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Geprellt, gestaucht, umgeknickt

Sportverletzungen richtig behandeln

Jetzt im Sommer mit neuer alter Freiheit wollen viele Menschen wieder sportlich Vollgas geben. Die Gefahr, sich zu überlasten oder durch falsche Bewegungen zu verletzen, ist groß. Auch eine ungeeignete Ausrüstung oder unzureichendes Aufwärmen können die sportlichen Ambitionen schnell stoppen.
Nicole Schuster
06.07.2021  08:30 Uhr

»Bei allen akuten schmerzhaften Verletzungen wie Prellung, Stauchung oder dem ›Umknicken‹ gilt die PECH-Regel«, sagt Professor Dr. Herbert Löllgen, Sportmediziner und Kardiologe sowie Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, im Gespräch mit PTA-Forum. Bei der PECH-Regel stehen die Anfangsbuchstaben für die einzelnen Maßnahmen: Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Bei Schmerzen weiterzutrainieren, verschlimmert das Problem meist. Daher lautet die erste Maßnahme immer: die Aktivität abbrechen und das verletzte Körperteil ruhigstellen.

Kühlen: Evidenz unklar

Die PECH-Regel leitet weiterhin dazu an, Eis auf die verletzte Stelle aufzulegen. Kälte verengt die Blutgefäße, Blutergüsse breiten sich dadurch weniger weit aus, das Gewebe schwillt nicht so stark an. Allerdings mangelt es an einer eindeutigen Evidenz, dass dadurch tatsächlich die Heilung beschleunigt wird. »Zum Thema ›Kühlen‹ gibt es sehr unterschiedliche Meinungen«, sagt Carl Christopher Büttner, M.Sc. Manuelle Therapie und wissenschaftlicher Mitarbeiter Referat Bildung und Wissenschaft des Deutschen Verbands für Physiotherapie in Köln, gegenüber PTA-Forum. »Einige Studien heben den dadurch erzielten antiinflammatorischen Effekt hervor, andere sehen genau darin einen Nachteil für den späteren Heilungsverlauf.« So sorgt die verstärkte Durchblutung bei einer Verletzung auch dafür, dass vermehrt wichtige Nährstoffe und Sauerstoff ins Wundgebiet gelangen. Wer zu lange kühlt, kann zudem Nervenreizungen auslösen oder Lymphgefäße schädigen.

Die Kompresse – im Notfall tut es auch ein Beutel mit Eiswürfeln – darf nur auf geschlossene Verletzungen und nicht direkt auf die Haut aufgelegt werden. Es drohen sonst Erfrierungen. Für unterwegs sind ein Kühlgel (wie Dolobene® Cool, WEPA® Kühlgel) oder ein Kältespray (wie EisSpray ratiopharm®, Allgäuer Latschenkiefer® Mobil Eisspray akut oder Chloraethyl Dr. Henning®) geeignet, im Notfall kann ein nasses Tuch als Ersatz dienen. Ein guter Tipp für jede Sporttasche sind auch Sofort-Kältepads (wie WEPA® Einmal-Kälte-Sofort-Kompresse). Wenn man auf die Kompresse drückt, zerplatzt ein mit Wasser gefüllter Innenbeutel. Das Wasser vermischt sich mit einem Kühlgranulat, worauf sich dieses auflöst. Durch die endotherme Reaktion kühlt sich das Pad ab.

Bei Sportverletzungen ist es zudem sinnvoll, einen festen Verband anzulegen. Er verhindert, dass sich Schwellung und Blutung ausbreiten. Gut eignet sich ein Salbenverband (nicht bei offenen Wunden!) Dazu bringt man zunächst dünn ein Schmerzgel auf und legt dann den Verband an.

Lagert man das betroffene Körperteil hoch, verbessert sich der Rückfluss des Blutes. Die Flüssigkeit, die ins Gewebe ausgetreten ist, wird schneller abtransportiert, das Gewebe schwillt nicht so stark an. »Die PECH-Regel ist ein Verfahren für den Akutfall, sie sollte also unmittelbar nach dem Verletzungseintritt angewendet werden. Die Intensität und Dauer der Kühlung und Kompression richten sich nach der Schwere der Verletzung«, erklärt Büttner.

Gut verträglich

Nach der Sofortbehandlung sollten sich Patienten weiter schonen. Um bei Hämatomen die Abheilung zu beschleunigen, eignet sich eine hochdosierte Heparinsalbe (wie Heparin-ratiopharm® Sport-Gel). Gegen die Schmerzen helfen Salben und Gele mit nicht-steroidalen Antirheumatika wie Diclofenac und Ibuprofen. Auch ein wirkstoffhaltiges Pflaster mit Ibuprofen oder Diclofenac verschafft Erleichterung. Topische NSAR sind allgemein gut verträglich. Bei Salben und Gelen empfinden viele Patienten schon das Einmassieren als wohltuend und entspannend. Das Apothekenteam sollte jedoch auf mögliche lokale Nebenwirkungen wie Hautirritationen hinweisen.

Auch oral applizierte NSAR lindern zuverlässig Schmerzen von Muskeln und Gelenken. Die systemische Aufnahme der Wirkstoffe bringt jedoch mehr Nebenwirkungen, etwa gastrointestinale und kardiovaskuläre Risiken, mit sich. Keinesfalls sollten Sportler diese einnehmen, um trotz Verletzung weitertrainieren zu können. »Ein Schmerz ist ein Warnsignal des Körpers und muss abgeklärt werden«, sagt Löllgen. »Wer in den Schmerz hineintrainiert, verschlimmert unter Umständen die Verletzung. Zudem sind systemische Nebenwirkungen zum Beispiel auf die Niere und den Magen-Darm-Trakt bei häufigem Gebrauch von oralen NSAR zu bedenken.«

Sicherheitshalber sollten Betroffene bei starken Schmerzen oder erheblichen Bewegungseinschränkungen einen Arzt aufsuchen, um Folgeschäden zu verhindern und ernste Verletzungen wie einen Knochenbruch oder Bänderriss schnell adäquat behandeln zu lassen. Auch wenn die gleichen Probleme immer wieder auftreten, ist ein Besuch in der Praxis empfehlenswert.

Alternative Lösungen

Einige Patienten wünschen pflanzliche Hilfe. Hier empfehlen sich Salben mit Beinwell, Arnika-Creme oder -Tinktur. Die Präparate wirken abschwellend und entzündungshemmend. Beispiele sind Traumaplant® Schmerzsalbe, Kytta® Schmerzsalbe oder doc® Arnika Creme. Rein physikalisch wirkt das Medizinprodukt Retterspitz® Muskelsalbe. Gründliches Einmassieren unterstützt den Heilungsprozess. Eine weitere bewährte Möglichkeit sind Wickel. Sie können mit einer kühlenden Substanz wie Quark oder der bewährten Wickellösung Retterspitz® äußerlich angelegt werden. Nach der Wickelanwendung kann eine Schmerzsalbe aufgetragen werden.

Auch eine systemische Enzymkur kann möglicherweise den Genesungsprozess fördern. »Tabletten mit Bromelain oder Trypsin sind bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt«, sagt Löllgen. »Sie sollen bei Schwellungen nach einer Verletzung den Ödemen entgegenwirken und die Abheilung beschleunigen.« Bekannte Präparate sind Wobenzym® und Phlogenzym®.

Erste Hilfe bei kleinen Wunden

Beim Sport bleibt es nicht nur bei Hämatomen, Prellungen und Verstauchungen. Wer auf dem Schotterplatz oder beim Sporteln auf der Straße hinfällt, zieht sich schnell eine blutende (Schürf-)Wunde zu. Bei stärker blutenden Wunden stillt man die Blutung am besten mit einer sterilen Kompresse und bringt anschließend einen geeigneten Wundschnellverband auf. Ist die Wunde verschmutzt, wäscht man sie mit Trinkwasser oder physiologischer Kochsalzlösung (wie B. Braun Kochsalzlösung 0,9% Miniplasco® connect) aus und desinfiziert sie anschließend. Für unterwegs eignen sich desinfizierende Wundsprays mit Octenidin (wie Octenisept® Wund-Desinfektion) oder antiseptische Cremes (wie Bepanthen® Antiseptische Wundcreme mit Chlorhexidin).

Platzwunden müssen meist genäht oder geklammert werden. Auf dem Weg zum Arzt lässt sich die Blutung falls nötig mit einem Druckverband eindämmen. Ein Arztbesuch steht auch dann an, wenn die Wunde sehr groß und/oder verunreinigt ist. Wenn möglich den Impfpass nicht vergessen, da der Arzt möglicherweise überprüfen möchte, ob eine Tetanusimpfung vorliegt. Auch wenn nach einigen Tagen keine Besserung oder gar eine Verschlimmerung auffällt, sich beispielsweise der betroffene Bereich nicht mehr wie gewohnt bewegen lässt oder unempfindlich geworden ist, sollte sich ein Arzt die Verletzung anschauen. Es könnte ein Nerv durchtrennt worden sein.

Am besten vorbeugen

Eine Qual können auch Blasen sein, die sich vor allem beim Tragen neuer Schuhe innerhalb weniger Stunden bilden. Schon sobald die Haut mit Rötungen reagiert, bringt man am besten ein Blasenpflaster auf (etwa von Compeed®, Hansaplast®). Die Pflaster erzeugen durch enthaltene Hydrokolloide ein feuchtes Milieu, das die Wundheilung günstig beeinflusst.

PTA können Sportler auch Tipps für die Erste-Hilfe-Ausrüstung in der Sporttasche geben: »Materialien zur Versorgung von oberflächlichen Wunden, zum Beispiel Pflaster, Hautdesinfektionsmittel, Materialien zur Stabilisierung wie Tapes und Bandagen und thermische Therapiemittel wie Eisspray oder Wärmesalbe gehören zur Grundausstattung«, sagt Büttner und weist zudem darauf hin, dass auch die Sportart und die Krankheits- / Verletzungsvorgeschichte des Patienten zu bedenken seien.

Ausgleich schaffen

Was viele leidenschaftliche Sportler interessiert: Wie lange muss ich nach einer Verletzung warten, bis ich wieder loslegen kann? Hier kommt es auf die Art der Verletzung an. »Bei leichten Schmerzen einen Tag pausieren und die Stelle beobachten. Bei Schmerzfreiheit in Ruhe ein moderates Training beginnen und bei Problemen wieder abbrechen«, erklärt der Sportmediziner. In der Zwischenzeit braucht der Athlet nicht gänzlich auf Bewegung zu verzichten. »Oft ist ein vorübergehender Wechsel der Sportart hilfreich: Radfahren statt Laufen oder Schwimmen anstelle von Walking«, weiß Löllgen. Ein Ausgleichtraining beugt auch Verletzungen vor, da sind sich beide Experten einig. Büttner dazu: »Ein Läufer sollte nicht nur laufen und ein Kraftsportler nicht nur an Kraftgeräten trainieren. Beide sollten sowohl Kraft als auch Ausdauer trainieren und immer mal wieder koordinative Elemente ins Training einbauen. Dann ist der Sportler auch in der Lage, unvorhersehbare Bewegungen abzufangen und Stürze zu verhindern.« Löllgen ergänzt: »Beim Joggen sind wechselnde Böden, also etwa Asphalt und Waldwege, gut. Bei Ausdauersport gilt: Umfang allmählich steigern, auf Regeneration nach stärkeren Belastungen achten.« 

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