Hormonersatztherapie |
Die Hormonersatztherapie soll einen Östrogen- und/oder Progesteronmangel während der Wechseljahre ausgleichen. In Form von Tabletten, Pflastern, Gels oder Sprays kann sie Hitzewallungen, Schlafstörungen, trockene Haut lindern und das Osteoporose- und Darmkrebsrisiko senken, aber auch das Risiko von Schlaganfällen, Blutgerinnseln und Brustkrebs erhöhen. Sie sollte daher nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiken-Abwägung verordnet werden.
Die Geschichte der Hormonersatztherapie (HET, engl.: Hormone Replacement Therapy = HRT) ist ein langjähriges Auf und Ab: Nachdem sie in den 1960er-Jahren zunächst als »Jungbrunnen« gefeiert wurde, hieß es kurz darauf, dass eine Estrogen-Monotherapie das Risiko für Endometriumkarzinome steigere.
Als sich in den 90er-Jahren herausstellte, dass sich dieses Risiko durch die Kombination mit einem Gestagen senken lässt, begann eine zweite Hochphase der HRT. Sie wurde für Frauen ab der Lebensmitte zum Standard, sowohl zur Behandlung menopausaler Symptome als auch zur Prävention von Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die nächste Talfahrt erlebte die HRT 2002: Im Rahmen der großen WHI-Studie (Women᾿s Health Initiative) zeigte sich in der Gruppe mit einer kombinierten HRT ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Thrombosen und Schlaganfälle.
Eine Neuinterpretation der WHI-Studie sorgte vor einigen Jahren schließlich wieder für einen Aufschwung. Sie gilt heute als nur noch eingeschränkt aussagekräftig, da das Alter der Studienteilnehmerinnen sehr hoch war und die eingesetzten Estrogene nicht den modernen Präparaten entsprachen – weder hinsichtlich der Dosis als auch der Art der Applikation.
Die transdermale Anwendung per Gel, Pflaster oder Spray hat mehrere Vorteile: Sie umgeht die Verstoffwechselung über die Leber und lässt deutlich geringere Dosierungen zu. Beobachtungsstudien zufolge steigt auf diesem Wege auch das Risiko für venöse Thromboembolien nicht. Das Problem: Progesteron als Gestagenkomponente der HRT ist nur in oraler Form zugelassen.
Nach der Menopause steigt die Rate an Demenzerkrankungen bei Frauen deutlich an. Hierfür wird der sinkende Estrogenspiegel mitverantwortlich gemacht. Ob sich durch eine Hormonsubstitution das Demenzrisiko beeinflussen lässt, ist unklar.
Viele Frauen belasten in den Wechseljahren auch Antriebsmangel, Niedergeschlagenheit und depressive Episoden. Eine Hormontherapie kann psychische Symptome unter Umständen lindern. Es gibt Hinweise auf eine antidepressive Wirkung der HRT – allerdings ist die Datenlage spärlich und nicht eindeutig.
Lässt die Libido aufgrund des sinkenden Hormonspiegels nach, kann eine HRT ebenfalls helfen. Manchmal reicht die klassische Kombination von Estrogen und Gestagen jedoch nicht aus, um das sexuelle Verlangen wieder zu wecken.
Bei Scheidentrockenheit (vulvovaginale Atrophie) ist eine systemische HRT nicht die erste Wahl. Stattdessen rät die Leitlinie zur lokalen Estriol-Therapie mit Vaginalcremes, -tabletten, -zäpfchen oder -ringen. Ebenfalls zugelassen ist Prasteron, das mit dem humanen Prohormon Dehydroepiandrosteron (DHEA) biochemisch identisch ist. Nach Applikation der Vaginalzäpfchen wird es in Estrogene und Androgene umgewandelt.
Eine systemische HRT kann eine Harninkontinenz in und nach den Wechseljahren nicht verhindern, sondern im Gegenteil sogar fördern. Ein Cochrane-Review ergab, dass eine orale Estrogen-Monotherapie das Risiko einer Belastungsinkontinenz vervierfachte. Eine kombinierte HRT verdreifachte es knapp. Bestehende Symptome einer Blasenschwäche verschlechterten sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 bis 30 Prozent. Über dieses Risiko sollten Ärzte und Apotheker Frauen vor Beginn einer HRT informieren.
Eine vaginale Estrogentherapie wirkt sich dagegen nachweislich positiv auf Inkontinenzbeschwerden aus – unabhängig vom Zustand der Scheidenschleimhaut. Auch bei einer überaktiven Blase mit Drangsymptomatik und bei häufigen Harnwegsinfekten kann topisches Estrogen helfen.
Zwar belegte eine 2019 publizierte umfangreiche Metaanalyse von Interventions- und Beobachtungsstudien, dass jede Form der HRT das Brustkrebsrisiko erhöht. Die absoluten Zahlen sind jedoch im Vergleich zu anderen beeinflussbaren Risikofaktoren, etwa Übergewicht, Alkohol und Rauchen, nicht hoch. Zudem hängen sie stark von der Behandlungsdauer ab: Eine HRT von maximal einem Jahr steigert das Risiko offensichtlich nicht. Bei einer Dauer von mehr als zehn Jahren ist es etwa doppelt so hoch wie bei fünf Jahren. Nach dem Ende der Hormontherapie sinkt die Gefahr einer Krebserkrankung wieder.
Eine Estrogen-Monotherapie erhöht das Brustkrebsrisiko – wenn überhaupt – in weitaus geringerem Maß als die kombinierte HRT; in der WHI-Studie zeigte sich sogar ein schützender Effekt. Topisches Estrogen in der Vagina hat nach bisherigen Erkenntnissen auch bei einer langjährigen Anwendung keinen Einfluss auf das Krebsrisiko.
Die Zugabe eines Gestagens gilt zwar prinzipiell als effektiver Schutz vor der Entstehung eines Endometriumkarzinoms, bei einer Therapiedauer von mehr als sechs Jahren kann das Risiko dennoch leicht ansteigen.
Auch das Risiko für ein Ovarialkarzinom erhöht sich unter der HRT geringfügig. Pro 1000 über fünf Jahre behandelter Frauen erkrankt laut einer Metaanalyse eine Frau zusätzlich daran.
Dagegen reduziert die Hormontherapie das Risiko für Darmkrebs. In der WHI-Studie erhielten in der Placebogruppe 16 von 10.000 Frauen die Diagnose Darmkrebs, in der Gruppe mit einer kombinierten HRT waren es nur zehn. Auch in fast allen neueren Studien zeigte sich eine Risikoreduktion – im Schnitt etwa um ein Viertel.
Für Frauen, die bereits Brustkrebs hatten, kommt sie in der Regel nicht infrage. Auch ein behandeltes Endometrium- oder Ovarialkarzinom gilt nicht als absolute Kontraindikation für eine systemische HRT.
Nur mit Vorsicht eingesetzt werden soll eine HRT bei Vorerkrankungen mit erhöhter Flüssigkeitsretention, zum Beispiel Herz- oder Niereninsuffizienz, sowie bei Asthma oder Migräne, erklären die Leitlinienautoren. Kontraindiziert ist sie bei Leberfunktionsstörungen mit erhöhten Leberenzymwerten.
Eine HRT sollte jedoch möglichst vor dem 60. Lebensjahr begonnen werden. Die Länge richtet sich nach den Beschwerden. Nach Therapieende können die vasomotorischen Beschwerden erneut auftreten – darauf sollten Ärzte und Apotheker die Frauen vor dem Start hinweisen. Durch allmähliches Ausschleichen lässt sich das kurzfristig möglicherweise reduzieren. Langfristig ist das Wiederauftreten von Symptomen jedoch unabhängig davon, ob die Frau die Hormone plötzlich oder langsam absetzt.
Der Markt für pflanzliche Produkte gegen Wechseljahresbeschwerden ist groß. Die Zubereitungen weisen Unterschiede auf und die Sicherheit sowie der Nutzen vieler Präparate ist unklar. Am besten sind Spezialextrakte der Traubensilberkerze und des Rhabarbers untersucht.
Traubensilberkerzen-Extrakt ist indiziert bei psychischen und neurovegetativen Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. Bis zum Wirkungseintritt von Cimicifuga vergehen etwa vier bis sechs Wochen. Frauen mit einer Lebererkrankung sollten Traubensilberkerze-Präparate sicherheitshalber nicht anwenden. Cimicifuga wird auch mit Johanniskraut kombiniert, um verstärkt depressive Verstimmungen zu bessern.
Ebenso kann der Wurzelextrakt des Sibirischen Rhabarbers, auch als Rhapontikrhabarber bezeichnet, bei Wechseljahresbeschwerden helfen. Studien zufolge bessert der Extrakt verschiedene Beschwerden der Wechseljahre wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Angstzustände, Reizbarkeit und depressive Verstimmungen. Bis sich die Wirkung voll entfaltet, benötigt auch dieses Phytopharmakon einen gewissen Vorlauf von einigen Wochen.
Quellen: PZ, PTA-Forum