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Tiefe Hirnstimulation

Taktgeber bei Parkinson

Nur 100 Jahre nach der Entdeckung der elektrochemischen Informationsübertragung im Gehirn, ist die Medizin in der Lage, veränderte Funktionsnetzwerke zu identifizieren und in diese einzugreifen. Schlüsseltechnologie ist die Tiefe Hirnstimulation.
Carina Steyer
07.06.2021  16:20 Uhr

Die Methode lindert bei Parkinson-Patienten Bewegungsstörungen. Muskelsteifigkeit, Bewegungsarmut, Zittern – Bewegungsstörungen gehören zu den typischen Symptomen einer Parkinson-Erkrankung. Ursächlich ist der zunehmende Mangel an Dopamin, der eine komplexe Fehlfunktion der sogenannten Basalganglien bewirkt. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von mehreren Kerngebieten im Gehirn, die für die Auswahl und das Ausmaß von Bewegungsmustern zuständig sind. Sie sind an der Stütz-, Halte- und Willkürmotorik beteiligt und zentraler Bestandteil des motorischen Systems. Aktivierung und Hemmung der Kerngebiete geraten bei Parkinson-Patienten zunehmend aus dem Takt. Werden die Kerngebiete jedoch mit einer ausreichend hohen Frequenz elektrisch stimuliert, nehmen einige Parkinson-Symptome ab. 

Dieses Prinzip nutzt die Tiefe Hirnstimulation (THS). Den Betroffenen werden im Rahmen eines minimalinvasiven, neurochirurgischen Eingriffs feine Elektroden ins Gehirn implantiert, die unter der Haut mit einem Impulsgeber verbunden sind. Dieser gibt permanent elektrische Impulse an die betroffene Zielregion im Gehirn ab. Bei Parkinson-Patienten ist das vor allem der Nucleus subthalamicus. Muskelsteifigkeit, Bewegungsarmut und Zittern lassen sich mit dem Eingriff gut lindern. Weniger gut erreichbar sind Symptome wie Gangunsicherheiten, Haltefunktionen, Schlucken und Sprechen. In der Spätphase einer Parkinsonerkrankung, wenn Überbeweglichkeit im Vordergrund steht, kann als Zielpunkt der Globus pallidus gewählt werden. Besteht ausschließlich ein Parkinson-Tremor, hat sich der sogenannte Nucleus ventralis intermedius im Thalamus als Zielpunkt bewährt.

Unbekannte Wirkweise

Die THS ist seit etwa zehn Jahren für die Behandlung von Bewegungsstörungen bei Parkinson zugelassen und fester Bestandteil der Therapieoptionen. In Studien wurde der Effekt im Vergleich zur bestmöglichen medikamentösen Therapie nachgewiesen. Im vergangenen Jahr konnte mit der INTREPID-Studie erstmals gezeigt werden, dass die THS in ihrer Wirksamkeit auch einer »Schein-Stimulation« mit subtherapeutischer Stimulationsdosis überlegen ist. Placeboeffekte durch die Operation konnten damit ausgeschlossen werden.

Was genau die THS im Gehirn tatsächlich bewirkt, ist bisher allerdings nicht restlos geklärt. »Letztlich geht man davon aus, dass bei der THS durch die hochfrequente, kontinuierliche Stimulation abnorme neuronale Aktivität im Zielgebiet unterdrückt wird«, erklärte Professor Dr. med. Andrea Kühn von der Charité in Berlin bei einer virtuellen Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG). Das bedeutet aber auch: Die THS ist nur wirksam, wenn der Impulsgeber aktiv ist. Wird der Stimulator ausgeschaltet, stellt sich der Zustand ein, wie er zum Zeitpunkt ohne Stimulation wäre. Nach heutigem Kenntnisstand wirkt die THS rein symptomatisch und hat keinen Einfluss auf das Voranschreiten der Parkinson-Erkrankung.

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