Schmerzen am besten wegschmieren |
Viele ältere Menschen leiden unter Arthrose und den damit verbundenen Schmerzen. Die Selbstmedikation bietet hier eine ganze Reihe an Therapieoptionen. / Foto: Adobe Stock/Prostock-studio
Bei Arthrose liegt eine Schädigung des Gelenkknorpels vor. Ärzte gehen von einer multifaktoriell bedingten, degenerativen Erkrankung aus. Da der Knorpel nicht wieder repariert werden kann, kommt es zu einem fortschreitenden Umbau der Gelenkstrukturen. Die Folge: Gelenke können teilweise nur noch schmerzhaft bewegt werden oder verlieren sogar weitestgehend ihre Funktion. Betroffen sind vor allem Kniegelenk oder Hüfte, aber auch beispielsweise das Daumensattelgelenk. Die Schäden treten meist nach dauerhaft starker Beanspruchung auf. Der Knorpel wird quasi mit den Jahren abgenutzt.
Ärzte können im Röntgenbild das genaue Ausmaß der Gelenkschäden einschätzen. Trotzdem stehen die genaue Anamnese und körperliche Untersuchung im Vordergrund. Denn zahlreiche Patienten zeigen radiologisch zwar Verschleißerscheinungen, haben glücklicherweise aber keine Symptome. Manchmal entsteht Arthrose auch als Folgeerkrankung viele Jahre nach einem Unfall. Handelte es sich dabei um einen gesetzlich versicherten Unfall, etwa auf dem Weg zur Arbeit, sollten sich Patienten zur Abklärung einem sogenannten Durchgangsarzt (D-Arzt) vorstellen.
Suchen Betroffene in der Apotheke nach Rat, steht fast immer der Schmerz im Vordergrund. Sie sollten zunächst topische nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen- oder Diclofenac-haltige Salben und -Gele probieren, ehe sie zu Tabletten greifen. Das empfiehlt die aktuelle Leitlinie zur Kniearthrose, die bis Ende des Jahres verlängert wurde. Nach dem Auftragen können zwar Rötung oder Juckreiz auftreten. Insgesamt ist die lokale Anwendung jedoch besser verträglich und verursacht weniger gastrointestinale Nebenwirkungen, zudem konnten mehrere Placebo-kontrollierte Studien ihre Wirksamkeit nachweisen.
Salben oder Gele mit Ibuprofen oder Diclofenac werden üblicherweise drei- bis viermal täglich aufgetragen, die Haut muss unversehrt sein. Nach der Applikation wird ein Teil des Wirkstoffs resorbiert. Ein Depot-Effekt in der Haut ermöglicht eine länger anhaltende Wirkung, da kontinuierlich Wirkstoff in das darunterliegende Gewebe und Plasma abgegeben wird. Voltaren® Schmerzgel forte enthält eine doppelt so hohe Wirkstoffkonzentration und wird daher nur zweimal täglich angewendet, bevorzugt morgens und abends.
Wünschen Patienten lieber eine pflanzliche Salbe, können PTA und Apotheker in der Selbstmedikation leitlinienkonform eine Salbe mit Beinwellwurzelextrakt (wie Kytta® Schmerzsalbe) anbieten. Andere Topika mit pflanzlichen Inhaltsstoffen kann die Leitlinie aufgrund mangelnder Daten zwar nicht beziehungsweise im Fall von Arnika allenfalls vorsichtig empfehlen. Haben Patienten jedoch in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit beispielsweise Retterspitz®-Umschlägen, Capsicum- oder Arnika-haltigen Präparaten gemacht, spricht natürlich nichts dagegen, diese weiterhin anzuwenden.
Genügen Schmerzsalben nicht, stellen orale NSAR eine Alternative dar. In der Selbstmedikation haben Patienten dabei die Wahl zwischen Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen. Welches Präparat das passende ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Naproxen (zum Beispiel Dolormin® Gelenkschmerz) sticht durch seine lange Wirkdauer von bis zu zwölf Stunden heraus. Als Initialdosis können Patienten die übliche Dosis verdoppeln und bis zu 500 mg Naproxen als Initialdosis, danach maximal 250 mg als Folgedosis einnehmen. Plagen den Patienten hauptsächlich nachts Schmerzen? Dann erfolgt die höhere Dosis am Abend und die niedrigere Dosis morgens.
Unter allen NSAR weist Naproxen das niedrigste kardiovaskuläre Risiko auf. Demgegenüber steht jedoch ein höheres Risiko für gastrointestinale Komplikationen, das wiederum bei Diclofenac etwas geringer und bei Ibuprofen wohl am niedrigsten ist. Grundsätzlich sollten orale NSAR immer nur kurzfristig und nicht als Dauertherapie angewendet werden. In der Beratung sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Patienten bei Oberbauchschmerzen oder gar einem Teerstuhl die Therapie mit NSAR sofort unterbrechen und ihren Arzt aufsuchen müssen.
Haben Patienten ein hohes Risiko für gastrointestinale Blutungen, weil sie beispielsweise Arzneistoffe einnehmen, die das Blutungsrisiko erhöhen (etwa SSRI, Antikoagulanzien, Glucocorticoide), muss der Arzt die Therapie festlegen. Denn oft benötigen sie zusätzlich einen Protonenpumpenhemmer als Magenschutz. Je nach individuellen Risikofaktoren und Alter können bei starken Schmerzen dann sogar schwach wirksame Opioide sinnvoll sein. Paracetamol konnte in Studien übrigens nicht überzeugen, sodass es keine echte Option bei Gelenkschmerzen darstellt.
Gesunder Gelenkknorpel misst nur wenige Millimeter und besitzt selbst keine Blut-, Lymphgefäße oder Nerven. Er besteht zum Großteil aus extrazellulärer Matrix aus einem Kollagennetz. Darin sind verschiedene Moleküle eingebettet, vor allem Proteoglykane. Sie machen den Knorpel nicht nur prallelastisch, sondern können auch Signalmoleküle binden und damit Signalkaskaden initiieren. Rund 5 Prozent des Knorpels sind Chondrozyten. Diese Zellen gewährleisten und steuern die Eigenschaften der extrazellulären Matrix durch anabole und katabole Stoffwechselvorgänge. Geraten sie unter »Stress«, verändert sich die Zusammensetzung der Knorpelmatrix im schlimmsten Fall so ungünstig, dass es zu einem kontinuierlich fortschreitenden Knorpelverlust kommt.
Durch die Ablösung von Knorpelbestandteilen kann dies bei Arthrose eine reaktive Entzündung der Gelenkinnenhaut auslösen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist die Entzündung jedoch die Folge der Gelenkzerstörung, nicht die Ursache.
Kommen NSAR nicht infrage oder sind sie nicht ausreichend wirksam, können Glucocorticoide direkt in das betroffene Gelenk gespritzt werden. Als kurzzeitige Therapie verschwinden Schmerzen dann für bis zu vier Wochen. Alternativ ist auch eine Injektion von Hyaluronsäure alleine oder in Kombination mit einem Steroid möglich. Die Datenlage zur Hyaluronsäure ist allerdings dürftig.
Ähnlich sieht es bei sogenannter »Gelenknahrung« aus, die meist als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden. Hyaluronsäure sowie weitere Bestandteile des Knorpels werden auch oral angewendet. Chondroitinsulfat ist einer der bekanntesten Inhaltsstoffe und soll chondroprotektiv wirken, also einen strukturmodifizierenden, schützenden Effekt auf den Knorpel haben. Allerdings sind die Studienergebnisse widersprüchlich, sodass ein sicherer Beleg fehlt.
Das gilt auch für Glucosamin, das normaler Bestandteil der Polysaccharidketten der Knorpelmatrix und Glucosaminglykane in der Gelenkflüssigkeit ist. Zwar wiesen einige Studien eine analgetische und funktionsverbessernde Wirkung nach. Diese stehen jedoch wegen der Methodik sowie der Finanzierung durch die Hersteller in der Kritik.
Fakt ist: Leiden Patienten immer wieder unter Schmerzen und brauchen wiederholt orale NSAR oder sind diese kontraindiziert, lohnt sich ein Versuch mit Glucosamin, Chondroitinsulfat et cetera. Dabei gilt die Devise »Viel hilft viel«, denn 1500 mg Glucosamin sollten es pro Tag sein. Die Kombination mit 1200 mg Chondroitinsulfat erwies sich in einer Studie zumindest bei moderaten bis schweren Knieschmerzen als analgetisch wirksam.
Während das Arzneimittel Dona® ausschließlich Glucosamin enthält, kombinieren Nahrungsergänzungsmittel oft eine Vielzahl von Inhaltsstoffen. Sie unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung und Darreichungsform enorm. Exemplarisch setzt Orthomol arthroplus® auf eine Kombination von Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Kollagenhydrolysat, Hyaluronsäure und Omega-3-Fettsäuren. Natürlich dürfen auch Vitamine und Mineralstoffe nicht fehlen. FlexiLoges® enthält statt Kollagenhydrolysat ein patentiertes UC-II®-Kollagen als natürliche Gerüstsubstanz im Gelenkknorpel, das einen besonders hohen Anteil an nicht denaturiertem Kollagen Typ II aufweist. Zusätzlich enthält es mit Methylsulfonylmethan eine natürliche Schwefelquelle, N-Acetyl-Glucosamin sowie Chondroitinsulfat und Silicium, Vitamin C, Mangan und Molybdän. Alle erhältlichen Präparate haben gemeinsam, dass Patienten Geduld brauchen, denn die Wirkung tritt erst langsam ein. Außerdem müssen sie es regelmäßig einnehmen und dafür tiefer ins Portemonnaie greifen als beispielsweise für NSAR.
Die Aussicht auf dauerhafte Beschwerden ohne Heilung kann Patienten sehr belasten. Da ist es nachvollziehbar, dass viele lieber etwas »Sanftes« oder »Natürliches« ausprobieren möchten, statt ständig zu Schmerzmitteln zu greifen. Der Markt bietet eine ganze Palette von homöopathischen Arzneimittel, diätetischen Mitteln und pflanzlichen Arzneimitteln, sodass es schwer ist, den Überblick zu behalten.
In der Phytotherapie kommt man bei Arthrose kaum an der Teufelskralle vorbei. Arzneimittel sind von zahlreichen Firmen erhältlich. Üblicherweise werden Tabletten mit beispielsweise 480 mg Trockenextrakt der Teufelskrallenwurzel zweimal täglich zu einer Mahlzeit eingenommen. Als Hauptinhaltsstoff wirkt Harpagosid analgetisch und entzündungshemmend. Das diätetische Mittel Rosaxan® kombiniert zusätzlich noch Hagebutte und Brennnessel sowie Vitamin D und wird einmal täglich getrunken. Phytodolor® setzt hingegen auf die schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung von Extrakten der Eschenrinde, Zitterpappelrinde und echtes Goldrutenkraut. Auch indischem Weihrauch, Kurkuma und Ingwer werden positive Effekte nachgesagt. Da indischer Weihrauch hierzulande aber nur als Nahrungsergänzungsmittel und nicht als Arzneimittel auf dem Markt ist, ist die Vergleichbarkeit verschiedener Präparate schwierig. Positive Studienergebnisse aus Indien können nicht ohne Weiteres übertragen werden.
Homöopathische Präparate wie Gelencium®, Rubaxx®, ArthroLoges comp® oder Arthriplex® runden das Repertoire ab. Meist können sie bei akuten wie auch - in reduzierter Dosis - bei chronischen Beschwerden eingesetzt werden. Einige Präparate werden stark beworben und erfreuen sich durch ihre Bekanntheit großer Beliebtheit. Patienten sind mit der Anwendung zufrieden? Prima, dann stellen sie eine gut verträgliche Option dar.
Bei starken Beschwerden können Orthopäden noch weitere Therapiemaßnahmen bis hin zu Operationen ausschöpfen. Geplagte sollten also bei unzureichender Symptomkontrolle rechtzeitig ihren Arzt zurate ziehen. Die passende Behandlung ist stets eine individuelle Entscheidung und hängt von zahlreichen Faktoren ab – und manchmal geht Probieren über Studieren. Wie bei jeder chronischen Erkrankung ist ein gutes Vertrauensverhältnis zum Arzt von großer Bedeutung. Je besser Betroffene über die Erkrankung informiert sind, desto eher übernehmen sie Eigenverantwortung und tragen positiv zu einem möglichst milden Krankheitsverlauf bei. Sind Patienten übergewichtig, ist die Gewichtsabnahme beispielsweise eine wichtige Stellschraube bei Kniearthrose. Auch unphysiologische Belastungen des Knies sollten sie meiden, und zwar im Alltag wie auch Beruf. Gelenkschonender Sport wie Radfahren oder Schwimmen ist dagegen nicht nur erlaubt, sondern sogar förderlich. Denn Kraft- und Ausdauertraining wirken schmerzlindernd. Auch im Hinblick auf die Sturzprophylaxe darf bei betagten Patienten ein Training der Balance und schlichtweg Bewegung nicht fehlen. Denn wer rastet, der rostet!