PTA-Forum online
Neue Bildungspläne

Vom PTA-Reformgesetz in die Praxis

Im November vergangenen Jahres hat die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) ihre Empfehlungen für einen PTA-Lehrplan nach dem PTA-Reformgesetz abgeschlossen. Nun werden die Empfehlungen in den einzelnen Bundesländern für die Praxis in den Schulen ausgearbeitet. Für Baden-Württemberg mit dabei: Sandra Barisch in ihrer Funktion als Lehrerin an einer PTA-Schule.
Isabel Weinert
12.05.2022  09:00 Uhr

PTA-Forum: Wer kümmert sich in Baden-Württemberg um die Erstellung der neuen Bildungspläne für PTA?

Barisch: In Baden-Württemberg läuft die PTA-Ausbildung unter der Führung des Kultusministeriums, das vorgibt, was enthalten sein muss. Das Kultusministerium hat das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) beauftragt, einen PTA-Lehrplan anhand des PTA-Reformgesetzes zu erstellen. Im Gesetz ist das zwar schon recht ausführlich formuliert, aber natürlich ist das noch kein Lehrplan. Um diesen – auch mit Hilfe der Empfehlungen der DPhG - umzusetzen, wurde an den PTA-Schulen in Baden-Württemberg nachgefragt, ob sich Lehrerinnen und Lehrer an dieser Arbeit beteiligen möchten. So entstanden für jedes Fach Arbeitsgruppen, bestehend aus Lehrkräften unterschiedlicher Schulen, die sich nun regelmäßig online treffen.

PTA-Forum: Können Sie die Empfehlungen der DPhG nahezu eins zu eins übernehmen?

Barisch: Wir halten uns inhaltlich eng an den Plan der DPhG, weil dieser mit geballtem Wissen von pharmazeutischen Lehrkräften aus ganz Deutschland aufwartet. Das schätzen wir sehr. Aber die Struktur des neuen Lehrplans ist in Baden-Württemberg eine völlig andere. Da geht es zum Beispiel auch darum, welche und wie viele Operatoren jeder Taxonomiestufe enthalten sein müssen.

PTA-Forum: Was bedeuten Operatoren und Taxonomiestufen in diesem Zusammenhang?

Barisch: Operatoren sind Verben, die das Anforderungsniveau an einen Lerninhalt beschreiben. Beispiele sind »erklären«, »vergleichen«, »wiedergeben« oder »zuordnen«. Eignes für den PTA-Lehrplan wurden uns zusätzliche Operatoren, die es in der allgemeinen Didaktik nicht gibt, zugebilligt, z. B. »beraten«, „kennzeichnen“ oder „herstellen“. Im Prinzip sind es Schlagwörter, was eine PTA mit irgendeinem Lehrplaninhalt können muss. Es geht darum, ob sie etwas nur wiedergeben, also auswendig lernen muss oder erklären oder beraten muss. Das heißt, ob sie ihr Wissen auch für andere Fragestellungen brauchen, also auch eine Transferleistung erbringen kann. Je nachdem ist das in unterschiedlich hohen Taxonomiestufen anzusiedeln. Taxonomiestufen sind Anforderungsbereiche, die Lernende erreichen können. Diese sichern das Erreichen des vorgesehenen Niveaus und die angemessene Erfüllung der durch das PTA-Reformgesetz vorgegebenen Wissensinhalte. Es gibt in unserem Fall drei Taxonomiestufen: Die erste lautet »Reproduktion«, das bedeutet, die einfache Wiedergabe von Inhalten. Die zweite Stufe heißt »Reorganisation« und bedeutet die Neustrukturierung und Neubewertung von erlerntem Wissen. Auf der letzten Taxonomiestufe geht es um Transfer und Bewertung, das heißt, auf das problembezogene Anwenden des erlernten Wissens auf komplexe Sachverhalte. Es wird dabei großer Wert darauf gelegt, dass jede der drei Stufen in einem angemessenen Maß in dem entsprechenden Fach vorhanden ist.

PTA-Forum: Welche Abweichungen vom DPhG-Vorschlag gibt es noch?

Barisch: Die Bezeichnung der Fächer ist ja im PTA-Reformgesetz vorgegeben und daher ebenso wie auch im DPhG-Vorschlag. Aber wir haben manche Inhalte in andere Fächer einsortiert. So kann man zum Beispiel die Beratung über Insulinpens im Fach Medizinproduktekunde bearbeiten oder bei Hinweisen zur Abgabe und genauso gut im Fach Galenik. Das weicht manchmal ein wenig ab. Aber im Endeffekt kommt es ja nur darauf an, dass der Stoff gelehrt wird.

PTA-Forum: Welchen zeitlichen Rahmen Sie sich gesetzt?

Barisch: Ich schätze, die einzelnen Arbeitsgruppen haben im April circa 80 Prozent der Arbeit geschafft. Ende Juni geben wir die Bildungsplan-Entwürfe aller Fächer ab und bekommen nach den Sommerferien Rückmeldung vom ZSL. Am 15. November geben wir die Bildungspläne final ab.

PTA-Forum: Erhalten die Lehrerinnen und Lehrer der PTA-Schulen für ihre Ausarbeitung des Lehrplans ein Entgelt?

Barisch: Für uns beteiligte Lehrer sind als Honorierung Anrechnungsstunden für dieses Engagement vorgesehen. Aber in einem solch geringen Umfang, dass das in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand steht. Das heißt, wir alle engagieren uns in unserer Freizeit aus intrinsischer Motivation, um den PTA-Beruf voran zu bringen und die PTA-Ausbildung für die Apothekenpraxis zu optimieren. Eine Wertschätzung durch eine angemessene Anzahl an Anrechnungsstunden hätte sicher noch viel mehr Lehrerinnen und Lehrer motiviert, sich am neuen Bildungsplan für Baden-Württemberg zu beteiligen.

PTA-Forum: Ist der fertige Lehrplan für alle Schulen in Baden-Württemberg bindend?

Barisch: Ja, der ist absolut rechtsverbindlich und muss genau so eingehalten werden. Deswegen war ja auch vom Kultusministerium wünschenswert, dass eine möglichst große Zahl an Lehrern zusammenkommt.

PTA-Forum: Was müssen die einzelnen Schulen noch machen, wenn sie ab 1. Januar 2023 die Lehrpläne vorliegen haben?

Barisch: Zunächst einmal bleibt ihnen genug Zeit für die weiteren Schritte, denn sie müssen ihren Unterricht ja erst bis September 2023 anpassen, also bis nach den Sommerferien, dann starten die neuen Klassen. Die PTA-Schülerinnen und –Schüler, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits schon in Ausbildung sind, betrifft das gar nicht.

PTA-Forum: Wie bereiten sich die PTA-Lehrkräfte auf neue Fächer beziehungsweise neue Fächerkonstellationen vor?

Barisch: In Baden-Württemberg finden in den einzelnen PTA-Schulen meist im Frühjahr die Deputatssitzungen für das kommende Schuljahr statt. Dort wird besprochen, wer welches Fach im nächsten Schuljahr unterrichtet. Diese Sitzungen sind schon jetzt immer spannend und werden mit dem neuen Lehrplan noch spannender, weil ja ganz neue Fächer hinzukommen, das heißt, es müssen komplett neue Unterlagen erstellt werden. Wer ein komplett neues Fach unterrichten soll, für den wird das zusätzlich eine Herausforderung. Zudem wurden manche Fächer verkürzt und für andere haben wir künftig mehr Zeit, etwa für Gesetzeskunde.

PTA-Forum: Haben die Lehrer dazu noch Lehrgänge oder Fortbildungen?

Barisch: Nein, bis jetzt ist da gar nichts angedacht. Es gibt keine inhaltlichen Fortbildungen, sondern man geht davon aus, dass Apotheker und Apothekerinnen das ohnehin alles wissen und somit auch unterrichten können.

PTA-Forum: Welche Veränderung durch das PTA-Reformgesetz abseits des neuen PTA-Lehrplans begrüßen Sie noch besonders?

Barisch: PTA dürfen künftig PTA-Praktikanten ausbilden, wenn sie eine entsprechende, auch pädagogische Zusatzausbildung haben. Das finde ich toll. Bislang durften das nur Apothekerinnen und Apotheker. Diese neue Möglichkeit wertet den PTA-Beruf noch einmal stark auf. Dieses Angebot gilt auch für PTA, die nach dem jetzt noch gültigen Lehrplan ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

PTA-Forum: Meinen Sie das könnte auch mit einer Verbesserung des Gehalts einhergehen?

Barisch: Ich würde es mir natürlich wünschen, entweder über das Gehalt oder über zusätzliche Urlaubstage oder sonstige Zusatz-Entgegenkommen, da gibt es ja sehr viele Möglichkeiten.

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