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Später Kinderwunsch

Was das Alter für die Schwangerschaft bedeutet

Für immer mehr Frauen passen Kinderwunsch und Lebensplanung frühestens mit Mitte 30 so richtig zusammen. Psychologisch und soziologisch betrachtet hat die späte Mutterschaft etliche Vorteile, medizinisch gesehen kann der späte Kinderwunsch eine Herausforderung sein. Die Fruchtbarkeit sinkt, die Komplikationsrate steigt. 
Carina Steyer
26.11.2021  15:00 Uhr

Vor 50 Jahren bekamen Frauen in Deutschland ihr erstes Kind im Durchschnitt mit 24 Jahren. Seitdem hat sich viel verändert. Frauen sind unabhängig geworden, investieren Zeit in lange Ausbildungen und berufliches Engagement. In den 20ern stehen der Aufbau einer Karriere und finanzielle Absicherung im Vordergrund. Frauen wählen auch den Vater möglicher Kinder immer später. Alles zusammen trägt dazu bei, dass das mütterliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes seit 1970 kontinuierlich ansteigt. Im vergangenen Jahr lag es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Durchschnitt bei 30,2 Jahren und damit etwas mehr als sechs Jahre über dem von 1970.

Den Trend zur späteren Mutter- und Elternschaft beobachten Demographen nicht nur in Deutschland. In vielen Industrieländern zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. In der Gesamtbetrachtung der Länder liegt die Geburtenrate bei Frauen über 30 Jahren bereits seit 2003 über der von Frauen unter 30 Jahren. Bei den Männern zeigt sich ein ganz ähnliches Bild, auch wenn diese in der Statistik weniger genau erfasst werden als Frauen. Laut Statistischem Bundesamt waren die Väter von Erstgeborenen (der Mutter) im vergangenen Jahr im Durchschnitt 33,2 Jahre alt. Die älteste Vergleichszahl stammt aus dem Jahr 2014. Damals waren Väter im Durchschnitt 32,8 Jahre alt. Betrachtet man das Alter der Väter bei der Geburt ihres Kindes unabhängig von der Geburtenfolge, lag es 1991 bei durchschnittlich 31 Jahren, im Jahr 2020 bei 34,6 Jahren.

Biologische Grenzen

Experten gehen fest davon aus, dass der Trend zur späten Elternschaft anhalten und durch die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin noch weiter zunehmen wird. Viele plädieren deshalb dafür, schon im Schulunterricht nicht nur über die Notwendigkeit von Verhütungsmaßnahmen, sondern auch über die mit dem Alter sinkende Fruchtbarkeit aufzuklären. So soll jungen Menschen ermöglicht werden, ihre eigene Lebensbiographie zu planen und die gewünschte Kinderzahl verwirklichen zu können. Denn in keinem anderen Bereich des Lebens können sich Biologie und Lebensplanung gegenseitig so sehr im Weg stehen wie beim Kinderwunsch.

Ein neugeborenes Mädchen verfügt über rund eine Million unreife Eizellen, die sich bis zum Beginn der Pubertät auf etwa 300.000 reduzieren werden. Während der reproduktiven Phase im Leben einer Frau beginnen pro Zyklus mindestens 40, mitunter sogar über 100 unreife Eizellen mit dem Reifevorgang. Am Ende setzt sich in der Regel nur eine einzige Eizelle durch, alle anderen gehen zugrunde. Auf diese Weise nimmt die Zahl der Eizellen kontinuierlich ab. Mit Mitte 30 sind Schätzungen zufolge im Durchschnitt noch etwa 35.000 Eizellen vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt wird die Wahrscheinlichkeit geringer, dass in jedem Zyklus eine befruchtungsfähige Eizelle heranreift. Der Körper kompensiert dies, indem er mehr Eizellen reifen lässt. Die Zahl der verbliebenen Eizellen nimmt nun schneller ab, die Eizellreserve wird stetig kleiner.

Der Höhepunkt der fruchtbaren Phase von Frauen liegt vor dem 30. Lebensjahr. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Zyklus ohne Verhütung schwanger zu werden, beträgt bei 25-jährigen Frauen etwa 25 Prozent. Bis Mitte 30 reduziert sich die Wahrscheinlichkeit auf ungefähr 15 Prozent. Zum 40. Geburtstag liegt die Wahrscheinlichkeit bei etwa 10 Prozent. Anschließend sinkt sie relativ schnell ab und wird ab 45 Jahren mit 2 Prozent angegeben.

Neben der Anzahl der Eizellen spielt deren Qualität eine entscheidende Rolle bei der Fruchtbarkeit. Ab dem 35. Lebensjahr weisen sie zunehmend genetische Veränderungen auf. Bei über 40-Jährigen Frauen besitzt die Mehrzahl der Eizellen eine von der Norm abweichende Chromosomenzahl. Die Folge: Die Embryonen nisten sich entweder gar nicht mehr in der Gebärmutter ein oder die Schwangerschaft endet in einer frühen Fehlgeburt. Die Spontanabortrate bei unter 30-Jährigen liegt bei 10 bis 15 Prozent. Bei 40-Jährigen Frauen beträgt sie etwa 25 Prozent, bei 45-Jährigen 50 Prozent. Auch das Risiko für die häufigste Chromosomenstörung, die Trisomie 21, steigt mit zunehmendem Alter an. Während es bei unter 30-Jährigen Frauen bei 1:1000 liegt, steigt es bei 40-Jährigen auf 1:100 und bei 45-Jährigen auf 1:30 an.

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