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Pedikulozide

Therapie für »Lausbuben«

Immerhin: Es besteht die begründete Hoffnung, dass das Coronavirus in dieser Saison den Kopfläusen einen Strich durch die Rechnung macht. Deutlich weniger Auslandsaufenthalte und Ferienlager dürften der Verbreitung von Kopfläusen Einhalt gebieten. Dennoch gilt bei einem Befall, schnell eine Therapie einzuleiten.
Elke Wolf
20.08.2020  08:30 Uhr

Kopfläuse sind weltweit unterwegs. Hierzulande bringen sie es bislang bei Kindern zur häufigsten Parasitose und nach den Erkältungskrankheiten zur zweithäufigsten ansteckenden Erkrankung bei Kindern. Meist entdecken Eltern die sogenannte Pediculosis capitis zufällig, dann nämlich wenn eine Laus vom Kopf des Kindes fällt oder sie den Haarschopf genauer untersuchen, weil sich das Kind ständig kratzt.

Sie sehen dann womöglich über den ganzen Kopf verteilt adulte Läuse und – hauptsächlich an den Schläfen, hinter den Ohren und im Nacken – Eier. Eier sind gräulich-bräunlich, haben eine glatte Oberfläche und haften dank eines widerstandsfähigen Klebesekrets am Haarschaft. Wenn die junge Laus nach etwa sieben bis acht Tagen geschlüpft ist, bleiben weißlich transparente Eihüllen, sogenannte Nissen, übrig. Die Nymphen können nach weiteren zehn Tagen selbst Eier legen.

Während die Läuse im Nymphenstadium als stationäre Parasiten auf dem Kopf bleiben, auf dem sie geschlüpft sind, wechseln adulte Läuse den Wirt. Läuse können weder springen noch fliegen, und wenn sie nicht auf der Kopfhaut sind, können sie nur kurze Strecken zurücklegen. Deshalb werden sie so gut wie immer durch direkten Kontakt von Kopf zu Kopf weitergegeben.

Läuse mögen Selfies

Weltweit werden überall mehr Mädchen als Jungen von Kopfläusen heimgesucht. Weil sie üblicherweise längere Haare haben und mit Vorliebe mit den Freundinnen die Köpfe zum Tuscheln zusammenstecken, kommt es bei Mädchen zu längeren und häufigeren Haar-zu-Haar-Kontakten.

Kinder werden meist zwischen dem neunten und elften Lebensjahr von Kopfläusen belästigt. Doch in den vergangenen Jahren ist die Laus zunehmend auch auf den Köpfen von Jugendlichen unterwegs, heißt es in einem aktuellen Ratgeber für Kinderärzte der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendärzte DGKJ. »Es gibt Hinweise, dass sich die weit verbreitete Praxis von Selfies derzeit den Häufigkeitsgipfel in höhere Altersgruppen verschiebt.« In der Tat werden dabei die Köpfe eng zusammengesteckt, was dem Parasiten eine neue Möglichkeit eröffnet, sich zum nächsten Wirt zu hangeln.

Ein Kopflausbefall hat nichts mit Hygiene zu tun. Weder häufiges Duschen noch regelmäßiges Haarewaschen können Kopfläuse verhindern. Zwar überleben Nissen und Läuse Temperaturen über 40 bis 45 Grad Celsius nicht. Doch überstehen sie auch einen Saunabesuch, da die Kopfhaut die Hitze durch Schwitzen selbst reguliert.

Kopfläuse müssen alle drei bis sechs Stunden menschliches Blut saugen. Sie überleben abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit maximal bis zu 48 Stunden außerhalb des Kopfes. Befindet sich allerdings eine Kopflaus für einige Stunden auf einer Oberfläche fern der Kopfhaut, schwächt sie das derart, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Blut zu saugen, selbst wenn sie wieder auf einen Kopf gelangt. Eine Übertragung der Parasiten durch Textilien und Gegenstände spielt deshalb so gut wie keine Rolle (siehe Kasten). Haustiere sind keine Überträger von Kopfläusen.

Doppeltherapie

Um dem Juckreiz auf dem Kopf ein Ende zu bereiten, sollten mechanische Methoden mittels Läusekamm (»feuchtes Auskämmen«) und antiparasitäre Mittel kombiniert werden, teilt das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Merkblatt mit.

Das geht wie folgt: Beim feuchten Auskämmen wird auf das feuchte Haar eine Haarpflegespülung aufgetragen. Das lähmt die Parasiten für etwa eine halbe Stunde, so werden sie leichter beim Kämmen erfasst. Die Haare werden zunächst mit einem normalen Kamm in Strähnen gelegt, bevor sie mit einem speziellen Läusekamm (wie von mosquito®, NYDA®) systematisch ausgekämmt werden. Ihre wenig elastischen Zinken (aus Kunststoff oder Metall) stehen nicht mehr als 0,2 Millimeter voneinander entfernt, und Läuse und Nymphen können so gut erfasst werden. Strähne für Strähne wird systematisch durchgekämmt. Dabei sollten die Eltern den Kamm so führen, dass er von der Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Nach jedem Kämmen wird die Pflegespülung am besten auf einem weißen Handtuch oder Küchenkrepp ausgestrichen. So sieht man die erfassten Parasiten oder leere Eihüllen schwarz auf weiß. Die gefundenen Läuse müssen beseitigt werden.

Da nicht alle Kopflausmittel zuverlässig alle Eier abtöten und abhängig vom Präparat und dessen Anwendung Larven nach der Erstbehandlung nachschlüpfen können, muss innerhalb eines bestimmten Zeitfensters das Prozedere mit dem Kopflausmittel wiederholt werden. Was die zweigleisige Therapie von Pedikulozid plus feuchtes Auskämmen angeht, empfiehlt das Robert-Koch-Institut folgendes Vorgehen:

  • Tag 1: Mit einem Kopflausmittel behandeln und anschließend nass auskämmen.
  • Tag 5: Nass auskämmen, um früh nachgeschlüpfte Larven zu entfernen, bevor sie mobil sind.
  • Tag 8, 9 oder 10: Erneut mit dem Läusemittel behandeln, um spät geschlüpfte Larven zu erfassen.
  • Tag 13: Kontrolluntersuchung durch nasses Auskämmen.
  • Tag 17: Sicherheitshalber letzte Kontrolle durch nasses Auskämmen.

Besser physikalisch

Unter den topischen antiparasitären Mitteln lassen sich drei Wirkprinzipien unterscheiden: die physikalisch wirkenden Dimeticone, die neurotoxisch wirkenden Insektizide und die Pedikulozide auf pflanzlicher Basis.

Mittel der Wahl gegen Kopfläuse weltweit sind seit geraumer Zeit die Dimeticone, also farblose polymere Verbindungen aus Silicium und Sauerstoff. Da Dimeticone biochemisch inert sind und nach oraler Aufnahme oder Applikation auf die Haut nicht resorbiert werden, gelten sie als sicher untoxisch (wie Nyda® Pumpspray, Etopril®, Dimet 20, Jacutin Pedicul Fluid, Hedrin®).

Dimeticone haben gute Kriech- und Spreiteigenschaften und breiten sich rasch über kleinste Oberflächen aus. Sie kriechen über die Chitinhülle der Laus, dringen in das Atemwegssystem des Parasiten ein, verdrängen den Sauerstoff und führen innerhalb von Minuten zu einem akuten Sauerstoffmangel. Der Parasit erstickt innerhalb kürzester Zeit. Und noch effektiver: Für NYDA® und Jacutin® Pedicul Fluid ist in In-vitro-Studien eine hohe ovizide, also eiabtötende Wirkung belegt. Da diese Dimeticone nachweislich eine hohe Wirkung gegen Läuse und Eier haben, brauchen sie nur einmal angewendet werden, heißt im DGKJ-Ratgeber. Das erleichtert die Anwendung.

Der rasche Wirkungseintritt und das physikalische Wirkprinzip machen eine Resistenzentwicklung unter den verschiedensten Parasitenpopulationen unwahrscheinlich. Ganz im Gegensatz zu den ehemaligen Verordnungsklassikern gegen Kopfläuse, die Insektizide. Der massenhafte Einsatz dieser neurotoxisch wirkenden Pedikulozide hat weltweit zur Entwicklung resistenter Parasitenpopulationen geführt, was die Wirksamkeit extrem reduziert.

Diese Antiläuse-Präparate auf der Basis von Organophosphaten wie Malathion (Infectopedicul® Malathion), Pyrethrum als Extrakt der Chrysanthemenblüte oder Permethrin (wie Infectopedicul®) und Allethrin (wie Jacutin® Pedicul Spray) als synthetische Pyrethroide stehen heute nur noch in zweiter Reihe der Therapieoptionen, da wirksame und sicher untoxische Alternativen zur Verfügung stehen. Seit etwa einem Jahr ist Permethrin bei Schwangeren mit Kopflausbefall nur noch als Reservemittel auf Anweisung des Arztes einzusetzen. Hintergrund ist ein mögliches kanzerogenes Risiko für das ungeborene Kind. Permethrin steht unter Verdacht, bei Kindern, die im Mutterleib mit dieser Substanz in Kontakt gekommen sind, das Risiko für Multiple Myelome und Leukämien zu erhöhen.

Ohnehin sind Pedikulozide außerdem nicht bei Kindern unter zwei Jahren, bei intensivem Befall und bei stark aufgekratzter, infizierter oder entzündeter Kopfhaut abzugeben, dann ist an den Arzt zu verweisen.

Auch die dritte Gruppe unter den Pedikuloziden, Präparate auf pflanzlicher Basis, sind keine verlässliche Alternative zu den Dimeticonen. Sie enthalten ätherische Öle, mit oder ohne pflanzlichen Fettsäuren (wie Andirobabaum-, Soja-, Ylang Ylang-, Raps- oder Kokosöl in Rausch Laus-Stop, mosquito® med Shampoo oder Neembaumsamenextrakt in Licener®). Laien stufen sie mitunter als vermeintlich unbedenklich ein. Dem sollten PTA widersprechen, denn zahlreiche ätherische Öle haben ein allergenes und hautirritierende Potenzial.

Eine Sonderstellung nimmt das pflanzliche Öl des Neembaumsamenextrakts ein. Es wirkt auch physikalisch, indem sie die Sauerstoffdiffusion unterbrechen. Damit wirkt es nachweislich pedikulozid und ovizid.  Die von einigen Herstellern propagierte Anwendung als vorbeugendes Repellent ist nicht durch Studien belegt. 

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