Was blüht denn da? |
Ein schattiges und dennoch farbenfrohes Plätzchen bietet derzeit der Arzneipflanzengarten am Frankfurter Biozentrum. / Foto: Elke Wolf
Idyllisch ruhig und wie ein grünes Kleinod liegt er da, der Wissenschaftsgarten der Universität Frankfurt am Main, zu Füßen der pharmazeutischen Institute am Campus Riedberg. Die Frankfurter Skyline ganz weit hinten am Horizont, hört man hier nur das geschäftige Summen der Insekten und das fleißige Arbeiten der Gärtner, dazu die gute Luft vom Taunus. Das Konzept der Planer, den Garten zur grünen Lunge der Science City Riedberg werden zu lassen, scheint aufgegangen zu sein.
Gerade steht der intensiv rot blühende Rizinus prall im Saft, die Pfefferminze kommt farblich eher dezent daher, treibt aber kräftig in die Quere aus und wildert mit ihren Trieben in fremden Beeten, während die Artischocke mit ihren lila Kronen drei Meter mächtig in die Höhe schießt. Hier in den Beeten herrscht geordnete Unordnung und den Pflanzen wird Raum gelassen. Sie sind – ähnlich Schubladen eines Apothekenschranks – in gemauerten Hochbeeten in die Rasenfläche angelegt, dazwischen immer mal naturbelassene Felder und nicht gemähte Grünstreifen, in der Nachbarschaft ein eigens angelegter Bienengarten. Während die Arzneipflanzen in vergleichbaren Gärten nach Indikationen angeordnet sind, gibt es am Riedberg zehn Beete, die nach phytochemischen Kriterien zusammengestellt sind.
Etwas aus der Reihe, das heißt nicht eindeutig nach Inhaltsstoff-Aspekten einsortierbar, tanzt der Busch des Mönchspfeffers (Vitex agnus-castus). Passenderweise steht die Arzneipflanze des Jahres 2022 zwischen den Beeten »Polyphenole« und »Mono-/Sesquiterpene«, und auch die »Diterpene« und »ätherischen Öle« sind nicht weit. Derzeit könnte man ihn fast als Blickfang des Arzneipflanzengartens bezeichnen, so üppig blüht er und hat ein eigenes Plätzchen inmitten der Rasenfläche bekommen, die er ob seiner Größe gut beschattet. Wie passend, ist doch in den Markt der Mönchspfeffer-enthaltenden Phytopharmaka derzeit Bewegung geraten.
Trockenextrakte aus seinen Früchten werden gegen Beschwerden des Prämenstruellen Syndroms (PMS) und Zyklusunregelmäßigkeiten eingesetzt. Entsprechende Präparate gibt es hierzulande zwar schon lange, doch erst seit Juni 2022 eine Zubereitung, die der Well-established-use-Monographie der Europäischen Arzneimittelagentur EMA entspricht. Der Extrakt, der sich in Studien besonders effektiv zeigte, stammt ursprünglich aus der Schweiz und war in Deutschland nicht erhältlich. Dabei wurden Tagesdosierungen von 20 mg Trockenextrakt verwendet. In Agnucaston® 20 mg sind die Wirkstoffe des Mönchspfeffers nun fünffach höher konzentriert als in allen bisher in Deutschland erhältlichen Präparaten. Agnolyt®, Femicur®, Agnus sanol® oder das ursprüngliche Agnucaston® enthalten zwar ähnliche Trockenextrakte (zum Beispiel mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 7–13:1, Ethanol 60 Prozent oder DEV 7–11:1, Ethanol 70 Prozent), allerdings weiterhin eine niedrigere Extrakt-Tagesmenge von 4 mg. Wegen der schwächeren Studienlage rechnet sie die EMA dem traditional use zu.
Auch in Sachen Wirkmechanismus des Mönchspfeffers hat sich etwas getan: Forscher berichteten im vergangenen Jahr im Fachjournal »Planta Medica« über die hemmende Wirkung eines ethanolischen Mönchspfeffer-Fruchtextrakts auf bedeutende Endothelzellfunktionen bei der Angiogenese. Diese Blutgefäßneubildung spielt eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der Uterusschleimhaut im Zuge des Menstruationszyklus. Zwar sind das nur erste präklinische In-vitro-Daten, doch sie sind ein zusätzlicher Puzzlestein des Wirkmechanismus auf molekularer Ebene. Sie könnten ein weiterer Erklärungsansatz für die Wirksamkeit bei PMS und Zyklusunregelmäßigkeiten sein.