Therapie bei Mundschleimhautläsionen |
Au Backe: Aphthen sind Mini-Ulzerationen, die äußerst schmerzhaft sind. Ursächlich behandeln lassen sie sich nicht. Doch das Apothekensortiment bietet Linderung. / Foto: Getty Images/CiydemImages
Wo immer sie im Mund-Rachen-Raum sitzen: Aphthen sind Mini-Ulzerationen, die Nervenenden liegen bloß. Und deshalb vermitteln Essen, Trinken und Sprechen sowie mechanische Reizung einen empfindlichen Schmerz. Der rundlich-ovale, etwa linsengroße Schleimhautdefekt ist von einem roten Hof umgeben und von einem weiß-gelblichen Fibrinbelag überzogen. Die Herde in unterschiedlicher Größe sitzen einzeln oder in größerer Anzahl (Minor-, Major- oder herpetiforme Aphthen) am Mundboden, seitlich und unten an der Zunge sowie an der Innenseite der Lippe, manchmal auch im Rachenraum. Die Ulzerationen rezidivieren charakteristischerweise in einem Zeitintervall von Wochen bis Monaten und Jahren, heißt es in der sich derzeit in Überarbeitung befindlichen S2k-Leitlinie. Diese ist unter der Federführung des Interdisziplinären Arbeitskreises Oralpathologie und Oralmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde 2016 erstmals herausgegeben worden.
Die genauen Ursachen der Aphthenbildung sind bisher unbekannt. Eine genetisch bedingte Neigung scheint aber vorzuliegen, da die Läsionen bei bis zu 40 Prozent der Patienten familiär gehäuft auftreten. Auch erhöhter Stress und Schlafmangel scheinen die Mini-Ulzerationen leichter blühen zu lassen. Grobe Nahrungsmittel, zu harte Zahnbürsten, nicht exakt sitzende Zahnspangen oder Prothesen können die Schleimhaut verletzen und die Läsionen fördern. Ob das in Zahnpasten enthaltene Tensid Natriumlaurylsulfat durch chemische Irritation Aphthen fördern kann, ist indes nicht geklärt.
Aphthen können allerdings auch ein Warnhinweis auf Systemerkrankungen oder Mangelzustände sein. So nennt die Leitlinie unter anderem autoinflammatorische Erkrankungen wie periodische Fiebersyndrome und Erkrankungen mit autoinflammatorischen und -immunologischen Aspekten wie Morbus Behçet, eine generalisierte Gefäßentzündung des rheumatischen Formenkreises. Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, bei hämatologischen Störungen wie Agranulozytose oder Non-Hodgkin-Lymphom können Aphthen auftreten. Den schmerzhaften Läsionen können kann auch ein Nährstoffmangel, zum Beispiel Eisen, Folsäure oder B-Vitamine, oder Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises wie eine reaktive Arthritis oder eine Sarkoidose zugrundeliegen. Die Leitlinie empfiehlt deshalb bei Läsionen, die länger als 14 Tage anhalten, die immer wieder auftreten und äußerst schmerzhaft sind, eine Abklärung durch den Arzt und eine Biopsie vornehmen zu lassen.
Pflanzenextrakte etwa aus der Kamille wirken entzündungshemmend und adstringierend. / Foto: Adobe Stock/goldbany
Da die Ursache der rezidivierenden benignen Aphthosis nicht geklärt ist, ist die Therapie symptomatisch ausgerichtet. Zur Schmerzlinderung werden mehrmals täglich Lokalanästhetika wie Lidocain (wie Dynexan® Gel, Dentinox® Gel N, Kamistad® Gel) oder Polidocanol (wie Recessan®) als Gel auf die wunden Punkte getupft. Auch Tinkturen mit Extrakten von Tormentillwurzelstock, Rhabarberwurzel, Myrrhe oder Rathania (wie Repha®-Os, Ratiosept®, Pyralvex®) haben sich durch ihren adstringierenden und entzündungshemmenden Effekt bewährt. Zudem ist Propolis-Urtinktur ein guter Beratungstipp. Bevor das jeweilige Präparat aufgetragen wird, empfiehlt es sich, die betroffene Region mit einem Wattestäbchen oder Papiertuch trocken zu tupfen. Dann erst das Gel oder die Tinktur mit einem Wattestäbchen entnehmen und dünn auf die Wunde aufstreichen.
Möglich sind auch mehrmals tägliche Spülungen mit verdünntem Kamillenextrakt (zum Beispiel Kamillosan®) oder Antiseptika wie Polyvidon-Iod (wie Betaisodona®) oder Chlorhexidin (wie Clorhexamed® Lösung, Meridol® med CHX, Paroex®) nach den Mahlzeiten. Dexpanthenol als Lösung für Pinselungen oder Spülungen (wie Bepanthen® Lösung) kann als Adjuvans seine wundheilenden Eigenschaften entfalten. Benzydamin (wie Tantum® Verde) hat antibakterielle Eigenschaften, wird aber mehr noch wegen seiner analgetischen Wirkung geschätzt.
Linderung verspricht auch Hyaluronsäure (wie BloXaphte®, Gengigel®), die sich wie ein Film über die schmerzenden Bläschen legt und damit einen gewissen Schutz vor weiterer Reibung gewährt. Hyaluronsäure fördert die Zellerneuerung, weshalb eine schnellere Abheilung der Läsionen zu erwarten ist. Einen ähnlich abdeckenden Effekt hat auch eine Fixkombination mit hämodialysiertem Kälberblut und Polidocanol (Solcoseryl® Dental-Adhäsivpaste).
Für Patienten ab 16 Jahre mit rezidivierenden Aphthen können auch Triamcinolonacetonid-Hafttabletten (Aftab®) zur Selbstmedikation abgegeben werden. Wiederholte tägliche Mundspülungen mit Tetracyclin-Lösung eignen sich laut Leitlinie bei Major-Aphthen, um Superinfektionen zu unterdrücken.
Eigentlich gehört der Hefepilz Candida albicans zur normalen Flora der Mundhöhle wie auch des Gastrointestinaltraktes und verhält sich ziemlich unauffällig. Doch unter bestimmten Umständen vermehrt sich der Pilz im Übermaß, ändert in charakteristischer Weise seine Morphologie und bildet weiße Mycele aus. Diese Mundsoor-Beläge sind in der Regel schwer abwischbar und daher von Milchresten oder Ähnlichem gut zu unterscheiden. Zurück bleiben ein Erythem oder bei hartnäckigeren Auflagen leichte Blutungen.
Besonders anfällig für Mundsoor sind Säuglinge, Hochbetagte und Menschen mit geschwächtem Immunsystem (etwa HIV-Positive), da das Gleichgewicht der auf der Schleimhaut lebenden Mikrobiota sehr labil ist. Auch Asthmatiker, die regelmäßig ein cortisonhaltiges Spray anwenden, sind gefährdet, da Cortison die Mundflora aus dem Gleichgewicht bringt. Wer nach dem Inhalieren den Mund mit Wasser ausspült, verringert die Gefahr.
Im Kleinkindalter setzt meist eine vorausgegangene Antibiotikabehandlung bakterielle Gegenspieler von C. albicans in der normalen mikrobiellen Flora schachmatt und begünstigt somit eine unphysiologische Vermehrung der Hefe. Bei Jugendlichen können schlecht sitzende oder ungereinigte Zahnspangen einem Soor den Weg bereiten. Manchmal ist eine Soor-Besiedlung auch ein Hinweis auf Diabetes mellitus.
Zeigen sich entsprechende Symptome im Mund, sollten PTA oder Apotheker zunächst an den Arzt verweisen. Die Infektion bekommt man mit lokal anzuwendenden Nystatin-, Miconazol- oder Amphotericin-B-haltigen Suspensionen, Gelen und Pasten in den Griff (zum Beispiel Nystatin Lederle®, InfectoSoor® Mundgel, Ampho-Moronal®). Wichtig ist, dass die Kontaktzeit zwischen dem Wirkstoff und der betroffenen Partie möglichst lang ist. Deshalb empfehlen sich auch hierbei Wattestäbchen und Papiertuch als Hilfsmittel.
Ungleich heftiger und ungemein belastend sind die Schmerzen, wenn die Mundschleimhaut großflächig aufgrund einer Strahlentherapie oder systemisch wirksamer Zytostatika geschädigt wird. Die Prävalenz einer solchen oralen Mukositis liegt bei Krebspatienten unabhängig von der Tumorentität mehr als 20 Prozent und ist bei einer Bestrahlung des Kopf-Hals-Bereichs fast unvermeidbar. Es kann bis zu vier Wochen dauern, bis die Entzündung nach der letzten Einheit eines Chemo- oder Strahlentherapiezyklus abheilt.
Es gibt kein Patentrezept, wie diesem Krankheitsbild beizukommen ist. Klinische Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze sind spärlich gesät und methodisch schwierig durchzuführen. Richtlinien, wie auf Basis der besten verfügbaren Daten einer Mukositis vorzubeugen und sie zu behandeln ist, geben nur einen groben Rahmen, ausgearbeitet von der Europäischen Fachgesellschaft für Medizinische Onkologie, der Arbeitsgruppe Oral Care der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Radioonkologie und der Multinationalen Gesellschaft zur supportiven Betreuung von Krebspatienten.
Danach ist es Pflicht, Risikofaktoren wie schlechte Mundhygiene und Mundtrockenheit anzugehen, bevor eine potenziell schleimhautschädigende Therapie begonnen wird. Zudem ist die Mundschleimhaut täglich auf Veränderungen zu untersuchen. Eine lokale Kryotherapie, also die Kühlung der Mundhöhle mithilfe von Eiswasserspülungen oder Lutschen von Eiswürfeln, ist in der Lage, das Ausmaß und die Schwere der Mukositis zu begrenzen. Doch aufgrund des langen und intensiven Kältereizes – die Kältetherapie sollte vor der Infusion beginnen und bis etwa eine halbe Stunde nach deren Ende fortgesetzt werden – ist sie von vielen Patienten nur schwer durchführbar. Besser akzeptiert werden tiefgefrorene Fruchtwürfel etwa aus Papaya, Ananas oder Salbeitee. Durch die Minderdurchblutung der Mundschleimhaut, so die Überlegung, verringert sich die Konzentration toxischer Substanzen in diesem Gewebe, und entzündliche Reaktionen werden unterdrückt.
Hat sich die Mundschleimhaut dennoch entzündet, gilt die erste Maßnahme der Schmerzbekämpfung. Mundgele und Lösungen, die Lokalanästhetika, Benzydamin oder Pflanzenextrakte enthalten, können versucht werden, dürften aber bei einem bestimmten Schweregrad zu schwach wirksam sein.
Nicht steroidale Antiphlogistika können die Schmerzintensität einer oralen Mukositis nicht signifikant lindern, wohl aber Opioidanalgetika wie Tramadol, Tilidin/Naloxon, Fentanyl oder Morphin. Um die starken Nebenwirkungen infolge der systemischen Gabe zu umgehen, geht man zunehmend dazu über, die entzündete Schleimhaut mit verdünnten Morphinlösungen zu spülen oder mit Rezepturen von Opiaten in mukoadhäsiven Grundlagen zu versorgen. Möglich ist dieser Therapieansatz, weil Opiate nicht nur zentral wirksam sind, sondern auch in peripheren Geweben an Rezeptoren binden. Ob die topische Gabe die Schmerzlinderung einer systemischen Anwendung erreicht, ist nicht untersucht. Ebenso fehlen verbindliche Empfehlungen zu den einzusetzenden Konzentrationen.