Schlafen in Corona-Zeiten |
Wer sich belastet fühlt, schläft schlecht. Da hilft meist auch kein Schäfchen zählen. / Foto: Getty Images/ridvan_celik
Erste Studienergebnisse sowie Daten von Energieversorgern zum Strom- und Wasserverbrauch weisen darauf hin, dass viele Menschen seit Mitte März morgens etwas länger im Bett bleiben. Der Schlaf-Wach-Rhythmus orientierte sich zwischen Ende März und Ende April eher an unserer inneren biologischen Uhr als an sozialen Erfordernissen wie Arbeitszeiten, fanden Forschende der Universität Basel heraus. 75 Prozent der überwiegend weiblichen Befragten berichteten, bis zu rund 50 Minuten länger zu schlafen als vor den Einschränkungen.
»Es gab aber auch negative Veränderungen«, sagt Studienleiterin Christine Blume. So hätten 58 Prozent eine schlechtere Schlafqualität angegeben. »Diejenigen, die sich stärker belastet fühlen, schlafen schlechter und kürzer.« Einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse zufolge schläft jeder Zehnte in der Corona-Pandemie schlechter, unter den coronabedingt Gestressten sogar jeder Vierte.
Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), befürchtet, dass die Corona-Krise die Anzahl der Patienten mit Schlafstörungen weiter ansteigen lässt. Ihre Zahl war in den vergangenen Jahren laut dem Gesundheitsreport 2019 der Barmer Krankenkasse ohnehin schon deutlich gestiegen.
Arbeitslosigkeit sowie ein geringes Einkommen seien Risikofaktoren, sagt der Psychotherapeut und Buchautor Weeß. »Wenn es nicht gelingt, die Grübeleien zu stoppen und sich von Alltagssorgen zu entlasten, dann ist die Schlafstörung vorprogrammiert.«
Fehlender Schlaf erhöht das Unfallrisiko, kann zu Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen sowie psychische Leiden führen. / Foto: Adobe Stock/gravity images
Bewegung unter freiem Himmel könne einer Verschlechterung der Schlafqualität entgegenwirken, sagt die Schweizer Psychologin Blume. Darauf habe die Online-Umfrage der Uni Basel Hinweise gegeben. Allerdings helfen Sport und frische Luft nicht allein, wenn sich Ein- und Durchschlafprobleme verfestigt haben.
Laut Robert-Koch-Institut klagt ein Viertel der Bevölkerung über Schlafstörungen, 11 Prozent erleben ihren Schlaf als häufig nicht erholsam. »Es ist eine Volkskrankheit, die sehr oft verharmlost und nicht angemessen behandelt wird«, sagt Weeß. Eigentlich sei eine kognitive Verhaltenstherapie in vielen Fällen das Mittel der Wahl, stattdessen würden Pillen geschluckt.
Weeß zufolge können zwischen 1,1 und 1,9 Millionen Menschen ohne Schlafmittel nicht mehr schlafen. »Das ist eine Abhängigkeit auf Rezept«, sagt der Leiter des Schafzentrums in Klingenmünster (Rheinland-Pfalz). Der Aktionstag Schlaf am 21. Juni soll auf die Bedeutung eines erholsamen Schlafes aufmerksam machen.