Sport im Freien bringt mehr |
Bewegung an der frischen Luft stärkt unter anderem die Knochen und das Immunsystem. / Foto: Fotolia/Martinan
Britische Forscher der University of Exeter haben anhand von Langzeitdaten von mehr als 10.000 Erwachsenen ermittelt: Je mehr Parks und Grünanlagen in einer Stadt existieren, desto glücklicher sind die Bürger. Vorausgesetzt, sie gehen auch raus. Rund 75 Prozent der europäischen Bevölkerung lebt in Städten. Um ihnen einen Zugang zur Natur zu vermitteln, befürworten Sportmediziner das Training unter freiem Himmel. Dafür sprechen einige Gründe.
Freiluft-Sport tut auch der Seele gut: Er senkt das Stresslevel und hebt die Stimmung. / Foto: Your Photo Today
Ein Training im Wald oder Park ist abwechslungsreicher als stundenlang auf Lauf-Bänder, Geräte oder das eigene Spiegelbild im Fitness-Studio zu starren. Forscher um Dr. Jo Thompson-Coon werteten elf Studien aus und stellten fest, dass Bewegung in der Natur die Psyche stärkt, indem sie Stress, Zorn, Verwirrung und Depressionen verringert. Outdoor-Sportler gehen demnach positiver gestimmt aus einem Training heraus als diejenigen die drinnen sporteln. Ein Grund: Bei Freiluft-Sport wird vermehrt Noradrenalin ausgeschüttet, ein Neurotransmitter, der den Stresslevel positiv reguliert.
Wer sich draußen bewegt, atmet tiefer und versorgt dadurch seinen Körper optimal mit Sauerstoff. Dadurch verwertet er Nährstoffe besser und stärkt damit auch Herz und Kreislauf. Das vermehrt ausgeschüttet Noradrenalin steuert zudem im Gehirn den Wachheitsgrad und die Aufmerksamkeit. Der ganze Organismus kommt in Fahrt.
Studien zeigen, dass man bei einem Workout im Freien 10 Prozent mehr Kalorien verbrennt als bei vergleichbaren Übungen in geschlossenen Räumen. Wer draußen rennt und springt, strengt sich mehr an: Der Luftwiderstand allein macht das Laufen um bis zu 10 Prozent anstrengender. Hinzu kommen die Herausforderungen durch unterschiedliche Untergründe sowie Steigungen und Gefälle.
UV-Strahlen kurbeln die Bildung von Vitamin D an. / Foto: iStock/mihtiander
Ein besonderer Effekt bei Sport im Freien ist, dass die UV-Strahlen auf der Haut die Bildung von Vitamin D bewirken. Dieses reguliert den Calciumhaushalt im Blut und ist wichtig für die Knochenbildung. Das Sonnenlicht fördert auch die Bildung von Serotonin. Das Hormon macht uns wach, aktiviert den Körper und hebt die Stimmung.
Sport hilft auch dem Stoffwechsel auf die Sprünge und steigert die Abwehrkräfte. Denn wer sich bei Wind und Wetter sportlich betätigt, setzt den Körper immer wieder neuen Reizen aus. Die körperliche Anstrengung führt dazu, dass wir tiefer einatmen und mehr Sauerstoff ins Blut befördern. Je sauberer dann die Luft, desto besser. Der Sauerstoff kurbelt zudem die Hirnleistung an und hilft dem Körper bei vielfältigen Reparaturaufgaben auf der Zellebene.
Ständig müssen wir im Alltag Energie aufbringen, um Wichtiges aufmerksam zu verfolgen und Störendes auszublenden. Je länger dieser kraftraubende Zustand anhält, desto reizbarer werden wir. Die Natur sorgt dafür, dass sich die Augen von Tablet, Smartphone oder Fernseher lösen und man den Blick ziellos schweifen lässt. Das klappt bei einem Spaziergang genau so gut wie bei Sport im Freien.
Bewegung im Freien hilft auch dabei, zur Ruhe zu kommen und den Blick auf das Wesentliche zu richten. / Foto: Fotolia/Alena Ozerova
Last but not least: Die Haut zieht sich an der frischen Luft zusammen und durch die Bewegung kommt auch die Lymphe in den Fluss. Dadurch werden die Gefäßwände elastischer und der Teint sieht strahlender aus.
Überzeugt? Dann kann es ja losgehen. Wer nicht joggen oder radeln möchte, kann sich auch mal auf ungewöhnlichere Sport-Variante einlassen. Hier erzählen vier Frauen, was den Reiz an ihrer Sportart ausmacht.
Steigen die Temperaturen im Sommer über 30 °C, sollten Hobbysportler vorsichtig sein und besser nicht tagsüber draußen trainieren, sondern in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden. Während des Sports sollte man auf die Signale des eigenen Körpers hören. Wenn plötzlich Schmerzen auftreten oder man sehr durstig wird, sollte man besser abbrechen. Vor, während und nach dem Training sollte man ausreichend trinken, bevorzugt Wasser oder isotonische Getränke wie Apfelschorle.
Wenn Diplom-Pädagogin Annette König (55) sich etwas Gutes tun will, dann spannt sie ein elastisches Band zwischen zwei Bäume und balanciert darauf.
Die Slackline wird zwischen zwei Bäumen gespannt, um darauf zu balancieren. / Foto: Getty Images/Derek Henthorn Photography
»Nichts Sinnvolles zu tun oder zu erledigen, das hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Heute kann ich meine Freizeit genießen – ohne Gewissensbisse. Ich gehe einfach in den Park und balanciere auf der Slackline. Das ist eine Art Gurtband, welches zwischen zwei Bäume gespannt wird. Ich habe es bei Bekannten ausprobiert und Gefallen daran gefunden. Vor allem habe ich die Freude an der Langsamkeit dabei entdeckt. Denn um auf dem 30 mm breiten Band balancieren zu können, muss ich achtsam und geduldig sein. Durch diese völlige Aufmerksamkeit wird mein Kopf frei und ich denke an nichts.«
Die Slackline kommt aus dem Klettersport, seit den 1980er Jahren benutzen sie Freikletterer zum Spaß. Das elastische Band wird zwischen zwei Bäume gespannt, um darauf zu balancieren. Die Schlackline eignet sich ideal, um Gleichgewichtssinn und Körperhaltung zu trainieren. Außerdem stärkt das Balancieren Konzentration, Koordination und das eigene Durchhaltevermögen. Es ist ein gutes Zusatztraining für viele Sportarten, darunter Klettern oder Skifahren, und eignet sich darüber hinaus für alle, die gern spielerisch trainieren. Annette König hat das Slacklinen bei Jan Kirchner in Bonn gelernt (www.slackline-bonn.de). Kurse bieten auch Volkshochschulen an.
Unternehmerin Selina Freier (29) aus Würzburg: »Ich habe das Bogenschießen vor vielen Jahren im Urlaub ausprobieren dürfen und bin seither fasziniert davon. Damals war ich noch Arzthelferin. Vor zwei Jahren fing ich an regelmäßig unter Anleitung im Verein etwa drei bis vier Mal die Woche traditionell intuitiv zu trainieren. Das hat mir so gut gefallen, dass ich seit einigen Monaten meinen Job aufgeben und mein Hobby zum Beruf gemacht haben. Heute gebe ich zusammen mit meinem Mann selbst Kurse (www.bogensport-freier.de).
In ihrem Element: Selina Freier vergisst beim Bogenschießen alles um sich herum. / Foto: Narimaan Nikhbakht
Beim Bogenschießen bin ich nur im Hier und Jetzt. Ich lasse die Natur auf mich wirken, spüre den Wind und liebe den Duft der freien Natur. Während des Bogenschießens sind mein Körper und Geist im Einklang. Ich vergesse alles um mich herum und konzentriere mich voll und ganz auf mich. Ich fokussiere das Ziel, spanne den Bogen und lasse los. Ich wiederhole und wiederhole, beobachte und verinnerliche den Schussablauf. Bogenschießen ist für mich eine Mischung aus Meditation und sportlichem Ausgleich zu jeglichem Stress.«
Beim intuitiven Bogenschießen wird der Bogen intuitiv in die richtige Position ausgerichtet, um ins Schwarze zu treffen. Es wird keine Zielvorrichtung benutzt, der Schütze verlässt sich nur auf sein Gefühl. Bogenschießen trainiert Ausdauer, Konzentration und Koordination und stärkt Arm- Schulter und die Rückenmuskulatur. Das Anspannen und Lockern stärkt den Rücken und entlastet die Wirbelsäule. Zudem fördert es die innere Ruhe und Entspannung, verringert Stress und wirkt sich positiv auf Psyche, Blutdruck und das Herz-Kreislauf-System aus.
Die Sportart eignet sich für alle, die einen Hauch Abenteuer in der Natur erleben und den Kopf frei bekommen möchten. Achtung: Bogenschießen ist nicht geeignet bei Problemen im Halswirbel- oder Schulterbereich oder Sehnenerkrankungen. Bundesweite Kurse bieten Volkshochschulen, Vereine und Bogensportschulen an.
Assistentin Bianca Brandes (46) suchte einen Sport zum Auspowern: »Statt im Fitnessstudio trainiere ich seit knapp fünf Jahren lieber unter freiem Himmel. Früher habe ich mich am Samstagmorgen noch mal gemütlich im Bett umgedreht. Jetzt stehe ich tatsächlich um 10 Uhr in Sportklamotten auf der Wiese und klatsche mich bei den Sit-ups mit den anderen aus meinem Bootcamp-Kurs ab. Unsere Trainerin gibt den Ton an und wir trainieren nach ihren Anweisungen.
Fitness-Bootcamps vermitteln Spaß an der Bewegung in der Gruppe. / Foto: Getty Images/Jacob Ammentorp Lund
Meine Bootcamp-Gruppe ›Pure Energy‹ ist geeignet für Frauen und Männer, die Lust haben, nach einer kurzen Laufeinheit beim Zirkeltraining an ihre Grenzen zu gehen. Ich finde das super, denn so brauche ich mir während der Übungen keine Gedanken darüber zu machen, dass ich die eher verbrauchte Luft im Studio einatme. Hier gibt es frischen Sauerstoff, Sonne und Vogelgezwitscher gratis. Das Training in der Gruppe mit den anderen motiviert und spornt an. Beim High Intensity Intervalltraining (HIIT) nutzen wir verschiedene Utensilien: TRX-Bänder, klassische Hanteln, Kettlebells oder was auch immer die Trainerin mitbringt. Das eigene Körpergewicht dient auch gern als Trainingsgewicht, etwa beim Planken, bei Burpees oder beim klassischen Liegestütz. Der Puls arbeitet auf Hochtouren. Nach 60 Minuten Training an der frischen Luft brennen die Muskeln und die Wasserflasche ist geleert. Dennoch ist diese Art Sport für mich der perfekte Start in den Tag. Danach fühle ich mich einfach gut!«
Beim Wort »Bootcamp« denken die meisten wohl an einen brüllenden Drill-Instructor, Trillerpfeifen und Menschen, die durch Schlamm robben. Tatsächlich geht es bei den Fitness-Bootcampern mehr um Sport an der frischen Luft, Spaß an der Bewegung in der Gruppe und die intensive Betreuung durch einen professionellen Trainer. Eine Session besteht aus einem funktionellen Ganzkörper-Training. Die komplexen Übungen sprechen dabei mehrere Muskelgruppen gleichzeitig an.
Das Bootcamp-Training bringt einen hohen Kalorienverbrauch (bis zu 600 Kalorien pro Stunde), Kraft und Kondition. Es ist ideal für alle, die ihr Gewicht reduzieren oder den Körper formen möchten und die es mögen, in der Gruppe zu trainieren. Bianca Brandes trainiert in Hamburg bei »Pure Energy by Chris Alt«, und bei »Calm Bootcamp«. Bundesweite Anbieter finden Interessierte unter anderem hier: www.original-bootcamp.com/.
Für Eugenie Horsch, 54, ist der asiatische Gesundheitssport Entspannung und Kraftquelle zugleich: »Als ich vor mehr als 20 Jahren mit Tai-Chi anfing, merkte ich bald, dass diese Bewegungsmeditation mich erdet und einen positiven Einfluss auf mein Leben hat. Seitdem habe ich mich intensiv auf diese fernöstliche Lehre eingelassen und mich darin auch ausbilden lassen. Regelmäßig unterrichte ich kleine Gruppen von fünf bis acht Teilnehmern im Park und gemeinsam führen wir synchron die langsamen, fließenden Bewegungen aus. Während der Übungen spüre ich wie meine Lebenskraft, das Chi, ins Fließen kommt. Ich höre das Rauschen der Blätter im Wind, Spaziergänger, die sich leise unterhalten. Sonst herrscht Stille im Park. Mein Atem wird ruhiger, ich fühle mich entspannt und von Energie durchströmt – besonders intensiv ist es, wenn ich die Übungen gleich früh morgens mache.«
Eugenie Horsch gibt Tai-Chi-Stunden im Park. / Foto: Narimaan Nikhbakht
Tai-Chi ist eine 800 Jahre alte Bewegungsmeditation aus China und bedeutet so viel wie »Arbeit mit der Energie«. Die Übungen werden in Zeitlupe ausgeführt. In China ist es Volkssport, und auch hierzulande finden sich immer mehr Menschen, die Tai-Chi ausüben.
Aus Sicht der chinesischen Medizin harmonisiert Tai-Chi die Lebensenergie, die durch den Körper fließt und bei Stress ins Stocken gerät. Moderne wissenschaftliche Studien belegen inzwischen, dass die Übungen das vegetative Nervensystem regulieren, den Blutdruck senken und Stresshormone abbauen. Die Übungen in Zeitlupe sorgen zudem für eine aufrechte Haltung, trainieren und dehnen sanft die Muskeln und lindern Rückenschmerzen.
Tai-Chi erfordert keine besonderen Fertigkeiten oder Vorkenntnisse. Es eignet sich für alle, die gelassen und energievoll durch den Tag kommen möchten. Eugenie Horsch vom TIAO Zentrum Hamburg bietet regelmäßig Tai-Chi Kurse im Fischers Park an. Kurse bieten etwa Tai-Chi-Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Fitnessstudios und Reha-Zentren an.