Von Aberglaube bis Gesundheitsschutz |
Mit einer Maske glaubten Mediziner, sich in Zeiten der Pest vor einer Ansteckung schützen zu können – damals leider ein Irrtum. / Foto: Imago/imagebroker
Ihren Ursprung haben Masken in rituellen und kultischen Handlungen. Bei vielen Volksgruppen dienten sie der spirituellen Verbindung mit den Göttern, der Natur oder dem Universum. Den Masken selbst kamen dabei magische Kräfte zu, die je nach Anlass gezielt eingesetzt wurden. So wurde an Wendepunkten des Lebens wie einer Geburt oder Hochzeit, bei Krankheiten oder Todesfällen gerne auf »Hilfsgeister« vertraut, die um Unterstützung für die Menschen baten. Bei der Aussaat oder Ernte hingegen waren es oft Naturkräfte, die durch Masken personifiziert wurden.
Die Herstellung der Masken erfolgte unter strengen rituellen Vorschriften, bei denen die Maske ihre besondere Kraftaufladung erhielt. Das Wissen dafür wurde in der Regel von Generation zu Generation weitergegeben. Manche Rituale endeten mit der Zerstörung der Maske, andere wurden gemeinsam mit der Funktion des Maskenträgers innerhalb der Familie weitervererbt.
Maskenträger zu sein, war weit mehr als regelmäßig in eine Verkleidung zu schlüpfen. Die Maske stellte als sogenanntes zweites Gesicht eine eigene Wesenseinheit mit magischer Kraft dar, in die sich der Träger durch das Aufsetzen der Maske verwandelte und auf die vertraut wurde. Maskenträgern kam deshalb auch außerhalb der Rituale eine besondere Stellung und Machtposition innerhalb der Gemeinschaft zu.
Aus der Kultur der rituellen Masken gingen schließlich auch die Totenmasken hervor, die vermutlich seit der Antike hergestellt wurden. Das möglichst genaue Abbild des Gesichts eines Verstobenen sollte an ihn erinnern, Unheil und Dämonen abwehren sowie dem umherirrenden Geist helfen, seinen Körper wiederzufinden. In manchen Kulturen sollte die Totenmaske den Hinterbliebenen zusätzlich Kraft und Magie schenken. Bei den Ägyptern hatten Totenmasken dagegen eine eher praktische Funktion. Sie sollten den Toten schützen und ihm ein würdiges Aussehen verleihen.
Für die Herstellung von Masken wurden ganz unterschiedliche Materialien verwendet. So sind etwa die derzeit ältesten bekannten Masken vollständig aus Stein gefertigt. Später kamen Stoffe, Pflanzen, Federn, Holz, Leder, Papyrus oder Metalle zum Einsatz. Masken aus Gold waren besondere Ausnahmeerscheinungen wie etwa bei der Totenmaske des ägyptischen Pharaos Tutanchamun.
Eine ganz andere Aufgabe als rituelle Masken und Totenmasken hatten die Theatermasken des antiken Griechenlands. Sie sollten sicherstellen, dass in den riesigen Theatern selbst die Zuschauer in der hintersten Reihe noch das Alter, den Stand und das Geschlecht der Figur ablesen konnten. Die Gesichtszüge wurden deshalb typischerweise überdeutlich dargestellt. Eine weitere Besonderheit der damaligen Zeit war, dass über Generationen hinweg ein fester Figurenstamm existierte, der lediglich immer wieder neue Abenteuer erlebte. Die Masken der einzelnen Figuren waren deshalb definiert und mussten bei jeder Aufführung gut wiederzuerkennen sein.
Erst im Laufe der Zeit wurden die Theatermasken dann dafür verwendet, Gefühle darzustellen. Noch heute gilt die lachende Maske als Symbol der Komödie, während die traurige Maske für die Tragödie steht. Im 16. Jahrhundert wurden schließlich Halbmasken populär, die den Schauspielern erlaubten, zumindest einen Teil ihrer Mimik einzusetzen. Weg von der Maske hin zum individuellen Spiel, wie wir es heute kennen, entwickelte sich das europäische Theater im 19. Jahrhundert. Im asiatischen Theater haben klassische Masken und maskenhafte Make-ups bis heute einen festen Platz.
Auch außerhalb des Theaters erfreuten sich Masken schon in früheren Zeiten rund um die Bräuche zur Fastnacht und den Jahreswechsel großer Beliebtheit. Im 17./18. Jahrhundert war die Begeisterung so groß, dass die Masken zum alljährlichen Modeutensil wurden. Der Adel veranstaltete Maskenbälle, um seinen Reichtum und seine Macht zu präsentieren. Gleichzeitig wurden die Bälle genutzt, um Standes- und Geschlechterschranken unerkannt zu übertreten. In der venezianischen Gesellschaft wurde dies schließlich auf die Spitze getrieben und die Maske rund um die Uhr getragen. Dies erfreute viele prominente Gäste, da sie die Stadt so unerkannt bereisen konnten. Gleichzeitig stieg jedoch auch die Zahl der Gewalt- und Straftaten stark an, sodass die Masken wieder aus dem Alltag verbannt wurden.
Einem ganz anderen Zweck dienten die Schandmasken, die im Mittelalter zur Bestrafung eingesetzt wurden. Schandmasken waren aus Metall gefertigt, in zahlreichen Ausführungen vorhanden und sollten das Vergehen des Bestraften symbolisieren. Wer sich zum Beispiel »wie ein Schwein« benommen hatte, musste einen eisernen Eberkopf tragen. Die Maske bot zusätzlich die Möglichkeit, die Zunge unbeweglich zu halten, sodass der Träger nicht mehr sprechen konnte. Ein ähnliches Vorgehen wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein in vielen Schulen praktiziert. Schüler, die sich nicht an die Regeln hielten, bekamen zur Bloßstellung und Bestrafung eine Kappe mit Eselsohren aufgesetzt.
Als sich im 14. Jahrhundert die Pest in Europa ausbreitete, waren die Menschen ihr schutzlos ausgeliefert. Hunderttausende starben, die Angst war dementsprechend groß. Gleichzeitig fehlte es an medizinischem Wissen, sodass verschiedene Theorien zur Erklärung der Seuche kursierten. Eine davon war der Glaube, dass die Krankheit durch den sogenannten »Pesthauch«, eine aus Osten kommende verdorbene Luft, ausgelöst werden würde. Um sich zu schützen, verbrannten die Menschen Kräuter und trugen Tücher vor dem Gesicht. Unter einigen Pestärzten verbreiteten sich die typischen Pestmasken, mit schnabelartiger Nase. Eine Filterwirkung hatten die Masken nicht. In die Nase wurden mit Essenzen getränkte Schwämme und Kräuter gelegt, welche die Atemluft reinigen sollten. Einige Masken waren zudem so konzipiert, dass sie Räucherrauch abgeben konnten, um den »Pesthauch« zu verdrängen. Da auch der Blick des Kranken für ansteckend gehalten wurde, wurden die Augenöffnungen der Maske zusätzlich mit Glas oder Kristall verschlossen.
Die erste filternde Maske wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts von Johann von Mikulicz-Radecki im Operationssaal benutzt. Seine Maske bestand aus einer Lage Mullbinde und sollte den Patienten vor den Keimen des Operateurs schützen. Nach und nach setzte sich das Tragen von Masken auch im Umgang mit infektiösen Patienten durch. Zum Einmalprodukt, das nach jedem Patientenkontakt, bei Beschmutzung oder Durchnässung gewechselt wird, wurde der Mund-Nasen-Schutz erst in den 1960er-Jahren. Der Gebrauch von FFP-Masken im Gesundheitswesen ist seit den 1990er-Jahren üblich.
In westlichen Gesellschaften war die Irritation zu Beginn der Coronapandemie groß. Ein Land nach dem anderen ordnete das Tragen von Masken an, mit dem sich viele Menschen zunächst nur schwer anfreunden konnten. Obwohl medizinische Masken die Identität des Trägers nicht verbergen, sondern vielmehr seine Verantwortungsbereitschaft symbolisieren, die Maßnahmen zum Schutz der eigenen Gesundheit und der seiner Mitmenschen mitzutragen, empfinden viele sie als Hemm- oder Störfaktor. Dies liegt daran, dass die Masken einen Großteil der Mimik verdecken, was in der Kommunikation als Einschränkung wahrgenommen wird. Zudem fungiert die Maske als stummer Hinweisgeber auf das Infektionsrisiko, erinnert an die Empfehlung Abstand zu halten und sorgt damit ein Stück weit für Isolation des Trägers.
In vielen asiatischen Ländern dagegen gehörte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bereits vor der Corona-Pandemie zum guten Ton. Warum eigentlich? Experten erklären dies mit einem Blick auf die Geschichte. Eine allgemeine Maskenpflicht für die Bevölkerung zu verhängen, ist nicht neu. Bereits 1918 wurde sie in San Francisco zum Schutz vor der Spanischen Grippe angeordnet. Andere Städte verhängten sie in öffentlichen Verkehrsmitteln. In der westlichen Welt wurden die Masken aufgrund ihrer negativen Wahrnehmung mit dem Ende der Pandemie so schnell wie möglich wieder aus dem Alltag verbannt, nicht so in Asien. Hier gab es nach der Spanischen Grippe weitere Epidemien zum Beispiel mit Masern, Pocken, Tuberkulose oder SARS, bei denen sich die Masken abermals als Schutzmaßnahme bewährten. Die Krankheitswellen fanden so häufig statt, dass das Tragen einer Maske das ganze Jahr über sinnvoll geworden war. Inzwischen sehen viele Menschen noch weitere Vorteile in den Masken. Sie schützen vor Pollen und Luftverschmutzung, die in vielen asiatischen Ländern problematisch sind, und bieten eine einfache Möglichkeit, Hautunreinheiten, Müdigkeit, Scham, fehlende Zeit für das Make-up oder eine Rasur unkompliziert zu verdecken.