So wirkt Quarantäne auf die Psyche |
Katja Egermeier |
10.03.2020 12:00 Uhr |
Isolation kann zu Wut, Frust und anderen Stresssymptomen führen. Es ist daher wichtig, sich sinnvoll zu beschäftigen. / Foto: Getty Images/fizkes
Für ihre Studie sichtete ein Forscherteam um Dr. Samantha Brooks vom Department of Psychological Medicine am britischen King‘s College in London 3166 Artikel, die sich mit den psychischen Aspekten der Quarantäne beschäftigt hatten. Ausgewertet wurden schließlich 24 Publikationen mit insgesamt 20.000 Probanden.
Das Ergebnis: Die psychischen Auswirkungen einer angeordneten Quarantäne sind erheblich und können lange andauern. Eine Isolation über mehrere Tage könne mit Frustration, Langeweile, einer unzureichenden Versorgung mit Lebensmitteln, Arzneimitteln und Informationen, einem möglichen finanziellen Verlust und der Angst der Stigmatisierung einhergehen. Die Auswirkungen könnten aber auch bis hin zu posttraumatischen Stresssymptomen, Verwirrung und Wut reichen.
Aus Sicht der Wissenschaftler sind die Effekte, die sich durch die ungehinderte Verbreitung einer Infektionskrankheit auf die Psyche ergeben würden, jedoch noch schlimmer – und kamen daher nicht zu der Schlussfolgerung, Quarantänemaßnahmen zu unterlassen. Doch sollten diese mit viel Bedacht angewendet werden.
Quarantäne bedeutet, dass die betroffenen Personen die Wohnung nicht verlassen dürfen und der Kontakt zu anderen Menschen – außer den Mitbewohnern – einzustellen ist. Doch auch dieser Kontakt muss möglichst eingeschränkt werden. Das RKI empfiehlt hier eine zeitliche und räumliche Trennung, beispielsweise, indem Mahlzeiten nicht mehr gemeinsam eingenommen werden und man sich nicht in denselben Räumen aufhält. Sofern möglich, sollte auch ein eigenes Badezimmer genutzt und Hygieneartikel nicht geteilt werden. Wäsche sollte regelmäßig und gründlich gewaschen werden. Bei Einkäufen können Angehörige, Freunde und Nachbarn die unter Quarantäne gestellten Personen unterstützen – jedoch ebenfalls ohne engen Körperkontakt. Das RKI rät dazu, die Lebensmittel einfach vor der Tür abzustellen.
Achten Sie auf Allergien, Diätvorschriften und die Haltbarkeit der Produkte.
Quelle: Ratgeber des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Wer unter häusliche Quarantäne gestellt ist, wird vom Gesundheitsamt betreut und unterstützt. Vertreter des zuständigen Amtes melden sich täglich bei den Betroffenen. Diese müssen zudem ihre Gesundheit selbst überwachen, zweimal täglich Fieber messen und Tagebuch hinsichtlich ihrer Symptome, Körpertemperatur, allgemeinen Aktivitäten und Kontakten zu weiteren Personen führen.
Um die psychischen Folgen einer Isolation so gering wie möglich zu halten, raten die Forscher zu folgenden Maßnahmen:
Laut RKI sind Maßnahmen und massive Anstrengungen auf allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitsdienstes zur Eindämmungsstrategie extrem wichtig. Selbst wenn nicht alle Erkrankungen und Kontakte rechtzeitig identifiziert werden können, würden die Maßnahmen zumindest zu einer verlangsamten Ausbreitung führen.
Das Hinauszögern der Erkrankungswelle und die Abschwächung der Dynamik hat den Vorteil, dass Zeit gewonnen wird. Das Gesundheitssystem kann sich währenddessen bestmöglich vorbereiten, da kontinuierlich neue Erkenntnisse zum Virus gewonnen werden. Das Virus und die Therapieoptionen können in der gewonnenen Zeit weiter erforscht, Risikogruppen identifiziert, Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen vorbereitet und Behandlungskapazitäten in Kliniken erhöht werden.
Es wird grundsätzlich zwischen begründeten und unbegründeten Verdachtsfällen unterschieden. Begründet ist ein Verdachtsfall laut Robert-Koch-Institut (RKI) nur dann, wenn eine Person Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall hatte oder sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat und zusätzlich dazu Symptome aufweist.
Zeigt ein Patient keine schweren Symptome und weist keine Risikofaktoren für Komplikationen auf, sollen sie bis zum Vorliegen der Testergebnisse unter häuslicher Quarantäne stehen. Fällt das Ergebnis negativ aus, wird die Quarantäne aufgehoben.
Bestätigt sich der Verdacht auf eine Infektion mit SARS-CoV-2, werden Betroffene nicht zwangsweise stationär aufgenommen. Wer nicht behandlungsbedürftig ist, kann nach kürzlich angepasstem Flussschema des RKI auch in die häusliche Quarantäne.
Zeigt ein Patient keine Symptome, werden keine Maßnahmen ergriffen, auch wenn bekannt ist, dass es Menschen gibt, die trotz einer Infektion keine Symptome entwickeln. Hier sei man sich bewusst, dass ein gewisses Restrisiko bleibe, allerdings könne der aktuell hohen Nachfrage für Testungen sonst nicht nachgekommen werden, erklärt Dr. Kaschlin Butt, Leiterin des Gesundheitsamtes in Wiesbaden, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.
Im vielen Gesundheitsämtern vertraut man darauf, dass eine angeordnete häusliche Quarantäne auch eingehalten werde. Das ist jedoch regional unterschiedlich. Manche Gesundheitsämter kontrollieren auch, ob die Quarantäne eingehalten wird, denn ein Verstoß ist strafbar: Nach § 75 des Infektionsschutzgesetzes drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.