Schuppenflechte häufig nicht leitliniengerecht therapiert |
Bei chronischen Entzündungserkrankungen wie der Psoriasis mit oft jahrzehntelangem Verlauf ist der Einfluss auf das gesamte Leben der Betroffenen beträchtlich. / Foto: Adobe Stock/B. Boissonet
»Obwohl Psoriasis vulgaris zurzeit die am besten zu behandelnde Auto-Immunkrankheit ist, haben selbst Patienten mit schweren Erscheinungsformen hierzulande nur eine 50-Prozentige Chance leitliniengerecht behandelt zu werden.« Dabei gebe es weltweit kein anderes Land, in dem im letzten Jahrzehnt mit Hilfe moderner Medikamente ein solcher Rückgang des durchschnittlichen objektiven Schweregrades der Schuppenflechte wie in Deutschland zu verzeichnen sei, so Augustin.
Fatal sei auch, dass nur ein Teil der Hautärzte den Patienten im Falle mittelschwerer und schwerer Verlaufsformen Arzneimittelinnovationen wie Biologika verordne, die in vielen Fällen eine fast vollständige Erscheinungsfreiheit der Haut ermöglichen, so der Wissenschaftler. Er verweist insbesondere auf die große regionale Diskrepanz der adäquaten Versorgung, deren Anteil im Norden und Osten weitaus höher als im Südwesten liege.
Biologika greifen gezielt in das der Schuppenflechte zugrundeliegende Krankheitsgeschehen ein, indem sie spezifische Botenstoffe wie zum Beispiel Tumornekrosefaktoren (TNF), also Entzündungsmediatoren, oder Interleukine, also spezifische pathogenetische Botenstoffe des Immunsystems, hemmen.
Augustin bemängelt des Weiteren, dass im Rahmen der konventionellen Systemtherapie, bei der immunsuppressive und -modulierende Wirkstoffe wie Acitretin, Ciclosporin, Fumarate oder Methotrexat zum Einsatz kommen, zudem noch immer viel zu häufig Corticoide verwendet werden, die gemäß Leitlinie nicht empfohlen werden. Diese Fehlversorgung finde weit überwiegend bei Hausärzten und Internisten, jedoch auch bei Dermatologen statt.
Um der Unter- und Fehlversorgung entgegenzuwirken, haben sich zahlreiche Hautärzte mit Unterstützung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und dem Bundesverband Deutscher Dermatologen (BVDD) bundesweit unter dem Namen PsoNet in Psoriasis-Netzen zusammengeschlossen. Denn der Vielfalt an medikamentösen Therapiemöglichkeiten könnten oft nur Spezialisten gerecht werden. Auf der Internetseite von PsoNet ließen sich unter dem Stichwort »Arztsuche« ausgewählte Praxen und Kliniken finden, deren Kompetenz, eine leitliniengerechte Versorgung der Schuppenflechte garantieren.
Unter Psoriasis vulgaris leiden in Deutschland circa zwei Millionen Menschen. Schätzungsweise 400.000 sind von einer mittelschweren bis schweren Form betroffen. Eine leitliniengerechte Systemtherapie erhalten gemäß einer Analyse der GKV-Daten der Techniker-Krankenkasse 2021 circa 150.000 Psoriasis-Patienten, darunter 55.000 Patienten ein Biologikum.
Genetisch determiniert und chronisch rezidivierend ist die Psoriasis vulgaris nicht – wie vielfach angenommen – eine reine erythematosquamöse Plaque-Erkrankung der Haut, die oftmals noch immer mit Stigmatisierung und Ablehnung einhergeht. Die Schuppenflechte ist heute als klassische chronische Systemerkrankung bekannt und wird vielfach von zum Teil schweren Co-Morbiditäten wie Arthritis, Adipositas, Angststörungen und Depressionen sowie (Mikro)Inflammationen der Gefäße bis hin zu Atherosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall begleitet. Ein gezieltes und generalisiertes Krankheitsmanagement gemäß Vorgaben der Leitlinie gilt unter Experten heute als unumgänglich.