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Die 50-Prozent-Regelung

Verordnungen zur künstlichen Befruchtung bearbeiten

Paare, die eine künstliche Befruchtung durchführen lassen, werden unter bestimmten Bedingungen finanziell von ihrer Krankenkasse unterstützt. PTA und Apotheker erkennen Rezepte, die im Rahmen der künstlichen Befruchtung ausgestellt werden, an einem Vermerk und bedrucken es mit einer Sonder-PZN.
Juliane Brüggen
06.08.2021  12:00 Uhr

Eine künstliche Befruchtung, auch assistierte Reproduktion (ART) genannt, ist häufig langwierig und belastend. Ein Erfolg ist nicht garantiert: Die Lebendgeburtenrate liegt bei 15 bis 20 Prozent. Hinzu kommen hohe Kosten für die Behandlung.

Eine komplette Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gibt es nicht – unter bestimmten Bedingungen übernehmen Krankenkassen aber zumindest die Hälfte der Kosten. Das pharmazeutische Personal erkennt ein entsprechendes Rezept daran, dass der Arzt den Paragrafen 27a SGB V oder einen sonstigen Hinweis auf die künstliche Befruchtung vermerkt hat.

Hätten Sie’s gewusst?

Dass Krankenkassen sich an den Kosten für „Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft“ beteiligen, geht auf § 27a Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) zurück. Für die Teil-Erstattung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Ein Arzt hat die Unfruchtbarkeit festgestellt.
  • Es besteht eine „hinreichende Aussicht“, dass die Maßnahmen zu einer Schwangerschaft führen. Nach drei erfolglosen Versuchen ist dies laut SGB V nicht mehr gegeben.
  • Die Personen sind miteinander verheiratet und es werden nur Ei- und Samenzellen der Eheleute verwendet. Sie sind außerdem mindestens 25 Jahre alt, die Frau darf höchstens 39 Jahre, der Mann höchstens 49 Jahre alt sein.
  • Eine Beratung durch einen Arzt, der die Behandlung nicht selbst übernimmt, hat stattgefunden und dieser hat das Ehepaar an eine Einrichtung überwiesen, die künstliche Befruchtungen gemäß § 121a SGB V durchführt.

Weitere Details finden sich in den Richtlinien über künstliche Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Hier ist zum Beispiel festgelegt, über wie viele Behandlungszyklen die anteilige Erstattung möglich ist (je nach Methode der künstlichen Befruchtung).

Sind alle Voraussetzungen erfüllt und hat die Krankenkasse einen vorgelegten Behandlungsplan genehmigt, werden 50 Prozent der Kosten erstattet.

Gut zu wissen: Manche Krankenkassen bieten ihren Versicherten über die Regelung in § 27a SGB V hinaus freiwillige Mehrleistungen bei einer künstlichen Befruchtung an. Darüber hinaus besteht je nach Bundesland die Möglichkeit, weitere finanzielle Unterstützung über Bund und Länder zu erhalten – auch für unverheiratete Paare. Wie die Förderung im jeweiligen Bundesland aussieht, können Paare im Förder-Check prüfen.

Vermerk »§ 27a«

Damit die abgebende Person in der Apotheke weiß, dass die 50-Prozent-Regelung greift, vermerkt der Arzt zum Beispiel »§ 27a SGB V« oder »künstliche Befruchtung« auf dem Rezept (siehe Rezeptabbildung). Die Apotheke bedruckt das Rezept dann mit der Sonder-PZN 09999643. Die Patientin beziehungsweise der Patient zahlt die Hälfte des Preises, wobei keine gesetzliche Zuzahlung anfällt. Handelt es sich um ein Präparat mit Mehrkosten (= Preis über dem Festbetrag), übernimmt die Krankenkasse nur die Hälfte des Festbetrages. Die Mehrkosten tragen Patientin oder Patient selbst.

Was tun, wenn der Vermerk fehlt?

Ist ein Arzneimittel mit Indikation zur künstlichen Befruchtung verordnet, aber kein Vermerk auf dem Rezept zu finden, rechnet die Apotheke das Rezept in der Regel wie ein übliches Kassenrezept ab. Die Wirkstoffe sind teils zur Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen oder werden off label in anderen Indikationen eingesetzt. PTA und Apotheker müssen die zugrundeliegende Indikation nicht hinterfragen – das fällt in den Verantwortungsbereich des Arztes.

Es gibt jedoch Ausnahmen: In Arzneilieferverträgen der Primärkassen kann je nach Bundesland eine Prüfpflicht der Apotheke vereinbart sein. Bei Ersatzkassen (BARMER, DAK-Gesundheit, HEK, hkk, KKH und TK) ist hingegen aktuell keine Prüfpflicht im Vertrag zu finden.

Unabhängig davon sollte eine Unklarheit in Rücksprache mit dem Arzt geklärt werden, wenn offensichtlich ist, dass es sich um eine Verordnung im Rahmen der künstlichen Befruchtung handelt, zum Beispiel, weil es im Gespräch auffällt oder ein Kinderwunschzentrum im Arztstempel steht. Dann kann der Hinweis gegebenenfalls ergänzt und das Rezept richtig abgerechnet werden.

Typische Wirkstoffe

Auf den Rezepten sind häufig hormonell wirksame Arzneimittel verordnet, die bei Frauen beispielsweise die Entwicklung der Follikel stimulieren. Typische Wirkstoffe mit ihrer Wirkung im Rahmen einer ART sind:

  • Follitropin alfa oder Follitropin beta (rekombinantes follikelstimulierendes Hormon FSH; Entwicklung reifer Graafscher Follikel)
  • Corifollitropin alfa (lang wirkendes Follikelstimulans; wirkt wie rekombinantes FSH mit verlängerter Dauer der FSH-Aktivität)
  • Progesteron (Gelbkörperhormon; Unterstützung der Lutealfunktion)
  • Choriongonadotropin (hCG; Schwangerschaftshormon; Auslösung der abschließenden Follikelreifung und Luteinisierung nach Stimulation des Follikelwachstums) oder Choriogonadotropin alfa (rekombinantes Choriongonadotropin)
  • Clomifen (synthetischer Wirkstoff, der zu einer vermehrten Ausschüttung von hypophysären Gonadotropinen führt; Auslösung des Eisprungs)
  • Cetrorelix (Antagonist des Luteinisierungshormon-Releasing-Hormons LHRH; Verhinderung eines vorzeitigen Eisprungs)
  • Ganirelix (Antagonist des Gonadotropin-Releasing-Hormons GnRH; Vermeidung eines vorzeitigen LH-Anstieges)
  • Menotropin (FSH + LH; kontrollierte ovarielle Hyperstimulation zur Entwicklung multipler Follikel)
  • Nafarelin (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analogon; Desensibilisierung und Down-Regulation der hypophysär-gonadalen Achse in Vorbereitung auf die Ovulationsauslösung in Verbindung mit einer kontrollierten ovariellen Stimulation)
  • Triptorelin (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analogon; Verhütung vorzeitiger LH-Anstiege)

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