Verhornungsstörung der Haut |
Sichtbare Schuppen auf der Haut sind Leitsymptom der Ichthyose, daher auch der Begriff Fischschuppenkrankheit. / Foto: Getty Images / James Lucas / EyeEm
Ichthyosen sind eigentlich eine große Gruppe von Verhornungsstörungen, bei denen neue Hautzellen zu schnell gebildet oder alte Hornhautzellen zu spät abgestoßen werden. In beiden Fällen kommt es zu einem Überangebot von Hornzellen. Das führt dazu, dass sich Zellen übereinander schichten und sich die Hornschicht zunehmend verdickt. Eine derartig veränderte Hornschicht ist nicht in der Lage, ausreichend Wasser zu binden. Sie trocknet aus und reißt, wodurch das Leitsymptom der Ichthyose, sichtbare Schuppen, entstehen. Dazu können Hautrötungen oder Blasenbildungen kommen. Bei den meisten Patienten ist ein Großteil der Haut betroffen und viele leiden unter einer eingeschränkten Schweißbildung. Insbesondere bei hohen Außentemperaturen kann dies zu einem deutlichen Anstieg der Körpertemperatur und Kollapsneigung führen.
Die Gruppe der Ichthyosen umfasst fast 40 einzelne Erkrankungen. Mediziner unterteilen sie nach dem Auftreten der Symptome in zwei Gruppen. Bei den nicht-syndromalen Ichthyosen betreffen die Symptome nur die Haut. Kommt es zu einer Beteiligung weiterer Organe, liegt eine syndromale Ichthyose vor. Daneben gibt es eine Einteilung anhand des Erkrankungsbeginns. Bei den kongenitalen Ichthyosen bestehen die Symptome bereits bei der Geburt. Die nicht-kongenitalen Ichthyosen treten erst später in Erscheinung.
Die Ursache der Ichthyosen sind genetische Veränderungen. Die gesamte Gruppe zählt zu den seltenen Erkrankungen, die Häufigkeit des Auftretens einzelner Formen variiert allerdings stark. So gilt die häufigste Ichthyose, die Ichthyosis vulgaris, mit einem geschätzten Auftreten von 1:100 bis 1:250 sogar als häufigste erbliche Hauterkrankung. Sie wird durch einen Mangel des Proteins Filaggrin ausgelöst. Dieses besteht aus vielen Untereinheiten, die unter anderem für die Feuchtigkeit der Hornschicht verantwortlich sind.
Wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist, hängt von der Anzahl der Filaggrin-Mutationen ab. Mild Betroffene haben meist nur eine Mutation und berichten von geringen Beschwerden wie Juckreiz durch zu trockene Haut. Optisch ist die Erkrankung bei ihnen kaum sichtbar. Liegen mehrere Mutationen vor, bilden sich Schuppen, die weiß, grau oder dunkel gefärbt sein können. Besonders betroffen sind Arme und Beine, Gesicht und Rumpf zeigen weniger starke Symptome. Typisch für diese Form der Ichthyose ist, dass Ellenbeugen, Achseln, Leisten und Kniekehlen nicht betroffen sind. Die Poren an Oberarm und Oberschenkel verhornen, was beim Darüberstreichen ein Reibeisengefühl verursacht. Betroffene zeigen eine verstärkte Handlinienzeichnung, die von Ärzten als Ichthyosehand oder I-Hand bezeichnet wird, und auch bei weiteren Ichthyoseformen auftritt.
Alle anderen Ichthyosen sind wesentlich weniger verbreitet. Selbst die als häufig geltenden Formen wie die X-chromosomal rezessive Ichthyose, die autosomal rezessive kongenitale Ichthyose oder die epidermolytischen Ichthyosen kommen in der Gesamtbevölkerung sehr selten vor. Ihre Prävalenz liegt bei 1:4000, 1:60.000 und 1:200.000.
Die schwerste Form der Ichthyosen ist die Harlekin-Ichthyose. Diese sehr seltene Form (<1:1 Mio.) zeigt sich bei der Geburt durch einen dicken Hornpanzer, der durch das Austrocknen an der Luft tief einreißt. Stark betroffene Kinder versterben oft schon vor der Geburt oder in den ersten Lebenstagen, Frühgeburten sind häufig. Bei milderen Verläufen ist die Haut später von plattenartigen, zum Teil sehr dunklen Schuppen bedeckt, die einer intensiven Pflege bedürfen.
Ebenfalls bereits bei der Geburt fallen die sogenannten Kollodiumbabys auf. Ihre Haut ist von einer straffen Membran umgeben, die nach kurzer Zeit aufreißt und sich ablöst. Betroffene Kinder werden intensivmedizinisch im Inkubator versorgt, um die Hautbarriere zu stärken, Flüssigkeitsverlusten, Infektionen und Sepsis vorzubeugen. In 10 Prozent der Fälle kommt es zu einer kompletten Abheilung der Symptome innerhalb der ersten Lebensmonate.
Die Therapie der Ichthyosen basiert hauptsächlich auf Erfahrungswerten, die in Behandlungszentren mit langjähriger Betreuung von Patienten gewonnen wurden. Das Therapieziel ist, Verhornungen und Schuppen zu lösen und die Haut geschmeidiger zu machen. Etabliert hat sich dafür eine Kombination aus Balneotherapie, lokaler und systemischer Therapie. Insbesondere bei Kindern wird zudem eine regelmäßige Physiotherapie und zum Teil auch Ergotherapie durchgeführt. Diese sollen die Verengung der Hautpartien über den Gelenken verhindern und Funktionseinschränkungen vorbeugen.
Eine rückfettende Lokaltherapie muss mehrmals täglich angewendet werden. / Foto: Shutterstock/Grinvalds
Mehrfach tägliches Baden reinigt die Haut, entfernt Salbenreste und lockert Schuppen. Verhornungen werden aufgeweicht und können anschließend mechanisch entfernt werden. Bewährte Produkte dafür sind etwa Bimssteine, Waschhandschuhe in unterschiedlichen Rauhigkeitsstufen und für empfindliche Areale Mikrofasertücher. Je nach Befund wird die mechanische Entfernung der Schuppen einmal täglich bis einmal wöchentlich durchgeführt. Ein schwer betroffener Patient benötigt für die Ganzkörpertherapie im Durchschnitt 60 bis 90 Minuten. Ergänzend empfehlen Experten den Aufenthalt in einer Dampfsauna, die im Idealfall zu Hause installiert wird. Aufgrund der verminderten Schwitzfähigkeit muss die Sauna auf kühlere Temperaturen eingestellt werden.
Nach dem Wasserkontakt erfolgt eine rückfettende Lokaltherapie, die mehrmals täglich wiederholt werden kann. Zusätzliche keratolytische Inhaltsstoffe ergänzen die mechanische Schuppenentfernung. Je nach Alter und Dicke der Schuppung werden Harnstoff, Glycerin, Milchsäure, Polyethylenglykol oder Retinoide eingesetzt. Säuglinge und Kleinkinder werden sechs bis acht Mal täglich mit wirkstofffreien Externa eingecremt.
Der einzige zugelassene Wirkstoff zur systemischen Behandlung ist das Retinoid Acitretin, das auch bei der Schuppenflechte angewandt wird. Es hemmt die Verhornung und reguliert die Neubildung von Hautzellen. Das Hautbild verbessert sich deutlich, ein vollständiger Verzicht auf die Lokaltherapie ist jedoch bei den meisten Patienten nicht möglich. Dazu kommen Nebenwirkungen wie Trockenheit von Lippen, Mund- und Nasenschleimhaut, Hautverdünnung, Haarausfall, Nagelwachstumsstörungen und Nagelwallentzündungen, Bindehautentzündung, Anstieg der Blutfettwerte und Veränderungen im Knochensystem. Frauen sollten unter der Therapie zuverlässig verhüten, da der Wirkstoff zu Fehlbildungen bei Ungeborenen führen kann.
Die meisten Ichthyoseformen lassen sich heute mit einer genetischen Untersuchung nachweisen. Um eingrenzen zu können, nach welchen Genen gesucht werden soll, werden vorab oft noch weitere Untersuchungen durchgeführt. Dazu gehört eine klinische Untersuchung, eine feingewebliche Untersuchung und die genaue Erhebung des Hautzustandes.
Wird die Diagnose Ichthyose bestätigt, empfehlen Experten eine humangenetische Beratung, um Fragen zur Vererbung und zum Wiederholungsrisiko zu klären. Bei schwerwiegenden Ichthyoseformen besteht in nachfolgenden Schwangerschaften die Möglichkeit zur pränatalen Diagnostik.
Die Diagnose bei ihrem Kind ist für Eltern mit einer extremen emotionalen Belastung verbunden. Der Verlust der Gesundheit des Kindes kann mit Trauer und Schuldgefühlen einhergehen, die aufgearbeitet werden müssen, um dem Alltag mit einem chronisch kranken Kind meistern zu können. Die zeitintensive Pflege und der Umgang mit dem sozialen Umfeld stellen die Familienmitglieder vor Herausforderungen. Die Betreuung durch Sozialpädagogen und Psychologen kann helfen, ebenso der Kontakt zu anderen betroffenen Familien.