Strategien gegen die Überforderung |
Mit gutem Gewissen Auszeiten gönnen – das ist essenziell und fällt vor allem Frauen schwer. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Viele Menschen haben an sich den Anspruch, allen beruflichen und privaten Anforderungen gerecht zu werden, obwohl sie rational erkennen, dass sie sich durch die Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben selbst überfordern: Spitzenleistungen im Beruf erbringen, Kinder und pflegebedürftige Eltern betreuen, die Partnerschaft nicht vernachlässigen, Freundschaften pflegen, den Haushalt bewältigen, den Garten in Ordnung halten, Sport treiben, auf Social-Media-Kanälen präsent sein, die tägliche Flut von E-Mails und Chat-Nachrichten bewältigen und natürlich die neuste TV-Serie nicht verpassen, um im Gespräch mit Kollegen und Freunden stets mitreden zu können.
Hinzu kommt die ständige Erreichbarkeit durch digitale Kommunikations-mittel, mit denen die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben zunehmend verschwimmt und die das Gefühl entstehen lassen, zu einem erheblichen Teil fremdgesteuert zu leben. Die Vielzahl der beruflichen und privaten Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten suggeriert zudem, überall dabei sein zu müssen, um möglichst nichts zu verpassen. Die meisten Aufgaben und Verpflichtungen sind isoliert betrachtet zwar nicht gravierend, sie werden aber in der Summe oft zu einer erheblichen Belastung.
Wer ständig viele Aufgaben gleichzeitig erledigen muss oder sich den beruflichen und privaten Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlt, versetzt seinen Körper in eine permanente Daueranspannung. Wenn wichtige Erholungsphasen dauerhaft fehlen, stellen sich meist körperliche oder psychische Beschwerden ein. Häufige Symptome sind sinkende Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, Kopf- und Magenschmerzen, Schlafstörungen und Bluthochdruck. Hinzu kommt eine ständige innere Anspannung und das Gefühl, das »Gedankenkarussell« überhaupt nicht mehr abschalten zu können. Im Extremfall entsteht aus der dauerhaften Belastung ein Burnout (engl.: ausgebrannt).
Mit Burnout wird ein Zustand völliger geistiger und körperlicher Erschöpfung durch chronische Überforderung bezeichnet. Typische Symptome sind Antriebslosigkeit, ständige Müdigkeit und ein Gefühl der inneren Leere. Auch einfachste Tätigkeiten werden dann als anstrengend empfunden. Die Lebensfreude geht verloren, der Betroffene zieht sich zunehmend aus dem sozialen Leben zurück und vernachlässigt Hobbies, Familie und Freunde.
Analysieren Sie zunächst Ihren persönlichen Tagesablauf und identifizieren Sie die größten beruflichen und privaten Belastungsfaktoren. Vielleicht erkennen Sie Möglichkeiten, ihre berufliche Belastung durch eine Veränderung von Arbeitsinhalten oder Arbeitsabläufen zu reduzieren. Besprechen Sie diese Maßnahmen mit Ihrem Chef oder veranstalten Sie eine Teambesprechung zu der Frage: »Was verursacht in der Apotheke den meisten Stress und was können wir dagegen tun?«
Prüfen Sie dann Ihren privaten Tagesablauf. Gibt es Tätigkeiten, die Sie reduzieren oder ganz weglassen können, ohne dass dies negative Konsequenzen hat? Gibt es Tätigkeiten, die sich rationeller und zeitsparender durchführen lassen? Viele Menschen stellen bei dieser Analyse fest, dass die Bereiche Internet, Social Media, E-Mails einen erheblichen Teil ihrer Zeit »fressen«: Zwei Stunden pro Tag summieren sich bei diesen Tätigkeiten auf 14 Stunden pro Woche beziehungsweise rund 60 Stunden pro Monat. Viele Menschen konsumieren täglich allerdings weit mehr als zwei Stunden Social media. Setzen Sie daher bewusst Zeitlimits für derartige Tätigkeiten.
Prüfen Sie dann, ob es berufliche oder private Aufgaben gibt, die Sie bisher gewohnheitsmäßig persönlich erledigt haben, die aber auch von einer anderen Person übernommen werden könnten. Vielleicht können Sie für Arbeiten im Haushalt eine Reinigungskraft oder einen Fensterputzer engagieren. Das Rasenmähen oder Einkaufen kann der Nachbarsjunge erledigen und auf diese Weise sein Taschengeld aufbessern. Statt zeitaufwendig selber zu kochen können Sie verstärkt Bringdienste oder Restaurants in Anspruch nehmen. Betrachten Sie die anfallenden Kosten in diesen Fällen als Preis für die gewonnene Lebensqualität. Und wenn Sie von Ihren Mitmenschen häufig um die Übernahme kleiner Zusatzaufgaben gebeten werden, dann kann das Wort »Nein« erheblich zu Ihrer persönlichen Entlastung beitragen. Wenn Sie Ihr »Nein« nachvollziehbar und auf nette Weise begründen, wird Ihr Gesprächspartner meist Verständnis dafür haben.
Sorgen Sie durch individuelle Maßnahmen für eine angemessene Balance zwischen Anspannung und Entspannung. Wählen Sie aus den folgenden Maßnahmen diejenigen Vorschläge aus, die am besten zu Ihrer persönlichen Situation passen. Sorgen Sie bereits während der Arbeitszeit durch regelmäßige Pausen für die erforderliche Regeneration. Halten Sie Ihre Pausenzeiten möglichst immer ein. Vermeiden Sie in der Pause eine zusätzliche Beanspruchung durch private E-Mails, Chat-Programme oder Social Media, sondern nutzen Sie die Zeit tatsächlich zum gedanklichen Abschalten. Körperliche Bewegung baut Stresshormone ab und verbessert zugleich die Durchblutung im gesamten Körper.
Für Menschen, die sich für das Joggen nicht begeistern können, ist ein zügiger Spaziergang in der Mittagspause oder nach Feierabend oft eine geeignete Alternative. Viele Menschen kommen durch bewusstes und langsames Atmen zu innerer Ruhe. Ersetzen Sie die flache Brustatmung durch eine tiefe Bauchatmung. Atmen Sie tief ein und achten Sie darauf, dass sich Ihr Bauch dabei hebt und beim anschließenden Ausatmen wieder senkt. Wenn Sie auf diese Weise 20 langsame Atemzüge machen, haben Sie nicht nur etwas zur Entspannung sondern auch für Ihre Sauerstoffversorgung getan.
Ausreichender Schlaf ist eine besonders wichtige Regenerationsquelle. Der nächtliche Schlafbedarf liegt bei Erwachsenen meist zwischen sechs und acht Stunden. In vielen Mittelmeerländern ist ein zusätzlicher Mittagsschlaf ein völlig selbstverständlicher Teil des Tagesablaufs. Viele Menschen erleben etwa sieben Stunden nach dem Aufstehen ein deutliches Leistungstief. Wer sich dann einen Kurzschlaf von 15 Minuten gönnt, fühlt sich danach meist deutlich besser.
Sorgen Sie mit gezielten Maßnahmen regelmäßig für Entspannung und Erholung, zum Beispiel durch einen Spaziergang in der Natur, ein Entspannungsbad, eine Massage oder durch einen Besuch im Wellnesscenter. Vielleicht können Sie in Ihrer Wohnung auch einen Entspannungs- und Wohlfühlplatz einrichten, an den Sie sich täglich für 30 Minuten zurückziehen, um Zeit für sich selber zu haben, innerlich zur Ruhe zu kommen oder um bei entspannender Musik und in angenehmer Atmosphäre wieder aufzutanken. Viele Menschen nutzen dazu auch Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training, Quigong oder die progressive Muskelentspannung. Im Internet finden Sie zu diesen Entspannungstechniken eine Vielzahl kostenloser Videoanleitungen.
Manchen Menschen hilft auch ein individueller »Entspannungsordner« auf den sie bei Bedarf zugreifen können. Legen Sie dazu einen Ordner mit vier Kapiteln an: »Die schönsten Momente meines Lebens«, »Meine größten Erfolge«, »Gelöste Probleme« und »Dafür bin ich dankbar«. Notieren Sie hier alle Ereignisse, die Ihnen zu diesen Themen einfallen und ergänzen Sie bei Bedarf einige Fotos. Wenn Sie wieder einmal sehr gestresst sind, können Sie Ihre Gedanken mit diesem Ordner sofort in eine positive Richtung lenken. Falls Ihre Gedanken trotz dieser Maßnahmen nicht zum Stillstand kommen, können Sie den Kopf in den meisten Fällen dadurch frei bekommen, dass Sie alle Gedanken vollständig aufschreiben. Notieren Sie alles, was Sie gedanklich beschäftigt und legen Sie dann einen Termin für die Erledigung dieser Aufgaben fest. Wenn Sie alle Aufgaben schriftlich fixiert haben, können Sie Ihren Kopf beruhigt abschalten, weil Sie wissen, dass Sie nun nichts mehr vergessen können.
Das persönliche Stressempfinden ist oft auch eine Frage der inneren Einstellung. Die Erwartung, dass es im Alltag stets entspannt zugehen sollte, ist fast immer unrealistisch. Wer anstrengende Situationen als normale und unvermeidbare Begleiterscheinungen des Berufslebens akzeptiert, kann mit den täglichen Anforderungen meist viel gelassener umgehen.