Stabilität abschätzen |
Wie lange haltbar? Eine Einschätzung gelingt mit Hilfe von Standardrezepturen und Tabellenwerken. / Foto: Adobe Stock/cineberg
Als die PTA Gabi Galenik ein Rezept mit der abgebildeten Rezepturformel von einer Kundin erhält, sieht sie sofort mögliche Probleme bei der Stabilität. Wie üblich bei nicht bekannten Rezepturen, bespricht sie mit der Kundin, wie schnell sie das Präparat benötigt. Da es relativ eilig ist, verabreden sie sich für den Nachmittag. Gabi notiert aber die Telefonnummer, um sich melden zu können, falls es zu Verzögerungen kommt.
In der Rezeptur erfahrene PTA sehen mögliche Probleme bei einer Verordnung meist auf den ersten Blick. / Foto: PTA-Forum
Im Gegensatz zu Betamethason ist Betamethasonvalerat bei kutaner Anwendung gut wirksam. Es ist ein Glucocorticoid der Wirkstärke III (»stark wirksam«). Der Gehalt von 0,1 Prozent ist eine therapeutisch übliche Konzentration. Harnstoff wird bei Erwachsenen in Konzentrationen von 3 bis 40 Prozent eingesetzt. Die hier geforderten 5 Prozent sind absolut üblich, und Gabi hat schon viele Cremes mit dieser Harnstoffkonzentration hergestellt. Auch der Rest der Creme ist therapeutisch sinnvoll. Unguentum emulsificans wird meist mit 70 Prozent Wasser zu Anionischer hydrophiler Creme verarbeitet. Aus therapeutischer Sicht spricht aber nichts gegen einen geringeren Wassergehalt.
Gabi sieht mehrere Probleme bei der Stabilität der Creme. Sie folgt ihrem Instinkt und schlägt die Hydrophile Salbe DAB noch einmal in den »Tabellen für die Rezeptur« im Kapitel »Galenisches Profil standardisierter Dermatika-Grundlagen« nach. Dort findet sie den Hinweis, dass erst ab einem Wassergehalt von 50 Prozent mit einer stabilen Emulsion zu rechnen ist. Hydrophile Salbe wird durch Wasserzusatz zu einer hydrophilen Creme (eine Öl-in-Wasser-Emulsion). Hierfür ist ein Mindestwassergehalt notwendig, um die Stabilität zu gewährleisten. Die Menge an Wasser muss also erhöht werden. Theoretisch könnte es genügen, die Wassermenge auf 45 g anzuheben. Gemeinsam mit dem Harnstoff ergäbe das eine wässrige Phase von 50 g, da sich der Harnstoff im Wasser löst. Um sicher zu gehen, dass die Creme am Ende nicht sofort wieder bricht, beschließt Gabi, der Apothekerin eine Erhöhung auf 50 g Wasser vorzuschlagen.
Der geforderte Verzicht auf Konservierungsmittel verringert die mikrobiologische Stabilität der Creme. Nicht konservierte O/W-Systeme halten nur sehr kurz. Die Aufbrauchsfrist der Creme müsste auf nur eine Woche begrenzt werden, bei Lagerung im Kühlschrank auf zwei Wochen. Gabi geht davon aus, dass sie hierüber mit dem Arzt sprechen sollte.
Tabellen für die Rezeptur, Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF / Foto: Avoxa, Adobe Stock/gudrun
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Als dritter Faktor, der die Stabilität beeinflusst, muss der pH-Wert der Creme betrachtet werden. Der rezeptierbare ph-Bereich von Betamethasonvalerat liegt bei pH 2 bis 5. Bei höherem pH-Wert sinkt die Stabilität des Corticoids. Untersuchungen zeigten, dass Betamethasonvalerat in mit Trometamol versetzter Kühlcreme DAB (pH 8,8) relativ schnell abgebaut wird. Nach vier Wochen betrug die Wirkstoffkonzentration selbst bei Kühlschranklagerung nur noch circa 91 Prozent. Kühlcreme DAB ist eine lipophile Creme. In hydrophilen Cremes mit höherem Wassergehalt können hydrolytische Abbaureaktionen sogar noch schneller ablaufen.
Harnstoff hydrolysiert ebenfalls in wässrigen Lösungen, was bei längerer Lagerung zu einer pH-Erhöhung führt. Gabi findet im Rezepturhinweis »Harnstoff« nähere Angaben. Eine 10-prozentige wässrige, leicht saure Harnstofflösung zeigte beispielsweise innerhalb von zwei Monaten einen pH-Anstieg von 6 auf 8,3.
Nach einer kurzen Recherche findet Gabi die Hydrophile Harnstoff-Creme 5 % (NRF. 11.71.) im DAC/NRF. Die Herstellung erfolgt unter Zusatz eines Lactatpuffers, um die pH-Wert-Erhöhung bei der Lagerung auszugleichen. Selbst ein Lactatpuffer kann einen pH-Anstieg nicht auf Dauer verhindern, aber die Zugabe verlängert die Aufbrauchsfrist auf sechs Monate in der Spenderdose. Der Lactatpuffer könnte auch zur rezeptierten Creme gegeben werden, was zumindest das Problem des zu hohen pH-Wertes lösen würde. Die fehlende Konservierung ist damit allerdings noch nicht gelöst.
Gabi überdenkt die Möglichkeiten und bespricht sich anschließend mit der Apothekerin. Sie würde es für sinnvoll halten, die Haltbarkeit zu verlängern, indem sie die Creme mit Sorbinsäure konserviert und den Lactatpuffer hinzugibt. Durch die Sorbinsäure würde der pH-Wert ebenfalls sinken, was sich zusätzlich positiv auf die Stabilität auswirken würde. Da aber extra auf dem Rezept vermerkt wurde, dass auf Konservierungsmittel verzichtet werden soll, geht Gabi davon aus, dass der Arzt das nicht möchte. Wenn die Laufzeit aus diesem Grund ohnehin auf eine Woche beschränkt werden muss, hält Gabi eine pH-Korrektur durch Zugabe von Lactatpuffer ebenfalls für unnötig. Die Angaben zur Stabilität, die sie in den Rezepturhinweisen gefunden hat, legen nahe, dass nach einer Woche noch ausreichend Betamethasonvalerat vorhanden ist, um die Wirkung zu gewährleisten. Der Wassergehalt muss allerdings auf jeden Fall angepasst werden, damit die Creme überhaupt hergestellt werden kann. Wenn Gabi ohnehin mit dem Arzt spricht, kann sie ihn auch gleich fragen, ob sie den Wassergehalt auf 50 Prozent anheben darf.
Zum Glück hat die Apotheke einen guten Draht zu dem verschreibenden Arzt und kann die Frage schnell am Telefon klären. Wie erwartet, will er auf Konservierungsmittel verzichten, auch wenn die Haltbarkeit dadurch sehr kurz wird. Er bittet Gabi, nur 50 g herzustellen und die Kundin zu bitten, nach einer Woche wieder in die Praxis zu kommen, damit er entscheiden kann, ob er ihr ein Folgerezept ausstellen muss. Die Erhöhung des Wassergehalts auf 50 Prozent sieht er als unproblematisch an. Gabi ändert das Rezept wie unten angegeben ab, vermerkt die telefonische Rücksprache, zeichnet dies mit Datum und ihrem Kürzel ab und stellt die Creme anschließend bis zum Nachmittag her.
Betamethasonvalerat 0,05 g
Urea pura 2,5 g
Aqua dest. 25 g
Unguentum emulsificans ad 50,0 g
Ohne Konservierungsmittel
Rezepturen herstellen ist alles andere als Routine. Immer wieder stehen PTA vor neuen Herausforderungen oder müssen altes Wissen neu abrufen. Dabei helfen ihnen die → Rezeptur-Videos von PTA-Forum.
Einer der Filme beschäftigt sich mit der Herstellung von Kapseln – kein einfaches Metier. Angefangen bei der Wahl der richtigen Kapselgröße und des passenden Kapselmaterials, über die Berechnung des benötigten Füllmittels, den korrekten Zusammenbau der Kapselfüllmaschine bis hin zum Befüllen der Kapseln – bei jedem Arbeitsschritt können dem Herstellenden Fehler unterlaufen, die die korrekte Dosierung und die Qualität des Endproduktes gefährden.
Im Video erklärt Apothekerin Vanessa leicht verständlich anhand der Beispiel-Rezeptur für »CaptoprilKapseln«, wie die Herstellung nach den Standards des DAC/NRF in der Praxis umgesetzt wird. Sie erläutert wichtige Rechenschritte, gibt hilfreiche Tipps und beschreibt nützliche Tricks für die Rezeptur. Und natürlich kommen auch wichtige Hygienemaßnahmen zur Sprache.