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Wegen Corona-Krise

Versorgung von Diabetikern gefährdet

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) warnt davor, dass Notfallsituationen wie schwere Unterzuckerungen, eine diabetische Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) oder ein unbehandelter diabetischer Fuß bei Diabetikern zurzeit zu spät identifiziert werden könnten. Der Grund liegt in den Umstellungen in der klinischen Versorgung zugunsten infektiologischer Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie.
Isabel Weinert
20.04.2020  11:48 Uhr

Dies könne zu einer gefährlichen Unterversorgung von chronisch Erkrankten und Personen mit akuten Beschwerden führen, so die DDG in einer Pressemitteilung. So bemerken Ärzte aus der Endokrinologie und Diabetologie einen starken Rückgang der Patientenzahlen in Praxen, Ambulanzen und Notambulanzen. Mancherorts seien Diabetesabteilungen sogar geschlossen worden, um vermehrt Patienten mit Covid-19 versorgen zu können.

»Der gesundheitspolitische Fokus hat sich in den vergangenen Wochen so sehr auf die Covid-19-Patienten gerichtet, dass nun chronisch und akut Erkrankte Gefahr laufen, unter die Räder zu geraten«, mahnt DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer. »Die öffentliche Verunsicherung ist groß. Viele Menschen nehmen wichtige Arzttermine nicht mehr wahr oder bleiben bei akuten Beschwerden zu Hause – aus Rücksicht auf das Gesundheitssystem, aufgrund falsch verstandener Ausgangsbeschränkungen oder aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus«, so die Ärztliche Direktorin des Zentrums für Innere Medizin I am Marienhospital in Stuttgart. Insbesondere Menschen mit schlecht eingestelltem Diabetes und Diabetes-Folgeerkrankungen wie Herzkreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Polyneuropathie und Gefäßerkrankungen hätten bei Infektionskrankheiten einen schwereren Krankheitsverlauf als solche ohne Diabetes.

Arzt aufsuchen statt abwarten

Damit auch Menschen mit Diabetes gut durch die Corona-Pandemie kommen, sei es jetzt besonders wichtig, dass sie eine leitliniengerechte Therapie hinsichtlich ihrer Stoffwechseleinstellung und ihrer Folgeerkrankungen erhielten. »Als Endokrinologin mache ich mir zudem Sorgen um Menschen mit Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen, da diese besonders schnell im Rahmen von Infektionserkrankungen in lebensbedrohliche Notfallsituationen wie etwa eine Addison-Krise gelangen können«, führt Kellerer aus. Morbus Addison-Patienten erleiden in diesem Fall schwere Kreislaufstörungen, die bis zum Koma führen können. »Zwar sind insbesondere im internistischen Bereich noch Ressourcen durch schwere Covid-19-Fälle gebunden. Doch wir halten weiterhin ausreichend Kapazitäten vor, Patienten mit anderen internistischen Erkrankungen und Beschwerden effektiv zu versorgen«, ermuntert Kellerer. Sie fordert dazu auf, Krankheitssymptome ernst zu nehmen. Insbesondere mehrfach erkrankte Diabetespatienten sollten bei schlechten Blutzuckerwerten oder Veränderungen des Gesundheitszustandes umgehend ärztliche Hilfe ersuchen.

Denn ein unzureichend kontrollierter Diabetes kann schwere gesundheitliche Folgen haben. »Liegt beispielsweise der HbA1c-Wert über einen längeren Zeitraum nur etwa zwei Prozentpunkte über dem Therapieziel, steigt das Risiko für Folgeerkrankungen erheblich an«, warnt DDG Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. Umgekehrt stellen schwere Hypoglykämien für Diabetespatienten eine unterschätzte akute Gefahr dar. Durch eine Ketoazidose könne der Betroffene ins Koma fallen. Eine zunächst harmlos aussehende Infektion am Fuß könnte bei Verschleppung der Behandlung eine spätere Amputation zur Folge haben. Deshalb sei eine umsichtige Rückkehr zu einer gewissen Normalität in der Patientenversorgung geboten.

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