Spirulina und Chlorella: Viel heiße Luft? |
Kerstin Pohl |
17.05.2022 16:00 Uhr |
Schon in den 1970er Jahren wurden Algen als das Superfood der nächsten Jahrzehnte angepriesen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete sie als »bestes Nahrungsmittel der Zukunft« und begründete diese Aussage mit dem hohen Eiweißgehalt, zahlreichen Mineralstoffen und Vitaminen sowie der einfachen Gewinnung. Verständlich, denn das Meeresgemüse ist anspruchslos in der Produktion in Aquakultur und der Ertrag ist mit 120 Tonnen je Hektar deutlich höher als beispielsweise bei Weizen mit 7 Tonnen je Hektar. Allerdings konnten sich die Algen nicht wie erhofft als Eiweißlieferant der Zukunft durchsetzen.
Man unterscheidet je nach Größe Mikroalgen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind, und Makroalgen, die im Gegensatz dazu mehrere Meter lang werden können. Spirulina und Chlorella zählen zu den Mikroalgen, die nicht als frische Ware, sondern als Nahrungsergänzungsmittel im Handel sind, zum Beispiel in Form von blaugrünen Pulvern, Flocken, Tabletten oder Kapseln. Beide Formen können weltweit wachsen, sowohl in Süß- als auch Salzwasser. Spirulina wurde früher auch als Blaualge bezeichnet, allerdings handelt es sich biologisch gesehen nicht um eine Alge, sondern um ein Cyanobakterium.
Sowohl Spirulina als auch Chlorella werden als gesunde Nährstoffbomben beworben, die reichlich Proteine, Vitamine (vor allem Vitamin B12 und Beta-Carotin) und Mineralstoffe (zum Beispiel Jod) enthalten. Darüber hinaus sollen sie mit hohen Gehalten an Omega-3-Fettsäuren und Chlorophyll punkten. Besonders chronisch erkrankte und geschwächte Menschen sollen den Werbeaussagen zufolge von den Mikroalgen profitieren. Außerdem wird eine Stärkung des Immunsystems, mehr Energie versprochen und sogar der Alterungsprozess soll verlangsamt werden. Das ist nicht alles: Die Nahrungsergänzungsmittel sollen freie Radikale abfangen, entgiften, Schwermetalle ausleiten und sogar die Cholesterin- und Blutzuckerwerte verbessern und den Blutdruck senken. Aber was ist von solchen Werbeaussagen zu halten?
Foto: Getty Images/marekuliasz
Spirulina-Trockenpräparat enthält circa 60 Prozent Protein, 20 Prozent Kohlenhydrate, 4 Prozent Fett und 6 Prozent Mineralstoffe. Der Vitamin-B12-Gehalt liegt zwischen 127 bis 244 µg je 100 g Trockengewicht.
Chlorella-Trockenpräparat enthält circa 50 bis 60 Prozent Protein und hat einen höheren Chlorophyllgehalt als Spirulina. Der Vitamin-B12-Gehalt liegt bei circa 100 µg je 100 g Trockengewicht.
Mit circa 60 Prozent enthalten Spirulina und Chlorella einen sehr hohen Proteinanteil, jedoch bezieht sich diese Mengenangabe auf 100 Gramm des Trockenproduktes. So enthält eine Tagesdosis Spirulina-Tabletten (je nach Hersteller 9 bis 12 am Tag) etwa 2,5 Gramm Protein. Zum Vergleich: Diese Menge ist auch in einem Esslöffel Magerquark oder 65 Milliliter Milch enthalten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, den Proteinbedarf mit weniger exotischen und geeigneteren Lebensmitteln zu decken, wie Hülsenfrüchten, Milchprodukten oder Eiern.
Tatsächlich enthalten Spirulina und Chlorella größere Vitamin-B12-Mengen. Die beiden Mikroalgen wären deshalb eigentlich eine gute Alternative für Veganer, bei denen dieses Vitamin einen kritischen Nährstoff darstellt. Leider ein Fehlschluss: Das in Spirulina und Chlorella enthaltene Vitamin B12 ist für den menschlichen Organismus nicht nutzbar, vielmehr handelt es sich um eine inaktive Form – ein Pseudo-Vitamin-B12 –, das der menschliche Organismus nicht verwerten kann.
Aus diesen Gründen sind Werbeaussagen mit Slogans wie »proteinreich« oder »reich an Vitamin B12« verboten, wenn die Tagesdosis nicht mindestens 30 Prozent der Referenzwerte erreicht. Erlaubt sind jedoch Hinweise auf einen hohen Chlorophyll-Gehalt, wenn dazu genaue Mengenangaben gemacht werden, da es sich hierbei nicht um einen Nährstoff handelt.