Voxelotor verbessert die Therapie |
Sven Siebenand |
19.05.2022 15:30 Uhr |
Die Sichelzellanämie ist eine Erbkrankheit, bei der sich die roten Blutzellen sichelförmig verformen. / Foto: Adobe Stock/SciePro
Die Sichelzellkrankheit ist eine Erbkrankheit. Durch eine Mutation verändert sich eine Kette des Proteinkomplexes Hämoglobin. Dadurch kommt es zur Bildung von sogenanntem Sichelzell-Hämoglobin (Hämoglobin S, HbS). Solange eine gute Sauerstoffversorgung besteht, hat das keine Auswirkungen. Im deoxygenierten Zustand dagegen schon: Dann können sich mehrere HbS-Moleküle zu Polymeren verbinden. Die roten Blutkörperchen verändern in der Folge ihre Form und nehmen dann die Sichelform ein - was der Erkrankung ihren Namen gibt.
Die Sichelzellen können kleine Blutgefäße verstopfen und zu Durchblutungsstörungen führen. Ferner sind die Sichelzellen fragil und reißen schnell, was zur Hämolyse und Anämie führen kann. Aufgrund Letzterer spricht man auch von Sichelzellanämie. Der bessere Name ist aber Sichelzellkrankheit, da die Anämie nicht immer auftritt und auch nicht das Leitsymptom darstellt.
Betroffene Menschen haben eine deutlich verminderte Lebenserwartung. Welches Alter erzielt wird, hängt auch davon ab, wie gut die Gesundheitsversorgung ist. Vor allem in Afrika, wo die Sichelzellkrankheit deutlich verbreiteter ist, ist der Zugang zur Behandlung oft wesentlich schlechter. Und das wirkt sich bei vielen dort auf die Lebenserwartung aus. Die Anzahl betroffener Menschen in Deutschland wird auf 3000 geschätzt. Seit März 2021 ist die Sichelzellkrankheit Teil des Neugeborenenscreenings. Eine Heilung der Erkrankung ist mit einer Stammzelltransplantation möglich. Diese ist aber auch mit Risiken verbunden und nicht immer Mittel der ersten Wahl. Oft kommt bisher neben Schmerzmitteln der Arzneistoff Hydroxycarbamid in der Behandlung zum Einsatz.
Nun gibt es mit Voxelotor einen neuen Wirkstoff. Er ist zugelassen ab einem Alter von zwölf Jahren zur Behandlung von hämolytischer Anämie infolge Sichelzellkrankheit als Monotherapie oder in Kombination mit Hydroxycarbamid. Voxelotor ist ein HbS-Polymerisationshemmer. Das bedeutet, dass die Sichelbildung der roten Blutkörperchen verhindert werden kann, die Zellen weiterhin Sauerstoff transportieren können und anämische Auswirkungen reduziert werden. Die Hämoglobin-Werte der Betroffenen erhöhen sich also wieder. Dem Hersteller zufolge ist es das erste in Europa verfügbare orale Medikament, das die Polymerisation von Sichelzell-Hämoglobin direkt hemmt.
Die empfohlene Dosis sind 1500 mg einmal täglich, das heißt drei Tabletten. Die Einnahme kann zum Essen oder unabhängig davon erfolgen. Patienten mit schwerer Störung der Leberfunktion sollen nur zwei Tabletten pro Tag einnehmen.
Starke CYP3A4-Induktoren sollten nicht zusammen mit Voxelotor angewendet werden, da diese zu einem Wirkverlust des neuen Arzneistoffs führen könnten. Da Voxelotor andersherum auch einen Einfluss auf einige CYP-Enzyme hat und ferner bestimmte Transportproteine hemmt, ist ein Interaktions-Check auf jeden Fall sinnvoll, wenn gleichzeitig Medikamente mit enger therapeutischer Breite zum Einsatz kommen.
Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen von Voxelotor sind Kopfschmerzen, Durchfall, Bauchschmerzen und Ausschlag. Aus Vorsichtsgründen soll die Anwendung des Wirkstoffs bei Schwangeren und Stillenden möglichst vermieden werden.