Was Mikrobiom-Kosmetik kann – und was nicht |
Bayerl betont, dass die Haut über ganz erstaunliche Fähigkeiten der Regeneration beziehungsweise über eine Art Puffersystem verfügen muss. Anders sei es nicht zu erklären, dass Studienteilnehmer selbst in gut desinfizierten Krankenhauszimmern zwar für wenige Stunden einige Mikrobiompartikel des Vorgängers annehmen. Diese sind aber schon nach 24 Stunden nicht mehr nachweisbar. »Innerhalb eines Tages passt unser Immunsystem das Mikrobiom wieder auf den ursprünglichen Zustand an, die Haut puffert also im übertragenen Sinn ab«, erklärt Bayerl.
Die Regenerationsfähigkeit der Haut zeige sich auch jetzt in Pandemiezeiten. Das Hautmikrobiom werde durch häufiges Händedesinfizieren nur unwesentlich beeinträchtigt. In Verbindung mit einer intensiven Handpflege regeneriere es sich schon nach kurzer Zeit wieder, sagte die Expertin. Übrigens ganz im Gegenteil zum häufigen Händewaschen mit Seife: Untersuchungen mit Klinikpersonal haben ergeben, dass häufiges Händewaschen mit Detergenzien eher zu irritativen Kontaktekzemen führt als mit viruswirksamen, alkoholischen Desinfektionsmitteln. Bayerl schlägt die Brücke zur Mukositis: »Wir wissen von der Mundschleimhautentzündung, dass Spülungen mit Chlorhexidin einen günstigen Effekt auf die Wiederherstellung des Mikrobioms der Mundschleimhaut haben. Das scheint ähnlich bei der Händedesinfektion zu sein.«
Viele Erkenntnisse bezüglich des Hautmikrobioms und seiner Schädigung stammen aus der Forschung rund um die Therapie verschiedener Hauterkrankungen. So hat sich bei der Neurodermitis Staphylococcus aureus als zentraler Keim herausgestellt. Auf entzündeten Hautstellen überwächst er alle anderen Bakterien, und so verringert sich die Diversität der Mikrobengemeinschaft. Ein Ansatz für die Therapie besteht darin, durch die Schaffung besserer Wachstumsbedingungen für die nützlichen Bakterien S. aureus zurückzudrängen. Das scheint auch zu funktionieren, informiert Bayerl. »Brachten Forscher Stämme von Staphylococcus epidermidis auf die Haut von Neurodermitis-Patienten auf, ließ sich S. aureus zurückdrängen. S. epidermidis setzt antientzündlich wirkende Botenstoffe frei, deshalb gilt es, diesen zu fördern.«
Auch für die Akne gibt es laut der DDG-Expertin erfolgsversprechende In-vitro-Daten mit Probiotika. »In der Kulturschale lässt sich Cutibacterium acnes, wie das ehemalige Propionibacterium acnes nun genannt wird, gut beeinflussen. Doch diese Strategie wird meines Erachtens beim Menschen nicht gut funktionieren, weil hinter der Akne ein anderer Pathomechanismus steckt und die Verhornungsstörung am Follikelausgang das Hauptproblem darstellt.«
Damit verweist Bayerl auf ein weiteres Manko von Mikrobiom-Zubereitungen: »In-vitro-Daten bergen zwar Potenzial, doch die Studienlage am Menschen ist spannend, aber rar. Überträgt man die Erkenntnisse bei der Neurodermitis auf die zu Entzündungen neigende Haut, dann spielt im Bereich der Pflege der S. epidermidis sicher eine Rolle. Präparate mit Aqua posae filiformis sind etwa in der Lage, S. epidermidis zu unterstützen. Das eignet sich etwa zur Rezidivprophylaxe bei Neurodermitis oder als Rückfettung bei trockener Haut.«