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Vier Neulinge im September

Drei innovative Medikamente zum Einsatz bei seltenen Erkrankungen kamen Anfang September in den Handel. Hinzu kommt ein weiterer Antikörper zur Migräneprophylaxe.
Sven Siebenand
22.09.2022  12:00 Uhr

Bei dem Antikörper handelt es sich um Eptinezumab (Vyepti®, Lundbeck). Er blockiert die Wirkung des Neuropeptids Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP), das an der Entstehung eines Migräneanfalls beteiligt ist. Wie die bereits länger verfügbaren Antikörper Galcanezumab und Fremanezumab bindet auch Eptinezumab direkt an CGRP und blockiert so dessen Funktion im Körper.

Eptinezumab darf wie auch die anderen Wirkstoffe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zur Prophylaxe zum Einsatz kommen. Im Unterschied zu den drei anderen wird Eptinezumab nicht subkutan, sondern intravenös verabreicht. Die empfohlene Dosis sind 100 mg alle zwölf Wochen.

Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren in Studien Nasopharyngitis und Überempfindlichkeitsreaktionen. Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung, etwa Hypertonie, wurden von den klinischen Studien ausgeschlossen. Es liegen keine Daten zur Sicherheit bei diesen Patienten vor.

Aus Vorsichtsgründen soll die Gabe von Vyepti während der Schwangerschaft vermieden werden. In den ersten Tagen nach der Geburt wird stillenden Müttern nicht zu einer Eptinezumab-Therapie geraten. Falls es erforderlich ist, kann der Arzt danach die Behandlung in der Stillzeit in Betracht ziehen.

Bei Myasthenia gravis

Bei der generalisierten Myasthenia gravis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zu einer stark beeinträchtigenden und potenziell lebensbedrohlichen Muskelschwäche führt. Bei den meisten Betroffenen lassen sich IgG-Autoantikörper gegen den Acetylcholinrezeptor nachweisen.

Zusätzlich zur Standardbehandlung mit Acetylcholinesterase-Inhibitoren darf das neue Immunsuppressivum Efgartigimod alfa (Vyvgart®, Argenx) bei erwachsenen Patienten eingesetzt werden. Efgartigimod alfa ist ein Fragment des menschlichen IgG1-Antikörpers mit hoher Affinität für den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn). Dieser Rezeptor schützt IgG-Antikörper vor dem lysosomalen Abbau und erhöht so ihre Halbwertszeit im Körper. Dadurch, dass Efgartigimod alfa mit so hoher Affinität an FcRn bindet, können andere IgG-Antikörper dort nicht mehr binden. Sie werden damit schneller abgebaut, unter anderem auch die pathogenen IgG-Autoantikörper, die bei Myasthenia gravis eine Rolle spielen. Wichtig: Die Spiegel anderer Immunglobuline werden durch den Wirkstoff nicht beeinflusst.

Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg/kg als einstündige intravenöse Infusion einmal wöchentlich über vier Wochen. Weitere Behandlungszyklen sind der klinischen Beurteilung entsprechend durchzuführen.

Da Efgartigimod alfa eine vorübergehende Verringerung des IgG-Spiegels verursacht, kann sich das Infektionsrisiko erhöhen. Die häufigsten in Studien beobachteten Infektionen waren Infektionen der oberen Atemwege und Harnwegsinfektionen. Patienten sollten während der Behandlung auf Symptome von Infektionen überwacht werden. Bei Patienten mit einer aktiven Infektion sollte das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Fortsetzung oder Unterbrechung der Behandlung mit Efgartigimod alfa berücksichtigt werden. Die Behandlung schwangerer oder stillender Frauen mit Vyvgart sollte der Arzt nur in Erwägung ziehen, wenn der klinische Nutzen die Risiken überwiegt.

CAR-T-Zellen gegen Lymphome

Mit Lisocabtagen maraleucel (Breyanzi®, Bristol-Myers Squibb) kam ein weiteres CAR-T-Zelltherapeutikum auf den deutschen Markt. Es ist indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom, primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom und follikulärem Lymphom Grad 3B nach zwei oder mehr systemischen Vortherapien.

Bei einer CAR-T-Zelltherapie werden dem Patienten T-Zellen entnommen. Im Labor werden diese dann genetisch so verändert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) tragen. Diese Zellen werden dem Patienten zurückinfundiert. Im Körper attackieren sie dann jene Zellen mit dem Oberflächenmerkmal, gegen das der CAR gerichtet ist. Im Falle von Breyanzi ist dies das Merkmal CD19 auf B-Lymphozyten. Bindet eine den CAR tragende T-Zelle an eine CD19-exprimierende Zelle, aktivieren kostimulierende Domänen nachgeschaltete Signalkaskaden. Letztlich wird die Krebszelle abgetötet.

Die Gabe von Breyanzi erfolgt als einmalige Infusion. Vorher erhält der Patient eine kurze Chemotherapie, um die vorhandenen weißen Blutkörperchen abzutöten. Wie bei anderen CAR-T-Zelltherapeutika besteht auch bei Breyanzi das Risiko eines potenziell lebensbedrohlichen Zytokinsturms. Dieser kann mit dem Interleukin-6-Rezeptorantagonisten Tocilizumab behandelt werden. Tocilizumab (oder eine geeignete Alternative, falls dieses nicht verfügbar ist) muss vorrätig sein beim Einsatz von Breyanzi. Weiter zählen Neutropenie, Anämie, Ermüdung und Thrombozytopenie zu den häufigsten Nebenwirkungen.

Birkenrinde zur Wundheilung

Epidermolysis bullosa (auch »Schmetterlingskrankheit«) ist eine seltene, genetische Hauterkrankung. Dabei werden Verbindungsstrukturen zwischen den Hautschichten nicht richtig ausgebildet oder fehlen komplett. Dadurch lösen sich die einzelnen Hautschichten leicht voneinander. Charakteristisch ist die Bildung von Blasen an der äußeren Haut des Körpers und den Schleimhäuten. Diese entstehen schon bei leichter Berührung oder in Stresssituationen. Eine kausale Therapie gibt es bisher nicht. Ein Schwerpunkt der Behandlung ist neben der Schmerzlinderung die Wundversorgung.

Ab dem Alter von sechs Monaten darf Filsuvez® von Amryt Pharmaceuticals zur Behandlung oberflächlicher Wunden im Zusammenhang mit dystropher und junktionaler Epidermolysis bullosa zum Einsatz kommen. Das Gel enthält einen Trockenextrakt aus Birkenrinde. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Man nimmt an, dass der Extrakt Entzündungsmediatoren moduliert und mit der Aktivierung intrazellulärer Signalwege verbunden ist, die an der Differenzierung und Migration von Keratinozyten sowie an Wundheilung und -verschluss beteiligt sind.

Das Gel sollte entweder etwa 1 mm dick direkt auf die Wundoberfläche aufgetragen und mit einer sterilen, nicht haftenden Wundauflage abgedeckt oder so auf die Wundauflage aufgetragen werden, dass das Gel Kontakt zur Wunde hat. Das Gel sollte dabei nicht sparsam und bei jedem Verbandwechsel erneut aufgetragen werden. Eingerieben werden sollte es aber auf keinen Fall.

Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Applikationsstelle, Wundinfektionen, Pruritus, Hautschmerzen und Überempfindlichkeitsreaktionen.

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