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Sturzgefahr im Alter

Stolperfalle Medikamente

Schlechtes Augenlicht, Gangunsicherheit oder Blutdruckschwankungen: Die Liste von Faktoren, die im Alter die Sturzgefahr erhöhen, ist lang. Ganz vorne mit dabei: Arzneimittel.
Carolin Antropov
23.02.2022  12:00 Uhr

Jedes Jahr stürzen mehr als 30 Prozent der Über-65-Jährigen. »Ältere Leute fallen meist ungebremst. Außerdem nehmen mit den Jahren ihre Knochenqualität sowie der muskuläre Anteil ab«, schildert Dr. Ulrike Matheis im Gespräch mit PTA-Forum. Als niedergelassene Orthopädin und Unfallchirurgin hat sie schon viele Sturzpatienten behandelt. »Dadurch ist das Risiko hoch, dass es bereits bei kleineren Stürzen zu größeren Verletzungen kommt.« Während junge Menschen sich besser abstützen können, leidet mit den Jahren nicht nur Reaktionsfähigkeit und Gleichgewicht. »Auch die Sehkraft lässt nach. Das Altern betrifft eigentlich alle Aspekte und Sinne«, so die Fachärztin. Ab wann das Alter tatsächlich ein relevanter Risikofaktor ist, hängt von vielen Faktoren ab. Dabei kommen meist mehrere Aspekte zusammen, ehe es zum Sturz kommt.

Ärzte unterscheiden meist zwischen extrinsischen, synkopalen und lokomotorischen Stürzen. Bei extrinsischen Stürzen kommt es durch eine Kraft von außen zum Fall, wie bei Verkehrs- oder Sportunfällen. Sie spielen für Senioren eine untergeordnete Rolle. Synkopale Ereignisse nehmen mit 5 bis 10 Prozent ebenfalls nur einen kleinen Anteil ein. Hierbei kommt es zu einer Ohnmacht oder kurzem Kontrollverlust, etwa durch kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzrhythmus- oder Durchblutungsstörungen des Gehirns. Auch Unterzucker, Exsikkose oder zu rasches Aufstehen mit Blutdruckabfall (Orthostase) können Stürze auslösen.

Die meisten Stürze sind jedoch bewegungsbezogene Stürze ohne Bewusstseinsverlust. Hierbei misslingt im Alltag eine übliche Tätigkeit, bei der mitunter minimale Belastungen nicht mehr kompensiert werden können. Sie zeigen eine Überforderung und Dysbalance bestimmter Fähigkeiten der Motorik.

Neben Krankheiten spielen vor allem Medikamente eine Rolle. Bereits die Polymedikation mit mehr als vier verordneten Arzneimitteln erhöht das Risiko für Stürze. Im Speziellen gibt es jedoch einige Wirkstoffklassen, die besonders ins Auge fallen, indem sie sedieren, Schwindel beziehungsweise Orthostase auslösen oder den Muskeltonus senken. Sie werden auch als »FRID« (= fall risk-increasing drug) bezeichnet. Die relevantesten sind Hypnotika, Antidepressiva, Opioide sowie Sedativa. Die Mechanismen hinter dem erhöhten Sturzrisiko sind vielfältig.

Da bei älteren Menschen die Enzymaktivität der Leber abnimmt, werden viele Wirkstoffe langsamer abgebaut. Zusätzlich haben ältere Personen meist einen höheren Fettanteil, sodass lipophile Wirkstoffe wie Diazepam ein höheres Verteilungsvolumen haben. Die Folge: Sie fluten langsamer an, wirken erst später und können durch die langsame Freisetzung aus dem Fettgewebe zu einem Hangover am nächsten Morgen führen. Lang wirksame Benzodiazepine wie Diazepam und Bromazepam sollten wegen der Gefahr einer Kumulation daher besser nicht verwendet werden. Mittellange Benzodiazepine (Lorazepam, Oxazepam) sind zwar möglich, das günstigste Nebenwirkungsprofil weisen jedoch Zolpidem und Zopiclon auf.

Manchmal werden alternativ trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin verordnet, da sie gleichfalls sedierend wirken. Auch bei Depression mit begleitenden Schlafstörungen ist dieser Effekt durchaus gewünscht. Dennoch können sie selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen einschränken.

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