Studie prüft Einsatz von Psilocybin |
Psilocybin ist häufig in Pilzen der Gattung Psilocybe (Kahlköpfe) enthalten. Diese Magic Mushrooms können psychedelische Erfahrungen auslösen. / Foto: Getty Images/Yarygin
»Mit unserer klinischen Studie untersuchen wir, ob und wie Psilocybin bei behandlungsresistenter unipolarer Depression wirkt«, erläutert Professor Dr. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Das Institut führt die Studie zusammen mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin durch. Durch die jeweilige Gabe einer hohen therapeutischen Dosis, einer niedrigen Dosis sowie einer Kontrollsubstanz untersuchen die Wissenschaftler, ob Psilocybin eine bessere antidepressive Wirksamkeit hat als ein Placebo und welche Dosis die beste antidepressive Wirkung erzeugt. Darüber hinaus wollen sie herausfinden, ob eine Mehrfachgabe von Psilocybin (zunächst zwei Dosierungen) eine bessere antidepressive Wirkung erzeugt als eine Einmalgabe.
Psilocybin ist ein Wirkstoff aus Pilzen der Gattung Kahlköpfe. Im menschlichen Körper wird es in Psilocin umgewandelt, das psychedelisch, also bewusstseinsverändernd, wirkt. Schamanen benutzten die »magischen Pilze« von jeher, um sich in Trance zu versetzen; traditionelle Heilsysteme haben über Jahrtausende psychedelische Substanzen verwendet. In den 1950er-Jahren begannen US-amerikanische Wissenschaftler, das Heilpotenzial psychedelischer Substanzen in größerem Umfang in Bezug auf die seelische Gesundheit zu erforschen – mit teils vielversprechenden Ergebnissen. Als die US-Gesetzgebung jedoch in den 1970er-Jahren im Zuge ihrer Anti-Drogenpolitik auch psychedelische Substanzen wie Psilocybin verbot, war der Wirkstoff fortan für lange Zeit auch für den medizinischen Gebrauch tabu.
Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch eine Wende ab. So initiierte das gemeinnützige Usona Institute in den USA die ersten klinischen Studien mit dem Wirkstoff Psilocybin, die als Grundlage für eine Zulassung als Behandlungsmethode notwendig sind. Unter anderem im US-Bundesstaat Oregon darf Psilocybin nun seit wenigen Wochen legal in dafür vorgesehenen Zentren bei der Behandlung von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt werden. »In Deutschland unterstützten wir ebenfalls die Forschung und Entwicklung für eine therapeutische Anwendung von Psilocybin«, berichtet Uwe Mohr, Geschäftsführer des gemeinnützigen Usona Institute Europa, eines Ablegers des in Madison, Wisconsin, angesiedelten Instituts. Für Charles Raison, Leiter der klinischen Studien des Usona-Instituts »hat sich auf jeden Fall auch jetzt schon klar gezeigt, dass psychedelische Wirkstoffe – und unter ihnen vor allem Psilocybin – das Potenzial haben, die Behandlungsmöglichkeiten seelischer Krankheiten grundlegend zu erweitern und zu verbessern«.
Das Neuartige an dieser Therapie ist, dass Psilocybin, das chemisch mit LSD verwandt ist, nur wenige Male und unter psychotherapeutischer Begleitung eingesetzt wird. In welchem therapeutischen Setting eine solche Behandlung am besten wirke, wie lange ihr Nutzen anhalte oder auch, ob es möglich ist, psychedelische Medikamente so zu verändern, dass sie für die Behandlung seelischer Krankheiten nützlich sind, ohne dass die Patienten einen psychedelischen Zustand durchlaufen müssen – »diese Fragen wollen wir in den nächsten Jahren durch weitere Studien beantworten«, so Raison.
Ja und nein. Der Begriff Droge wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft in einer ängstlichen oder warnenden Weise verwendet, wenn damit Substanzen gemeint sind, die im Gegensatz zu Alkohol, Nikotin oder Kaffee illegal sind, informiert das Forschungsteam um Professor Dr. Gerhard Gründer. Im weiteren Sinn werden aber alle psychoaktiven Substanzen als Drogen bezeichnet, also Stoffe, die die Wahrnehmung und das Erleben verändern. Das kann wiederum zur Veränderung von Verhaltensweisen führen.
Psilocybin erzeugt eine Art »Rauschzustand«, auch verändertes Wachbewusstsein genannt. Dieser Zustand ist vorübergehend und kann vermutlich in einem therapeutischen Umfeld heilsame Wirkungen entfalten. Psilocybin macht nicht körperlich abhängig, es seien nur wenige Fälle bekannt, in denen Menschen eine Art psychische Gewöhnung an Psilocybin entwickelten, so Gründer.
Auch in Deutschland hat es bereits eine Reihe präklinischer Studien mit psychedelischen Substanzen gegeben, also Studien an Zellen und mit Tieren, und auch einige kleinere klinische Studien an Universitäten. Jedes Mal muss dafür die Bundesopiumstelle den beteiligten Forschern entsprechende Umgangsgenehmigungen erteilen.
Die seit Juni 2021 laufende randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim und der Berliner Charité soll insgesamt 144 Patienten einschließen, berichtet Gründer. Die Testpersonen erhalten eine Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie. Die Behandlung erfolgt in zwei sechs- bis achtstündigen Psilocybin-Sitzungen im Abstand von sechs Wochen. Hinzu kommen insgesamt drei vorbereitende Sitzungen sowie vier Integrationssitzungen, bei denen die Psilocybin-Erfahrungen mit therapeutischer Unterstützung besprochen werden. In den Psilocybin-Sitzungen erhalten die Teilnehmenden entweder 5 oder 25 mg Psilocybin oder ein Placebo. Nach sechs und zwölf Monaten sollen langfristige Effekte über eine Kontrolluntersuchung erfasst werden.
Da die Wissenschaftler seit dem vergangenen Sommer Woche für Woche Patienten behandeln, hätten sie schon einige Eindrücke gewinnen können, so Gründer. »Wir haben Patienten, die überhaupt nicht auf Psilocybin ansprechen – aber wir haben auch welche, bei denen wir fulminante positive Effekte sehen.« In den meisten Fällen lägen die beobachteten Auswirkungen zwischen diesen beiden Polen, und oft würden bei den Patienten Prozesse in Gang gesetzt, deren Ausgang erst längerfristig zu bewerten sei.
Ein weiteres wichtiges Zwischenergebnis sei die bislang gute Verträglichkeit, betont der Studienleiter. »Wir haben nur wenige unerwünschte Arzneiwirkungen wie etwa einen Blutdruckanstieg beobachtet – und bislang noch keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneiwirkungen.« Vor dem Hintergrund, dass an der Studie nur Patienten teilnehmen, die schwer und chronisch an Depressionen erkrankt sind und bei denen bislang keine Therapie anschlug, könnten die Zwischenergebnisse als positiv und vielversprechend bezeichnet werden. Falls sich dieser erste positive Eindruck bestätigt, könnte Psilocybin als verschreibungsfähige Substanz in fünf bis sieben Jahren auf den Markt kommen, glaubt Gründer.