Spontangeburt oder Kaiserschnitt? |
Auf welchem Weg ein Baby das Licht der Welt erblickt, dürfen Frauen selbst entscheiden. / Foto: Adobe Stock/Kati Finell
In Deutschland werden die meisten Babys spontan in einem Krankenhaus geboren. Rund 529.000 dieser Geburten hat das Statistische Bundesamt für das Jahr 2021 erfasst. Wie viele Frauen eine Hausgeburt oder ein Geburtshaus dem Krankenhaus vorziehen, geht aus der Statistik nicht hervor. Der Verein »Gesellschaft zur Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe« schätzt sie auf etwa 15.000 für das vergangene Jahr. Die Zahl der Kaiserschnitte beziffert das Statistische Bundesamt mit rund 237.000.
Im Vergleich zur Zahl der Spontangeburten ist der Kaiserschnitt nach wie vor der seltenere Geburtsmodus. Allerdings zeigen die Zahlen auch, dass aktuell jedes dritte Kind in Deutschland auf diesem Weg das Licht der Welt erblickt. Ein Anstieg, der sich vor allem in den letzten 30 Jahren vollzogen hat. So lag die Kaiserschnittrate im Jahr 1991 bei 15 Prozent, im Jahr 2021 bei knapp 31 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der absoluten Indikationen für einen Kaiserschnitt, die eine Spontangeburt unmöglich machen, konstant geblieben. Sie liegen nach Angaben der S3-Leitlinie »Sectio caesarea« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bei etwa zehn von 100 Kaiserschnitten vor und umfassen die Querlage des Kindes, eine drohende oder erfolgte Uterusruptur, eine Placenta praevia sowie eine vorzeitige Plazentaablösung.
Gestiegen ist die Zahl der Kaiserschnitte aufgrund von relativen Indikationen. Hierzu gehören zum Beispiel die Beckenendlage oder ein hohes geschätztes Geburtsgewicht des Kindes (über 4500 Gramm), ein vorausgegangener Kaiserschnitt oder die Entbindung von Zwillingen. Grundsätzlich können alle diese Fälle spontan entbunden werden, gehen aber mit einem höheren Risiko für Mutter und Kind einher und erfordern viel Erfahrung auf Seiten der Geburtshelfer. Nicht jede Frau ist gewillt, dieses Risiko einzugehen, andere wissen gar nicht, dass sie theoretisch die Möglichkeit einer Spontangeburt hätten.
Diesen Zustand kritisiert auch die S3-Leitlinie »Sectio caesarea«. Sie empfiehlt, betroffene Frauen, die trotz Risikokonstellation den Wunsch nach einer Spontangeburt haben, rechtzeitig an eine erfahrene Klinik zu überweisen. Häufig handelt es sich dabei um Krankenhäuser, die als Perinatalzentrum Level 1 geführt werden. Die Hebammen und Gynäkologen vor Ort sind auf schwierige Geburtssituationen geschult, trainieren sie regelmäßig und können gut einschätzen, welcher Geburtsmodus im individuellen Fall umsetzbar ist.
Dass Frauen die Wahl haben sollten, welcher Geburtsmodus für sie passt und Schwangere zunehmend von diesem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen, ist eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren auch beim Wunsch nach einem Kaiserschnitt immer deutlicher abzeichnet. Galt eine erfolgreiche Spontangeburt in früheren Generationen durchweg als Erfolgserlebnis, das für die Selbstbestätigung und das Selbstbewusstsein der Frauen von Bedeutung war, hat sie bei jungen Frauen einen zunehmend geringeren Stellenwert.
Zudem wird der Wunsch nach einem Kaiserschnitt aufgrund ausgeprägter Ängste vor dem Geburtsschmerz, möglichen Geburtsschäden, dem Kontrollverlust während der Geburt oder einer traumatischen vorherigen Geburt, immer besser akzeptiert. Mediziner sprechen nicht mehr von einem »Wunschkaiserschnitt«, sondern vielmehr von einem Kaiserschnitt aufgrund psychologischer Indikation, der seine Berechtigung hat und in der Regel gewährt wird. Sie entsprechen damit dem Ansatz, dass Frauen selbst entscheiden sollten, ob sie das abdominale Trauma des Kaiserschnittes dem Risiko eines Beckenbodenschadens oder einer höhergradigen Geburtsverletzung vorziehen oder nicht.
Mitunter wird deshalb auch gefordert, Schwangere nicht nur über die Nachteile und Risiken eines Kaiserschnittes, sondern auch über die einer vaginalen Geburt aufzuklären. So weit geht die S3-Leitlinie dann zwar nicht, aber auch hier lautet die Empfehlung, Frauen den Wunsch nach einem Kaiserschnitt zu gewähren, wenn dieser nach einer umfassenden Aufklärung weiterhin besteht. Die Leitlinie verweist zudem darauf, dass in einigen Fällen eine ergänzende psychologische Beratung sinnvoll sein könnte.