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Hämorrhoidalleiden

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Eine ganze Reihe von Erkrankungen kann Beschwerden in der Analregion verursachen. Betroffene sprechen dann meist von Hämorrhoiden, doch sie können sich irren. Um die Erkrankung sicher zu diagnostizieren, ist ein Besuch beim Arzt unumgänglich.
Annette Immel-Sehr
08.02.2019  18:40 Uhr

Ein Hämorrhoidalleiden löst bei den Betroffenen meist einen gehörigen Schreck aus. Denn das erste Zeichen ist oft leuchtend rotes Blut, das nach der Analreinigung am Toilettenpapier haftet oder dem Stuhl aufliegt. Wenn der erste Schreck verkraftet ist, suchen Betroffene meist diskret Rat in der Apotheke. Sie vermuten, »Hämorrhoiden« zu haben und wünschen sich eine einfache, schnelle Behandlung. Korrekt muss es eigentlich »Hämorrhoidalleiden« heißen, denn Hämorrhoiden selbst sind keine Erkrankung, sondern der Fachbegriff für das Schwellkörpersystem, das dem Feinabdichten des Darms nach außen dient. Diese Schwellkörper befinden sich wie Polster ringförmig im Analkanal oberhalb des Schließmuskels und bestehen aus Blutgefäßen. Genau genommen hat also jeder Mensch Hämorrhoiden. Da sich der Begriff allerdings als Krankheitsbezeichnung eingebürgert hat, wird er nachfolgend verwendet.

Bei rund 70 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland tritt im Laufe des Lebens vorübergehend oder dauerhaft eine Störung dieses Schwellkörpersystems auf. Zwar ist die Neigung, Hämorrhoiden zu entwickeln, eine genetische Veranlagung. Doch ob diese schließlich zum Tragen kommt, wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst. Tägliches langdauerndes Sitzen, ballaststoffarme Ernährung, Übergewicht und Schwangerschaft sind Risikofaktoren – denn sie führen oft zu Obstipation. Das erforderliche starke Pressen beim Toilettengang erhöht den Druck auf die Hämorrhoiden. Staut sich dann Blut zurück, schwellen die Polster an und wölben sich vor. Das häufigste Symptom ist die anale Blutung beim Stuhlgang. Hinzu kommt oft ein »Nachschmieren«, da der Abschluss des Analkanals durch hineinragende Hämorrhoidalpolster nicht mehr gewährleistet ist. Dies kann Schleimhautreizung und Juckreiz mit sich bringen.

Am Anfang zum Proktologen

Wenn ein Kunde in der Apotheke nach einem Mittel gegen Hämorrhoiden fragt, so ist zunächst zu klären, ob die »Hämorrhoiden« ärztlich diagnostiziert wurden. Andernfalls sollte von einer Selbstmedikation abgeraten werden. Denn es ist für einen Betroffenen unmöglich, Hämorrhoiden selbst zu diagnostizieren. Dazu bedarf es einer proktologischen Untersuchung. Hämorrhoiden im Anfangsstadium sind nur im Proktoskop sichtbar. Die ärztliche Untersuchung ist vor allem deshalb so wichtig, weil das helle Blut, das der Patient bemerkt, auch von einem Tumor im Enddarm stammen könnte. Dies ist zu allererst auszuschließen. In den allermeisten Fällen rührt das Blut auf dem Stuhl aber nicht von Krebs, sondern von einer harmlosen Analerkrankung oder von einem geplatzten Divertikel im Dickdarm. Divertikel sind kleine bläschenförmige, gutartige Ausstülpungen, die bei vielen Menschen unbemerkt vorkommen und in seltenen Fällen platzen und bluten können. Dies ist in aller Regel harmlos. Auch Ekzeme, Pilze oder Infektionen mit Herpes oder humanen Papillomaviren (HPV) können Beschwerden am Anus hervorrufen und sollten fachgerecht diagnostiziert werden.

Stadiengerecht behandeln

Mediziner unterscheiden vier Krankheitsstadien bei Hämorrhoiden (siehe Kasten). Im Anfangsstadium ist eine Selbstmedikation mit Suppositorien oder Salben gut möglich. Die Präparate beinhalten adstringierende Wirkstoffe wie Bismutgallat, Hamamelisextrakt oder Tannin oder wirken entzündungshemmend mit Kamillenextrakt oder Panthenol. Die Lokalanästhetika Lidocain und Quinisocain nehmen sehr zeitnah den Schmerz und den Juckreiz. Eine Linderung bringen zudem Präparate, die das Herausgleiten des Stuhls erleichtern, indem sie den Mastdarm und Darmausgang mit einer Fettschicht überziehen. Dies schützt die Analschleimhaut vor Rissen und beugt Juckreiz vor.

Topische Zubereitungen werden mehrmals täglich auf die gereizten Stellen aufgebracht. Suppositorien sollen möglichst nach dem Stuhlgang nicht zu tief eingeführt werden. Bei Hämorrhoidensalben ist es wichtig, dass die Tube mit einem entsprechenden Ansatzrohr versehen ist. Nur so kann die Salbe direkt an Ort und Stelle platziert werden. Auch die sogenannten Anal- oder Rektaltampons ermöglichen eine Behandlung direkt an den Schwellkörpern. Sie sollen einige Stunden im Darm verbleiben, um die Wirkstoffe über längere Zeit freizusetzen. Ihre Anwendung empfiehlt sich morgens nach dem Stuhlgang und abends vor dem Einschlafen. Der integrierte Mullstreifen dient dazu, Schleim und Blut aufzunehmen und wird später entsorgt. Eine gute Empfehlung für viele Patienten sind auch Analvorlagen. Sie nehmen gelegentlich abgehenden Schleim auf und schützen die Wäsche vor Nässe und austretendem Hämorrhoidenmittel. Der Patient legt die Vorlagen in die Analfalte.

Beckenboden trainieren

Im Beratungsgespräch können PTA und Apotheker dem Patienten noch einige Tipps mitgeben. So sollte er auf eine ballaststoffreiche Ernährung achten. Ballaststoffe, auch in Form von Flohsamenschalen, machen den Stuhl weicher und erhöhen das Stuhlgewicht. Dadurch dehnt sich der Analkanals, ohne dass starkes Pressen nötig ist. Auch ein leichtes Abführmittel kann den Stuhlgang erleichtern. Regelmäßige Beckenbodengymnastik trägt dazu bei, Stauungen zu vermeiden. Entsprechende Übungen finden die Patienten im Internet. Wichtig ist auch, langdauerndes Sitzen zu vermeiden und regelmäßig viel zu gehen.

Alternativ zur Selbstmedikation kann der Arzt vorschlagen, eine Verödung oder Ligatur durchzuführen. Bei der Verödung injiziert der Arzt ein Verödungsmittel in die Hämorrhoidalknoten. In der Folge schrumpfen die behandelten Polster und können sich wieder in den Enddarm zurückziehen. Bei der Ligatur arbeitet der Arzt mit einem Gummiband, mit dem er die Hämorrhoiden abbindet. Dadurch stirbt das Hämorrhoidalgewebe und fällt nach einigen Tagen ab. Sowohl die Verödung (Sklerosierung) als auch die Gummibandligatur sind schmerzfreie Behandlungsmethoden. Schreitet die Erkrankung voran (Phase 3 und 4) ist ein kleiner chirurgischer Eingriff oft unumgänglich. Dabei entfernt der Chirurg die erkrankten Hämorrhoiden vollständig.

Wie die Tabelle zeigt, gibt es eine Reihe von Analbeschwerden, die den Hämorrhoiden ähneln, aber eine andere Ursache haben. So können Schmerzen bei der Stuhlentleerung und leichte Blutungen auch auf einem Riss in der Analschleimhaut beruhen, der nicht ausheilt. Ärzte sprechen in diesem Fall von einer Analfissur. Oft ist harter Stuhl die Ursache. Eine ballaststoffreiche Ernährung oder milde Abführmittel können für einen weichen Stuhl sorgen und das Abheilen erleichtern.

Erkrankung Typische Beschwerden
Hämorrhoiden Blutung, Schmerzen, Brennen, Nässen, Juckreiz
Analfissur Schmerzen beim Stuhlabgang, manchmal stark und stechend
Analekzem Juckreiz, Brennen
Marisken Unter Umständen Juckreiz bei erschwerter Analhygiene
Perianale Venenthrombose Druck- und Spannungsgefühl am After, Schmerz, gelegentlich Juckreiz
Tabelle: Häufige Erkrankungen der Analregion

Wenn es am After juckt, kann dies auf einem Analekzem beruhen. Ein wichtiger Tipp für die Betroffenen ist es, die Analregion mindestens einmal täglich mit Wasser zu reinigen. Gerbstoffhaltige Sitzbäder sowie eine Behandlung mit einem Lokalanästhetikum können den Juckreiz lindern. Auch die Stuhlkonsistenz hat einen Einfluss auf die Beschwerden. Sowohl harter Stuhl als auch sehr dünner, breiiger Stuhl kann die Schleimhaut in der Analregion reizen. Wenn möglich, sollte versucht werden, durch eine Ernährungsumstellung die Stuhlkonsistenz zu normalisieren.

Marisken sind harmlose weiche Hautläppchen oder -falten im Analbereich. Sie sind schmerzfrei, können aber die Analhygiene erschweren und damit zu Juckreiz oder einem Analekzem führen.

Die sogenannten äußeren Hämorrhoiden sind kleine, bläulich-schwarze Schwellungen oder Knoten außerhalb des Schließmuskels. Mediziner bezeichnen sie als perianale Venenthrombose. Hierbei handelt es sich um eine gutartige Erkrankung aufgrund von Blutgerinnseln in den kleinen Analrandvenen. Sie kann nach langem Sitzen auf harter Unterlage oder auch nach starkem Pressen beim Stuhlgang entstehen. Die Erkrankung ist harmlos, aber mitunter sehr schmerzhaft und sollte ärztlich behandelt werden.

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