Was muss man beim Rechnen und Wiegen beachten? |
Verena Schmidt |
19.09.2022 09:00 Uhr |
Gar nicht trivial: Beim Wiegen in der Rezeptur lauern viele Fehlerquellen. / Foto: NRF
Barisch startete ihren Vortrag zu dem komplexen Thema mit einem typischen Beispiel aus der Apothekenpraxis: Verordnet ist eine Rezeptur mit der freien Säure oder Base, im Beispiel Amlodipin. Bestellbar ist aber nur das Salz Amlodipinbesilat. Würde man dies bei der Herstellung nicht beachten, sei das Rezepturarzneimittel später deutlich über- oder unterdosiert, warnte Barisch. »Sie wiegen den Besilat-Teil des Moleküls mit, er hat aber keine Wirkung«, verdeutlichte die Apothekerin. »Alles, was nicht wirkt, muss rausgerechnet werden.«
Die Umrechnung könne dann über die molaren Massen (beispielsweise in Gelber Liste raussuchen und durcheinander teilen) oder Dreisatz erfolgen, so Barisch weiter. Bei der Gesamtberechnung der einzuwiegenden Wirkstoffmenge müsse dann außerdem noch der Einwaagekorrekturfaktor sowie der Produktionszuschlag für Kapseln berücksichtigt werden.
Auch das Wiegen ist keineswegs trivial und ein fehleranfälliger Vorgang. Daten des ZL, die im Rahmen eines Wägeprojekts 2019 und 2020 in 75 Apotheken erhoben worden, zeigen einige Mängel bei der Wägegenauigkeit. Eine Wägegenauigkeit von 1 Prozent wurde demnach bei Präzisionswaagen nur bei Einwaagen über der Mindestlast erreicht. Bei Einwaagen unter der Mindestlast war die Abweichung größer als 1 Prozent. »Das ist zu hoch für Wirkstoffe, die Mindestlast muss immer berücksichtigt werden«, sagte Barisch. Bei den Feinwaagen waren die Wägeergebnisse aus den Apotheken noch ungenauer: Hier wurde die Wägegenauigkeit von 1 Prozent selbst bei Überschreitung der Mindestlast nicht eingehalten. Als Konsequenz aus der Untersuchung hat das ZL unter anderem weitere Tutorials zum Thema Wiegen veröffentlicht und eine Wägekarte erstellt.
Und was war nochmal der Unterschied zwischen Mindestlast und Mindesteinwaage? »Die Mindestlast steht auf der Waage, sie besagt, welche Masse unter Optimalbedingungen mindestens aufgelegt werden muss«, erklärte Barisch. Sie könne nicht umgangen werden, etwa durch Auflegen einer Wägeunterlage. Die Mindesteinwaage steht dagegen nicht auf der Waage; sie ist abhängig davon, ob Wirkstoffe (maximal 1 Prozent Abweichung) oder Hilfsstoffe (maximal 10 Prozent Abweichung) gewogen werden. »Eine Waage hat also abhängig vom einzuwiegenden Stoff unterschiedliche Mindesteinwaagen. Bei Hilfsstoffen ist die Mindesteinwaage auf derselben Waage demnach zehnmal geringer als bei Wirkstoffen«, so Barisch. Übrigens: Mit der DAC/NRF-Rechenhilfe lässt sich die Mindesteinwaage für jede Apothekenwaage individuell bestimmen.
Abschließend gab Barisch noch einige Wiege-Tipps für den Apothekenalltag. Prinzipiell sollte man kleine und leichte Gefäße zum Wiegen benutzen, so Barisch, um Verwirbelungen und Verdunstung zu reduzieren. Beim Wiegen von sehr kleinen Massen werde häufig Hautfett oder Schweiß mitgewogen. Hier empfiehlt es sich, die Wägegefäße mit Handschuhen anzufassen oder eine Tiegelzange zu benutzen. Bei der Einwaage hygroskopischer Stoffe könne man in den Windfang der Feinwaage ein Trockenmittel legen. Und immer sollte das Vier-Augen-Prinzip angewandt werden: Das kann mithilfe einer Kollegin oder eines Kollegen sein, aber auch ein Waagendrucker oder die Dokumentation über eine an die Waage angebundene Software sind hilfreich.