»So löst man keine Lieferengpässe« |
Katja Egermeier |
19.12.2022 11:30 Uhr |
Die ABDA ist sich sicher: Nur durch das kreative und verantwortungsbewusste Management von Lieferengpässen durch Apotheken können die wirkungsvollen Arzneimitteltherapien von akut und chronisch erkrankten Menschen zurzeit noch sichergestellt werden. / Foto: Adobe Stock/Anke Thomass
Am vergangenen Wochenende hat Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen: »Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft«, sagte Reinhardt dem Tagesspiegel. Der Mediziner hält es auch für möglich, dass dabei Medikamente infrage kommen, deren Verfalldatum schon abgelaufen ist. Man könne solche Medikamente gefahrlos verwenden, so Reinhardt.
Diesen Aufruf hat die Apothekerschaft mit großer Bestürzung wahrgenommen. Er lasse das Verantwortungsbewusstsein, das die Apothekenteams unermüdlich zeigen, leider komplett vermissen und treibe Menschen in gefährliche Arzneimitteleinnahmen, löse aber keine Lieferengpässe, erklärt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in einer Pressemitteilung.
Zum Hintergrund: Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamenten gehören leider seit Jahren zu den größten Ärgernissen und aufwendigsten Herausforderungen im Apothekenalltag. Seit einigen Monaten sind Fiebersäfte und Fieberzäpfchen für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen nur schwer zu bekommen. Auch der Magensäureblocker Pantoprazol oder das Antibiotikum Amoxicillin sind schwer zu beschaffen.
Wie der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert auf den Vorstoß von Reinhardt reagiert hat, war gestern im »Tagesspiegel« nachzulesen: »Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel.« Es schockiere ihn, dass der Präsident der Bundesärztekammer Derartiges öffentlich vorschlage. Verfallene Arzneimittel könnten die Gesundheit der Patientinnen und Patienten massiv gefährden, ganz abgesehen von haftungsrechtlichen Fragen. »Zudem steht die Gesetzeslage dem klar entgegen und die aktuelle Situation eignet sich nicht für Populismus.«
Tatsächlich gebe es derzeit schlicht zu wenig Fiebersäfte. »Der Vorschlag von Herrn Reinhardt geht völlig an der Realität vorbei. Die Apotheken stehen aktuell unter enormem Druck, das Fehlen von lebenswichtigen Arzneimitteln zu managen. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch Repräsentanten der Ärzteschaft verantwortungsvoll an Lösungsansätzen beteiligen würden.«