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Taille, Bauch, Kilos

Wann beginnt Übergewicht? 

Welche Maße zählen? Wann beginnt Übergewicht? Wann werden überzählige Kilos gefährlich? Auf welche Messgrößen es beim gesunden Körpergewicht ankommt und warum es nicht reicht, nur die Kilos im Blick zu haben.
Barbara Döring
31.10.2022  08:15 Uhr

Rein rechnerisch ist von Übergewicht die Rede, wenn der Quotient aus Körpergewicht und Körpergröße zum Quadrat ≥ 25 ist. So lautet die Definition der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Doch ganz so sachlich ist das Thema Übergewicht kaum zu betrachten. Während die einen Modelmaße anstreben, fühlen sich andere auch etwas molliger wohl.

Klar ist inzwischen: Leichtes Übergewicht ist nicht immer behandlungsbedürftig. Im Gegenteil sind aktive Menschen, die ein paar Kilos zu viel mit sich tragen, gesundheitlich mitunter besser aufgestellt als Normalgewichtige, die sich wenig bewegen und unausgewogen ernähren. Ab einem gewissen Maß birgt das überschüssige Fettgewebe jedoch erhebliche Risiken, etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, für Stoffwechselstörungen wie Typ-2-Diabetes oder für verschiedene Krebsarten, etwa Darm- oder Brustkrebs. Doch ob Übergewicht gefährlich ist, darüber entscheidet nicht allein die Menge an überschüssigen Kilos. Es kommt vor allem darauf an, wie sich das Fett im Körper verteilt.

Sitzt das Fettdepot vor allem im Bauchbereich (abdominale Adipositas), besteht ein höheres kardiovaskuläres und metabolisches Risiko als bei hüftbetontem Übergewicht oder Fettpölsterchen an Beinen und Po. Man spricht beim Bauchfett auch vom viszeralen Fett (lateinisch viscera = Eingeweide). Im Normalfall trägt ein Mensch etwa 900 g Bauchfett mit sich, bei Übergewicht können es bis zu 10 kg werden. Der Grund, warum es so gefährlich ist: Fettzellen, die sich im Bauchraum um die Organe herum sammeln, sind besonders stoffwechselaktiv. Sie produzieren mehr als 200 verschiedene Hormone, die normalerweise von der Schilddrüse, der Bauchspeicheldrüse, der Hirnanhangdrüse oder der Nebenniere gebildet werden. Gelangen diese unkontrolliert in den Körper – zur falschen Zeit und in falscher Menge – kann das zahlreiche chronische Erkrankungen fördern.

BMI sagt nicht alles

Das gängige Maß, um das Körpergewicht einzuschätzen, ist der Body-Mass-Index (BMI), der mit der Formel BMI = Körpergewicht geteilt durch Körpergröße zum Quadrat (kg/m2) berechnet wird. Er setzt die Kilos auf der Waage mit der Körperfläche ins Verhältnis. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gelten Erwachsene mit einem BMI von 18,5 bis 24,9 kg/m2 als normalgewichtig. Ab einem BMI von 25 kg/m2 beginnt Übergewicht. Ein BMI ab 30 kg/m2 gilt als behandlungsbedürftige Adipositas. Mit den BMI-Rechnern der Deutschen Adipositas-Gesellschaft lässt sich der Wert für Erwachsene und Kinder (https://adipositas-gesellschaft.de/bmi/) leicht ermitteln.

Der BMI ist zwar ein guter Richtwert, berücksichtigt aber nicht die Zusammensetzung des Körpers aus Fett- und Muskelgewebe und sagt auch nichts darüber aus, wie sich das Fett verteilt. Aufschluss darüber gibt oft schon die Körperform: Ist sie bauchbetont, spricht man vom androiden Apfeltyp, der vor allem bei Männern vorkommt. Bei der hüftbetonten Verteilung ist vom gynoiden Birnentyp die Rede, der eher bei Frauen zu finden ist.

Eine genauere Auskunft über die Fettverteilung gibt das Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang, der sogenannte Taille-Hüfte-Index, in der internationalen Fachliteratur Waist-to-Hip-Ratio (WHR) genannt. Je größer der Quotient, umso höher ist der Anteil des ungünstigen Viszeralfetts im Körper. Für Erwachsene gibt es dafür empfohlene Grenzwerte, die je nach Quelle leicht variieren können. Laut WHO ist bei Männern ein WHR ab 0,9 mit einem erhöhten Risiko verbunden, bei Frauen ein WHR ab 0,85 (der Wert wird ohne Einheit angegeben). Für Kinder gibt es noch keinen Konsens für entsprechende Grenzwerte. Um die Waist-to-Hip-Ratio zu ermitteln, teilt man den Taillenumfang durch den Hüftumfang. Gemessen wird der Taillenumfang mit einem Maßband im Bereich zwischen unterster Rippe und Beckenkamm. Zur Messung des Hüftumfangs wird das Maßband auf Höhe des maximalen Gesäßumfangs angelegt.

Als vergleichbar aussagekräftig, um viszerale Fettdepots zu erkennen, gilt inzwischen die alleinige Messung des Taillenumfangs. Laut S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas liegt eine abdominale Adipositas bei Männern bei einem Taillenumfang ab 102 cm und bei Frauen bei einem Taillenumfang ab 88 cm vor. Die Messung wird jedoch erst ab einem BMI von 25 kg/m2 empfohlen. Wie die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin betont, sei es nicht sinnvoll, bei jedem Patienten den Taillenumfang zu bestimmen, ohne die individuelle Ausgangssituation zu berücksichtigen. Wesentlich wichtiger sei es, die Gesamtheit der Risikofaktoren, die Komorbidität und die Körperform unter Einbeziehung des Körpergewichts zu betrachten.

Wann abnehmen?

Nicht immer bergen also ein paar Kilogramm mehr ein hohes gesundheitliches Risiko. Auch kleine Fettpölsterchen am Bauch sind meist unbedenklich. Bei den „Speckröllchen“, die sich mit den Fingern greifen lassen, handelt es sich um Unterhautfettgewebe (subkutanes Fett), das für die Organe sogar schützende Funktionen hat, zum Beispiel vor Kälte.

Doch wann ist es an der Zeit, der Gesundheit zuliebe den Kilos Einhalt zu gebieten? Aus medizinischer Sicht wird das bei einem BMI ab 30 kg/m2 empfohlen. Auch bei einem BMI zwischen 25 und 29,9 kg/m2 sollte man abnehmen, wenn zusätzlich Krankheiten wie Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes bestehen, eine abdominale Adipositas mit einem Taillenumfang über 102 cm bei Männern beziehungsweise 88 cm bei Frauen vorliegt oder der Patient durch das Übergewicht psychosozial stark belastet ist.

Eine spezielle Diät, um gezielt den Bauchumfang zu reduzieren, gibt es übrigens nicht. Wer gesund Gewicht verliert, wird auch das gefährliche viszerale Fett abbauen. Dabei kommt es auf drei wesentliche Pfeiler an: Ernährung, Bewegung und das eigene Verhalten. Damit das erreichte Gewicht auch auf Dauer gehalten wird, ist es entscheidend, die Ernährung anzupassen. Eine Ernährungsberatung und Verhaltenstherapie sind dabei hilfreich. Inzwischen gibt es Apps auf ärztliches Rezept, die das Abnehmen unterstützen. Deutlich leichter fällt das Abnehmen, wenn Sport und mehr Bewegung im Alltag integriert werden, solange aus ärztlicher Sicht nichts dagegenspricht. Die dabei aufgebauten Muskeln heizen die Fettverbrennung zusätzlich an, da sie schon in Ruhe mehr Energie verbrauchen als Fettgewebe. So lässt sich bereits mit 30 Minuten täglicher stärkerer körperlicher Aktivität mehrmals pro Woche in einem Monat der Bauchumfang um etwa 1 cm reduzieren, was etwa 300 g viszeralem Fett entspricht. Bei starker Adipositas können auch medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen sinnvoll sein. /

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