahl war in den vergangenen Jahren laut dem Gesundheitsreport 2019 der Barmer Krankenkasse ohnehin schon deutlich gestiegen.

»Schlaf ist die beste Medizin, gerade in Corona-Zeiten.«
Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)

Arbeitslosigkeit sowie ein geringes Einkommen seien Risikofaktoren, sagt der Psychotherapeut und Buchautor Weeß. »Wenn es nicht gelingt, die Grübeleien zu stoppen und sich von Alltagssorgen zu entlasten, dann ist die Schlafstörung vorprogrammiert.«

Volkskrankheit Schlafstörung

Bewegung unter freiem Himmel könne einer Verschlechterung der Schlafqualität entgegenwirken, sagt die Schweizer Psychologin Blume. Darauf habe die Online-Umfrage der Uni Basel Hinweise gegeben. Allerdings helfen Sport und frische Luft nicht allein, wenn sich Ein- und Durchschlafprobleme verfestigt haben.

Laut Robert-Koch-Institut klagt ein Viertel der Bevölkerung über Schlafstörungen, 11 Prozent erleben ihren Schlaf als häufig nicht erholsam. »Es ist eine Volkskrankheit, die sehr oft verharmlost und nicht angemessen behandelt wird«, sagt Weeß. Eigentlich sei eine kognitive Verhaltenstherapie in vielen Fällen das Mittel der Wahl, stattdessen würden Pillen geschluckt.

Weeß zufolge können zwischen 1,1 und 1,9 Millionen Menschen ohne Schlafmittel nicht mehr schlafen. »Das ist eine Abhängigkeit auf Rezept«, sagt der Leiter des Schafzentrums in Klingenmünster (Rheinland-Pfalz). Der Aktionstag Schlaf am 21. Juni soll auf die Bedeutung eines erholsamen Schlafes aufmerksam machen.

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