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Spätestens im April

Startschuss für Corona-Impfung in Arztpraxen

Deutschlandweit bereiten sich alle Beteiligten auf die Corona-Impfung in den Arztpraxen vor. Der Startschuss ist nach Beschlüssen von Bund und Länder für Ende März oder spätestens Anfang April geplant. Großhandel und Apotheken haben sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie sie den Vertrieb der Vakzine organisieren.
PZ
Stephanie Schersch
04.03.2021  09:10 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird in diesen Tagen nicht müde zu betonen, dass die Impfungen gegen das Coronavirus deutschlandweit an Fahrt aufnehmen. Nach einem recht holprigen Start im Dezember soll die Zahl der pro Tag verabreichten Dosen nun zügig nach oben und der Kampf gegen die Pandemie damit in die entscheidende Phase gehen. Bislang wird fast ausschließlich in den dafür extra eingerichteten Zentren und über mobile Teams geimpft. Schon bald sollen aber auch die niedergelassenen Ärzte ihre Patienten gegen das Coronavirus immunisieren.

Zuletzt hatte der Minister stets das »frühe Frühjahr« als einen recht schwammigen Zeitpunkt für diesen Umschwung genannt. Laut Berechnungen wird die Zahl der Impfdosen in den meisten Bundesländern bereits im April die Kapazitäten der Impfzentren sprengen. Für diese Phase bereite man daher zusammen mit Ärzten, Apothekern und Großhändlern bereits seit Wochen die Einbindung der haus- und fachärztlichen Praxen vor, heißt es in dem Papier.

Frühzeitig planen

Schon jetzt sollen darüber hinaus ausgewählte Praxen einfacher Impfungen im Auftrag der Länder übernehmen können. Entsprechende Modellversuche gibt es bereits in einigen Regionen, darunter in Hamburg, Brandenburg, dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern. Diesen Projekten soll die Impfverordnung des Bundes ab sofort »einen festen Rahmen« geben, wie es heißt. Damit sollen unter anderem die Vergütung und Abrechnung der Leistungen geklärt sein.

Für die regelhafte Einbindung aller Praxen befinden sich die wichtigsten Fragen laut BMG »in den letzten Abstimmungen zwischen allen Beteiligten«. Ein Konzept für die Verteilung der Corona-Vakzine an die Ärzte hatten die ABDA und der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) bereits vor Kurzem präsentiert. Gemeinsam werde man die Versorgung der Arztpraxen mit den Impfstoffen sicherstellen, heißt es darin.

Mit den Präparaten von Biontech/Pfizer, Moderna und Astra-Zeneca gibt es bislang drei Corona-Impfstoffe am Markt, weitere sollen bald folgen. Comirnaty® (Biontech/Pfizer) stellt den Vertrieb dabei vor die größten Herausforderungen. So muss die Vakzine sehr stark gekühlt und vor der Impfung aufgetaut werden. Der Großhandel will vor diesem Hintergrund eine Infrastruktur für eine sogenannte Ultra-Tiefkühl-Logistik aufbauen und prüfen, inwieweit man dabei auf Beschaffungsstrukturen des Bundes zurückgreifen kann. Derzeit werden die Impfstoffe deutschlandweit über verschiedenen Verteilzentren abgewickelt, bevor sie in die Impfzentren gelangen.

Zeitlich strukturiert

Grundsätzlich drängen Großhandel und Apotheke auf einen festgelegten Prozess mit zeitlich exakt vorgegebenen Fristen für die Verteilung der Präparate. Dabei schlagen sie ein Organisationsmodell vor, dass die Impfstofflieferungen für eine ganze Woche umfasst. So könnten Praxen Dosen aller drei Impfstoffe für die jeweils kommende Woche spätestens bis Dienstagmittag über ein Kassenrezept in der Apotheke ordern. Diese gibt die Bestellungen bis 15 Uhr an den Großhandel weiter, der anschließend mit der Organisation der Impfdosen bei einem der Verteilzentren oder direkt beim Hersteller beginnt und die Vakzine in einer zum Drehkreuz ernannten Niederlassung zwischenlagert. Für Comirnaty sind dafür besondere Tiefkühlschränke geplant, die eine Lagerung bei bis zu minus 75 Grad möglich machen sollen.

Jeweils Montagfrüh beginnt in der Großhandlung das Auftauen des Biontech-Impfstoffs, der schließlich in Kühlboxen bei 2 bis 8 Grad Celsius zusammen mit den Impfdosen der anderen Hersteller und einer entsprechenden Dokumentation bis spätestens 15 Uhr in die Apotheke kommt. Noch am gleichen Nachmittag liefert die Offizin an die Praxis aus, die zumindest Comirnaty dann in der Regel von Dienstag bis Freitag verimpft. Auch die Ärzte müssen somit genau planen, um am Ende der Woche keine Dosen verwerfen zu müssen. Denn das Biontech-Präparat ist nach dem Auftauen nur 120 Stunden lang haltbar. Etwas flexibler sind die Mediziner hingegen beim Einsatz der beiden anderen Impfstoffe.

Derzeit regelt eine zentrale staatliche Stelle die Lieferströme der Vakzine in die Impfzentren, die diese Aufgabe voraussichtlich auch für den ambulanten Bereich übernehmen wird. Da nicht immer alle Impfstoffe in gleicher Weise verfügbar sein werden, könnten Praxen nicht in jedem Fall mit den von ihnen bevorzugten Präparaten versorgt werden, schreiben ABDA und Phagro in ihrem Konzept. Aus ihrer Sicht sollten Ärzte allerdings zumindest die Art des Impfstoffs auswählen und damit etwa entscheiden können, ob sie einen Vektor- oder mRNA-Impfstoff bestellen wollen.

Darüber hinaus weisen beide Partner darauf hin, dass die bislang verfügbaren Impfstoff-Gebinde nicht unbedingt zum Bedarf einer Arztpraxis passen. So gebe es etwa Comirnaty nur in Kartons von mindestens 25 Vials, aus denen ganze 150Dosen gezogen werden können. Damit die Liefermengen transparent bleiben, möchte der Großhandel aus den Originalgebinden nach Möglichkeit nicht auseinzeln. Stattdessen sollten die Hersteller ihre Packungen an die Anforderungen in den Praxen anpassen, fordern Apotheker und Großhandel.

Lieferfähigkeit

Für maximale Transparenz drängen beide Seiten zudem auf eine möglichst frühzeitige Kommunikation. »Es ist zwingend erforderlich, vorab Kenntnis über die lieferbaren und zu distribuierenden Impfstoffe nach Art und Menge zu erlangen«, heißt es in dem Papier. Dabei müsse man auch Zubehör in einem entsprechenden Umfang organisieren, darunter Spritzen, Kanülen und Lösemittel. Für die Beschaffung dieser Materialien sind nach der Nationalen Impfstrategie die Bundesländer zuständig. Bei der Verteilung könne der Großhandel unterstützen, schreiben ABDA und Phagro.

Wie viele Impfdosen Deutschland im zweiten Quartal voraussichtlich zur Verfügung stehen werden, zeigt eine Aufstellung aus dem BMG. Demnach rechnet das Ministerium mit mindestens 63,3 Millionen Dosen von April bis Juni. Sollten bis dahin auch Johnson und Johnson sowie Curevac Vakzine auf den Markt gebracht haben, kämen weitere 13,6 Millionen Dosen hinzu. Auch Moderna dürfte zusätzlichen Impfstoff nach Deutschland liefern. Erst kürzlich hatte die EU-Kommission einen Vertrag mit dem US-Konzern über insgesamt 300 Millionen weitere Dosen angekündigt. Rein rechnerisch wird Deutschland damit im zweiten Quartal über durchschnittlich mindestens fünf Millionen Impfdosen pro Woche verfügen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) arbeitet derweil an einer Lösung für die Dokumentation der Impfungen in den Praxen. Demnach gibt es bereits ein Software-Tool, in das die Ärzte jeden Tag eintragen sollen, wie viele Erst- und Zweitimpfungen sie verabreicht haben. Eine solche, im Vergleich zu den Impfzentren verkürzte Dokumentation ist aus Sicht der Kassenärzte kein Problem, da sie voraussichtlich meist bekannte Patienten impfen würden, deren Daten bereits in der Praxis hinterlegt seien, heißt es bei der KBV. Zuletzt hatten die Kassenärzte erklärt, 50.000 der bundesweit rund 75.000 Arztpraxen könnten theoretisch täglich mehr als eine Millionen Impfungen gegen das Coronavirus stemmen. Dabei soll die in der Impfverordnung verankerte Priorisierung nach den Plänen der Bundesregierung auch Grundlage für die Arbeit der Ärzte sein. Für die tatsächliche Entscheidung über die Impf-Reihenfolge ist demnach letztlich allerdings die ärztliche Einschätzung ausschlaggebend. Damit sollen die Impfungen in dieser Phase grundsätzlich flexibler gehandhabt werden können.

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