Vor Reiseinfektionen schützen |
Fertig zur Abreise: Alles eingepackt, aber auch an nötige Impfungen gedacht? / Foto: Adobe Stock/tunedin
»Laut Berechnungen der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) werden im Jahr 2020 rund 1,4 Milliarden Menschen international reisen«, sagte Dr. Camilla Rothe, Abteilungsleiterin im Universitätsklinikum in München beim Pharmacon-Kongress in Schladming. Dabei seien europäische Regionen immer noch unter den Top 10 der bevorzugten Reiseziele. Aber auch Asien und Afrika würden zunehmend beliebter.
Infektiöse Reisekrankheiten könnten unter Umständen schnell lebensbedrohlich werden, mahnte Rothe und riet bei Fernreisen zu einer umfangreichen medizinischen Reisevorbereitung mit Impfungen und Beratung zur Malariaprophylaxe. Manche Reiseimpfungen wie Gelbfieber, Meningokokken und Polio seien bei Ein- oder Ausreise in bestimmte Länder vorgeschrieben, andere würden aufgrund des regionalen Infektionsrisikos von Expertengremien empfohlen. Welche Impfungen sinnvoll seien, müsse immer individuell und von der gesamten Reiseroute abhängig ausgewählt werden.
»Generell gilt: Impflücken bei Standardimpfungen sollten unabhängig vom Reiseziel geschlossen werden.« Dabei sei unbedingt darauf zu achten, ob das Impfschema vollständig eingehalten wurde. »Bei jedem dritten Patienten in unserer Sprechstunde ist der Masern-Impfschutz nicht ausreichend und wir müssen die zweite Dosis nachimpfen«, verdeutlichte Rothe.
Mit einer Inzidenz von etwa 1 Prozent zähle Influenza – anders als vielleicht erwartet – zu den häufigsten Reiseinfektionen. Aus reisemedizinischer Sicht müsse man mit ihr das ganze Jahr rechnen, so Rothe. Denn anders als auf der Nord- und Südhalbkugel, auf denen sich die Grippesaison komplementär verhielte, trete die Grippe in tropischen und subtropischen Gebieten das ganze Jahr über auf. Aus diesem Grund appellierte Rothe bei der Beratung von Reiserückkehrern aus solchen Ländern, bei plötzlich auftretendem Fieber auch an eine Influenza zu denken.
Ein weiteres Problem bei Reisen sind Tierbisse. Dabei können Krankheiten wie Tollwut übertragen werden. Rothe warnte deshalb vor einem zu engen Kontakt mit heimischen Tieren. Zwar sei die Zahl der Tollwut-Fälle vergleichsweise gering, aber »Tollwut ist immer noch nicht behandelbar und verläuft zu 100 Prozent tödlich«. Immunglobuline zur Postexpositionsprophylaxe von Tollwut sein zudem gerade in subtropischen Ländern sehr schlecht zugänglich.
Eine besondere Risikogruppe seien Reisende, die Familienangehörige und oder Freunde im Heimatland besuchen, so genannte »travellers visiting friends and relatives« (VFR), erklärte Rothe. Der Begriff schließt häufig auch Familienmitglieder mit ein, die zwar im Wohnsitzland geboren wurden (Ehepartner, Kinder), aber dennoch eine soziale und kulturelle Bindung zum Herkunftsland haben. VFR haben ein erhöhtes Risiko, an Reiseinfektionen zu erkranken, da sie die mit der Reise in ihr Heimatland verbundenen Risiken häufig nicht richtig erkennen beziehungsweise unterschätzen. Rothe appellierte, bei der Rückkehr besonders aufmerksam auf Infektionszeichen zu achten. Außerdem können PTA und Apotheker bei der Beratung für mögliche Infektionsrisiken sensibilisieren und auf die Option der medizinischen Reisevorbereitung hinweisen.
Rothe erinnerte daran, immer auf aktuelle Empfehlungen zurückzugreifen, da sich Risikogebiete ausbreiten und verändern können. So seien beispielsweise in Brasilien nach einer Gelfieber-Epidemie vor drei Jahren auch erstmals touristische Küstenregionen von einem erhöhten Infektionsrisiko betroffen gewesen. Generell fänden sich Gelbfieber-endemische Gebiete im Moment nur in Südamerika und Afrika. Asien sei zurzeit noch gelbfieberfrei, obwohl die Tigermücke, welche das Virus auf den Menschen überträgt, auch dort heimisch ist. Bislang hätten Wissenschaftler jedoch noch keine passende Erklärung für dieses Phänomen gefunden.
Hauptmaßnahme zur Vermeidung von Malaria-Infektionen stellt nach wie vor die Expositionsprophylaxe unter anderem mit Insektiziden und Repellentien dar. Sie senkt nicht nur das Risiko für Malaria, sondern schützt auch vor anderen durch Insektenstiche übertragbare Krankheiten. Unter den Repellentien hat Diethyltoluamid (DEET) in einer Konzentration von 30 bis 50 Prozent (zum Beispiel in Anti Brumm® Forte oder Nobite® Hautspray) die längste Wirkdauer (6 oder 12 Stunden) und ist somit besonders praktikabel: Es hat jedoch den Nachteil, einige Kunststoffe und Kunstfasern anzugreifen.
In Regionen mit hohem Malariarisiko ist nach wie vor eine zusätzliche medikamentöse Prophylaxe angezeigt. Ob diese auch für Gebiete mit geringem Risiko sinnvoll ist, ist von der dort vorhandenen medizinischen Versorgung abhängig. Eine Notfall-Selbstbehandlung ist nur noch in sehr abgelegen Gegenden, in denen bei ersten Krankheitssymptomen kein Arzt binnen 48 Stunden zu erreichen ist, indiziert.
In Deutschland stehen zurzeit drei Präparate zur Chemoprophylaxe zur Verfügung: Atovaquon/Proguanil (zum Beispiel Malarone®), Mefloquin (Lariam®, Import) und Doxycyclin (in Deutschland off-label-use). In den Vereinigten Staaten ist seit 2018 ein weiterer Wirkstoff (Tafenoquin) verfügbar, der sowohl zur Chemoprophylaxe als auch zur Behandlung der Malaria eingesetzt werden kann. In der Europäischen Union ist der Wirkstoff bisher noch nicht zugelassen.