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Männlicher Hormonüberschuss bei Frauen

Was ist das Adre­no­ge­ni­tale Syndrom?

Damenbart, Akne, Unfruchtbarkeit? Möglicherweise steckt hinter diesen Symptomen bei Mädchen und jungen Frauen eine Form des genetisch bedingten adrenogenitalen Syndroms. Die Behandlungsmöglichkeiten sind gut.
Judith Schmitz
31.01.2023  08:00 Uhr

»Früher sind nur die schweren Fälle mit adrenogenitalem Syndrom bei der Geburt aufgefallen. Das waren Mädchen mit einer penisartigen Klitoris. Sie verstarben kurz nach der Geburt, ebenso die Jungen. Nur hier gab es keine äußeren Anzeichen. Ihr Tod war unerklärbar«, sagt Professor Dr. Nicole Reisch, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), gegenüber PTA-Forum.

Mit der Zeit enträtselten Ärzte und Forscher die Erkrankung mehr und mehr. Genau genommen handelt es sich beim adrenogenitalen Syndrom (AGS) um eine Gruppe seltener angeborener Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Synthese der Steroidhormone in der Nebennierenrinde gestört ist. Jeder 50. bis 60. Einwohner in Deutschland trägt die Erbanlage und kann sie an seine Kinder weitergeben. Da die Vererbung autosomal-rezessiv erfolgt, kommt es nur zur Erkrankung, wenn das Kind die betroffenen Gene sowohl von der Mutter als auch dem Vater erhält.

Je nach dem genauen genetischen Defekt trete die Erkrankung in unterschiedlichen Schweregraden auf, wie Reisch erklärt: Bei mehr als 95 Prozent der Patienten verursachen genetische Defekte am Locus des Gens CYP21A2 einen Mangel an 21-Hydroxylase. Dieses Enzym ist für die Bildung von lebenswichtigem Cortisol in der Nebenniere verantwortlich. Mehr als 200 Mutationen für diese Form des AGS sind inzwischen beschrieben, wobei die zehn relevantesten Mutationen 80 Prozent der Fälle ausmachen.

Klassische Form verläuft schwer

Mediziner unterteilen das AGS hauptsächlich aufgrund des Schweregrades des Enzymmangels an 21-Hydroxylase in eine klassische und eine nicht klassische Form. Bei der klassischen, schweren Form arbeitet das Enzym nicht oder fast gar nicht. Zusätzlich liegt bei der schweren Form, die etwa eines von 10.000 bis 15.000 Babys betrifft, ein Mangel des Hormons Aldosteron vor, welches den Salz- und Wasserhaushalt steuert. Dann verliert der Körper viel Salz. Wird der Säugling vom mütterlichen Kreislauf getrennt, sinkt der Cortisolspiegel, unbehandelt kann das für das Neugeborene tödlich enden. Säuglinge mit einer klassischen AGS-Form, aber ohne Salzverlust, können überleben.

Bei der nicht klassischen Form, dem late-onset AGS, behält das Enzym je nach Mutation eine Restaktivität. Der Körper bildet dadurch meist ausreichend lebensnotwendiges Cortisol. Diese mildere Form ist viel häufiger als die schwere. Genaue Zahlen, wie viele Menschen unter einem late-onset AGS leiden, gibt es aber nicht. Für Mädchen und Frauen gibt Reisch grob jede Zweihundertste bis Tausendste an.

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