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PMDS

Vor der Regel im seelischen Tief

Immer wieder Stimmungstiefs, Wutausbrüche, Ängstlichkeit: Wenn Frauen regelmäßig im seelischen Ausnahmezustand sind, könnte eine PMDS dahinterstecken.
Barbara Döring
26.09.2022  09:00 Uhr
Vor der Regel im seelischen Tief

Viele Frauen merken auch ohne Zykluskalender, wenn die Menstruation kurz bevorsteht. Sie haben in den Tagen vor der Periode mit Symptomen des prämenstruellen Syndroms (PMS) zu kämpfen: Bauchschmerzen, Brustspannen, das Gefühl, aufgedunsen zu sein. Auch die Laune ist oft im Keller. Manche Frauen fühlen sich jedoch regelrecht im Ausnahmezustand: Stimmungsschwankungen, Depressivität, Wut oder Ängstlichkeit sind bei ihnen so stark ausgeprägt, dass sie das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren. Die Rede ist von der prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS), der stärksten Form des PMS. Sie ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Schätzungsweise 3 bis 8 Prozent aller Frauen zwischen 20 und 50 Jahren sind betroffen. PTA-Forum hat zu diesem Thema die Expertise von Dr. Anke Rohde, Psychiaterin und Professorin für Gynäkologische Psychosomatik an der Universität Bonn, eingeholt. Sie hat mit zwei Kolleginnen, einer Psychotherapeutin und einer Gynäkologin in einem Ratgeber ihre Erfahrungen zusammengefasst (siehe Buchtipp).

Dysphorisch bedeutet so viel wie gereizt, missgestimmt oder angespannt. »Die psychischen Symptome stehen bei der PMDS im Vordergrund und ziehen sich oft über die gesamte zweite Zyklushälfte hinweg«, erklärt Rohde. Während Wut und Reizbarkeit im Vordergrund stehen, kommen körperliche Beschwerden nicht immer vor. Den Frauen ist oft nicht bewusst, dass ihre Beschwerden mit dem Menstruationszyklus zusammenhängen. Viele machen sich Sorgen, irgendwann völlig die Kontrolle zu verlieren und wissen nicht, an welchen Arzt sie sich wenden sollen.

Weitgehend unbekannt

Erst im Jahr 2000 wurde die PMDS in den USA als Störungsbild anerkannt. Im derzeit in Deutschland genutzten medizinischen Diagnosesystem ICD-10 sind noch keine Kriterien dafür enthalten. »Weder Frauenärzte noch Psychiater fühlen sich entsprechend zuständig für die Problematik«, sagt Rohde. In der Psychiatrie wird die PMDS oft anderen Störungen zugeordnet, in der Gynäkologie als »normale« PMS eingestuft. Das könnte sich ändern, wenn die im Januar 2022 international eingeführte ICD-11 in Deutschland vollständig übersetzt verfügbar ist. Die Kriterien der PMDS sind hier unter dem Begriff »Premenstrual Dysphoric Disorder« im Bereich gynäkologische Störungsbilder ergänzt.

Während der Begriff PMS weit gefasst ist und dafür keine verbindlichen Diagnosekriterien existieren, ist die PMDS klar umrissen. Für eine Diagnose gilt, dass in den letzten 12 Monaten bei der überwiegenden Zahl der Menstruationszyklen in der Woche vor Beginn der Periode mindestens fünf von elf definierten psychischen oder körperlichen Beschwerden aufgetreten sind und mindestens ein Leitsymptom bestand (siehe Kasten). Tritt die Menstruation ein, klingen die Symptome meist kurz danach ab.

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