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Jugendliche mit chronischer Erkrankung

So gelingt der Wechsel vom Kinder- zum Facharzt

Spätestens mit 18 Jahren wechseln die meisten jungen Patienten mit einer chronischen Erkrankung oder einem Handicap in die Erwachsenenmedizin. Dieser Übergang gelingt nicht immer reibungslos. Eine Unterversorgung und gesundheitliche Risiken können die Folge sein.
Judith Schmitz
24.02.2023  09:00 Uhr
So gelingt der Wechsel vom Kinder- zum Facharzt

Der Fachausdruck für die Übergänge vom Kind zum Jugendlichen und zum Erwachsenen heißt Transition (lat. Transitus = Übergang, Durchgang). Schon ohne chronische Krankheit oder Behinderung sind diese Übergänge für den Heranwachsenden herausfordernd. Zu den Schwierigkeiten bei der psychosozialen und persönlichen Entwicklung kommt in Deutschland bei 14 bis 18 Prozent aller Jugendlichen das Leben mit einer Krankheit oder Behinderung als ständiger Begleiter obendrauf. Diese muss irgendwie gehandhabt werden – zunächst von den Eltern, aber dann zunehmend von dem Heranwachsenden selbst. Er muss schließlich auch als Erwachsener mit ihr leben und das am besten gut.

In der medizinischen Versorgung muss der Heranwachsende mit dem 18. Geburtstag den Arzt wechseln, also weg vom Kinder- und Jugendarzt hin zum Mediziner für Erwachsene. Das Problem: »Weder im Medizinstudium noch in der Praxis steht der jugendliche Patient mit seiner chronischen Erkrankung beziehungsweise Behinderung im Fokus, einfach weil die meisten Jugendlichen gesund sind«, sagt die Psychologin Dr. Gundula Ernst, Vorsitzende der Gesellschaft für Transitionsmedizin, gegenüber PTA-Forum. Die Kinder- und Jugendärzte betreuten vor allem Kleinkinder. Hausarztpraxen kümmerten sich verstärkt um Patienten mittleren und höheren Alters. »Junge Erwachsene sind dort eine kleine Zielgruppe und solche mit chronischer oder gar chronischer seltener Erkrankung eine nochmals kleinere.« Wenn diese Jugendlichen sich dann einen Erwachsenenarzt suchen müssten, der ihre Krankheit behandelt, dann fielen einige (je nach Krankheitsbild bis zu 40 Prozent) aus der medizinischen Versorgung oder gingen erst dann wieder zum Arzt, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert habe, so Ernst weiter.

Woran kann es scheitern?

Die Gründe für eine gescheiterte Transition in der medizinischen Versorgung können sehr unterschiedlich sein: Handelt es sich um eine seltene chronische Erkrankung, für die es nur wenige spezialisierte Zentren gibt? Fehlt die Eigenmotivation des Jugendlichen, dessen Gedanken sich gerade auf keinen Fall um die Krankheit drehen? Wie engagiert sind die Eltern hinsichtlich der weiteren medizinischen Versorgung ihres Kindes und unterstützen sie es in seiner zunehmenden Eigenverantwortung für das Krankheitsmanagement? Lebt der Jugendliche auf dem Land mit wenig Fachärzten? Auch eine mangelhafte Koordination und Kommunikation zwischen Kinder- und Jugendarzt beziehungsweise dem Facharzt des Kindes und dem jugendlichen Patienten oder zwischen Kinderarzt und dem Facharzt aus der Erwachsenenmedizin können Ursache für einen Ausstieg des Jugendlichen aus der medizinischen Versorgung während der Transition sein.

Ein weiteres Problem ist die Abrechnung. Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf Anfrage mitteilt, ist die Transition bislang nicht im einheitlichen Bewertungsmaßstab als eigenständige Leistung abgebildet. Eine Ausnahme gibt es beim Transitionsprozess vom Kinder-Rheumatologen zum Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie. Möglich ist auch, dass der Facharzt auf Technologien spezialisiert ist, die sein älteres Klientel benötigt und über wenig Kenntnis über neuartige Technologien verfügt, etwa der Umgang mit unter jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes verbreiteten automatisierten Insulin-Dosierungssystemen.

Was auch immer der Grund für den Abbruch der benötigten medizinischen Versorgung oder eine Unterversorgung ist: Der junge Erwachsene riskiert dadurch seine Gesundheit, etwa wenn sein angeborener Herzfehler in spezialisierten Zentren nicht überwacht wird oder sich seine Stoffwechseleinstellung bei Diabetes verschlechtert und Begleiterscheinungen auftreten. Auch der Allgemeinheit entstehen höhere Kosten.

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