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Impfwissen

Tetanus-Impfschutz lebenslänglich

Das den Wundstarrkrampf auslösende Bakterium Clostridium tetani ist weltweit verbreitet. Den einzig wirksamen Schutz gewährt nur ein lebenslang immer wieder aktualisierter Impfstatus – so die bisherige Expertenmeinung. Neue Daten zeigen, dass Erwachsene keine Auffrischung benötigen, wenn im Kindesalter die Impfschemata eingehalten wurden.
Elke Wolf
24.06.2020  14:00 Uhr

Clostridium tetani kommt vor allem in der Erde und in Staub vor und bildet Sporen, die äußert widerstandsfähig sind. Im Erdreich können sie jahrelang überleben. Auch in Exkrementen von Tieren finden sich die Sporen. Typischerweise infizieren sich Menschen jedoch durch verrostete Nägel, Messer, Werkzeuge, Holzsplitter oder Dornen, an denen die Sporen haften.

Voraussetzung für eine Infektion ist eine Verletzung. Dabei werden die Sporen zusammen mit Fremdkörpern wie einem Holzsplitter bei einem morschen Gartenzaun, Dornen beim Rosenschneiden oder Eingraben von Blumenzwiebeln unter die Haut gebracht. Die Wunden müssen noch nicht mal offen sein, auch kaum sichtbare Bagatellverletzungen wie eben der Holzsplitter unter der Haut reichen für eine Infektion aus. Gut zu wissen: Tetanus-Infizierte können die Erreger nicht auf andere Menschen übertragen. Es gibt also keine Epidemien.

Ist die Wunde auch noch so klein und unscheinbar, die Sporen können sich dort wunderbar vermehren. Dabei entstehen die beiden Toxine Tetanolysin und Tetanospasmin. Letzteres wandert in die Nervenbahnen und löst schwere Krämpfe aus. Die Inkubationszeit, also die Zeit vom Eindringen der Erreger bis zum Auftreten erster Beschwerden, schwankt erheblich zwischen drei Tagen und drei Wochen. Betroffene können zunächst den Mund nicht mehr richtig öffnen und lächeln eigenartig. Später greifen die Muskelspasmen auf den ganzen Körper über. Alle Erkrankten müssen intensivmedizinisch behandelt werden. Unbehandelte Tetanus-Patienten sterben an Atemlähmung, da die Atemmuskulatur verkrampft und dadurch ausfällt. Eine überstandene Erkrankung verleiht keine Immunität.

In jedem Fall muss der Arzt schnell handeln, denn selbst hierzulande sterben trotz optimaler intensivmedizinischer Behandlung 10 bis 20 Prozent der Betroffenen. Den Medizinern bleibt nur die Reinigung beziehungsweise die Entfernung der infizierten Wunde mit dem Skalpell sowie die Gabe von Antikörpern gegen das Toxin (Tetanus-Immunglobulin) und von Antibiotika gegen die Erreger.

Nach einer Verletzung kann jeder Betroffene geimpft werden, wenn nicht klar ist, ob sein Tetanusschutz noch ausreicht. Für diese sogenannte postexpositionelle Impfung werden je nach Anzahl der bereits vorgenommenen Impfungen, des Zeitintervalls zur letzten erfolgten Tetanus-Impfung und in Abhängigkeit von der Art der Verletzung entweder eine aktive Auffrischimpfung allein oder eine aktive Impfung in Kombination mit einer passiven Immunglobulin-Gabe empfohlen.

Weltweites Risiko

Das Bakterium ist weltweit verbreitet. Hierzulande ist die Erkrankung äußerst selten; das Robert-Koch-Institut (RKI) zählt jedes Jahr nur bis zu 15 Erkrankungsfälle. Grund sind die bislang noch recht guten Durchimpfungsraten in Deutschland. Das sieht etwa in afrikanischen und asiatischen Ländern ganz anders aus. Schätzungen zufolge sterben weltweit jährlich zwischen 300.000 und einer Million Menschen an Tetanus.

Doch bedauerlicherweise werden hierzulande die notwendigen Auffrischungen gerade im Erwachsenenalter immer häufiger vergessen. Und so nimmt auch in den Industriestaaten mit zunehmendem Alter die Durchimpfungsrate ab. Laut Erhebungen des RKI, die allerdings bereits zehn Jahre zurückliegen, sollen rund 75 Prozent der Deutschen ausreichend geschützt sein, also in den vergangenen 10 Jahren eine Auffrischung bekommen haben. Allerdings nimmt mit zunehmendem Alter, so die Daten des RKI, der Anteil der Personen mit ausreichendem Impfschutz ab. Von den über 65-Jährigen sind nur noch 65 Prozent geschützt.

Booster-Impfung

Zur Grundimmunisierung werden ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat vier Impfungen mit inaktiviertem Tetanus-Impfstoff in den Oberarm oder Oberschenkel (bei Kleinkindern) verabreicht, wobei jeweils zwischen den ersten drei Impfungen ein Abstand von mindestens vier Wochen und zwischen der dritten und vierten Impfung ein Abstand von mindestens sechs Monaten einzuhalten ist. Die Tetanus-Grundimmunisierung wird in der Regel gleichzeitig mit der gegen Diphtherie, Polio, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B als Kombinationsimpfung verabreicht.

Die erste Auffrischimpfung gegen Tetanus erfolgt zu Schulbeginn und eine weitere zwischen dem vollendeten 9. und 16. Lebensjahr. Danach sollte laut dem Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) bis ins hohe Alter eine routinemäßige Auffrischimpfung alle 10 Jahre erfolgen, in der Regel mit dem Kombinationsimpfstoff gegen Tetanus und Diphtherie und im Erwachsenenalter einmalig mit dem Kombinationsimpfstoff gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis.

Mit der Empfehlung zur Booster-Impfung alle zehn Jahre steht die STIKO international nicht allein, denn ein Großteil der industrialisierten Staaten empfehlen für ihre Bevölkerungen Auffrischimpfungen alle 5 bis 20 Jahre, meistens alle zehn Jahre. Nicht jedoch die Weltgesundheitsorganisation WHO: Sie zog 2017 die generelle Empfehlung für regelmäßige Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie im Erwachsenenalter zurück. Eine komplette Immunisierung im Kindesalter vorausgesetzt, halte der Schutz vor den beiden Infektionskrankheiten ein Leben lang an, lautete die Begründung.

Impfstoff Besonderheit Beispiele
Td-Impfstoff
(Diphtherie-Tetanus-Adsorbat-Impfstoff)
Verwendung ab einem
Lebensalter von 5 Jahren
Td-Immun®,
TD-Impfstoff
Mérieux®,
Td-pur®
TdPa-Impfstoff
(Tetanus-Diphtherie-Pertussis (azellulär, aus
Komponenten)-Adsorbat-Impfstoff)
Verwendung ab einem
Lebensalter von 4 Jahren
Boostrix®,
Covaxis®
TdPa-IPV-Impfstoff
(Tetanus-Diphtherie-Pertussis (azellulär, aus
Komponenten)-Poliomyelitis (inaktiviert)-Adsorbat-
Impfstoff)
Verwendung ab einem
Lebensalter von 3 Jahren
Boostrix® Polio,
Repevax®
DTPa-IPV+ Hib-Impfstoff
(Diphtherie-Tetanus-azellulärer Pertussis-inaktivierter
Poliomyelitis (adsorbiert) und Haemophilus-Typ
b-Konjugat-Impfstoff)
Verwendung ab einem
Lebensalter von 2 Monaten
Pentavac®
DTPa-HepB-IPV + Hib-Impfstoff
(Diphtherie-Tetanus-Pertussis (azellulär, aus Komponenten)
-Hepatitis B (rDNA)-Poliomyelitis (inaktiviert)-Haemophilus
influenzae Typ b (konjugiert)-Adsorbat-Impfstoff)
Verwendung ab einem
Lebensalter von 6 Wochen
Hexacima®,
Hexyon®,
Infanrix® hexa,
Vaxelis®
Auf einen Blick: eine Auswahl an Tetanus-Kombinationsimpfstoffen, die derzeit vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen sind. Alle Impfstoffe schützen demnach mindestens noch vor Diphtherie.

Auffrischung hinterfragen

Die WHO berief sich damals unter anderem auf eine Studie der Arbeitsgruppe um Dr. Mark Slifka von der Universität in Oregon, USA. Damals hatten die Forscher anhand der gemessenen Antikörpertiter von 546 Personen berechnet, dass die Tetanus- und Diphtherie-Impfung frühestens alle 30 Jahre aufgefrischt werden müsse.

Das scheint nur eine konservative Annahme gewesen zu sein, meldet sich die Arbeitsgruppe um Slifka Anfang dieses Jahres zu Wort. Bei ihrer neuerlichen Publikation handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, für die die Autoren die Tetanus- und Diphtherie-Inzidenzen der Jahre 2001 bis 2016 aus 31 nordamerikanischen und europäischen Ländern heranzogen. Von diesen sahen neun (Dänemark, Großbritannien, Irland, Island, Kroatien, Malta, die Niederlande, Polen und Ungarn) Auffrischungen weder gegen Tetanus noch gegen Diphtherie im Erwachsenenalter vor, eines (Tschechien) ausschließlich gegen Diphtherie nicht.

Die Analyse ergab keinen signifikanten Rückgang der Tetanus-Inzidenz in Ländern mit Auffrischimpfungen im Erwachsenenalter. Ähnlich die Datenlage zur Diphtherie. Diese Untersuchung von mehr als 11 Milliarden Personenjahren gebe der WHO recht: Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie im Erwachsenenalter seien unnötig, fassen die Autoren zusammen.

 

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