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Arzneimittel-Wirksamkeit

Was Placebos  können und was nicht

Open-Label-Placebos

Eine wichtige Frage in Zusammenhang mit dem Einsatz von Placebos ist die nach der ethischen Vertretbarkeit. Also: In wie weit ist es gerechtfertigt, Patienten pharmakologisch unwirksame Substanzen zu verabreichen, ohne sie darüber zu informieren? Eine Möglichkeit, zumindest in der niedergelassenen Praxis das Problem anzugehen, könnten sogenannte Open-Label-Placebos sein. Für die klinische Prüfung eines Arzneistoffs, wo placebokontrollierte Doppelblindstudien für einen hohen Standard sprechen, ist dieses Konzept freilich nicht geeignet.

Dabei werden die Patienten vor der Behandlung von ihrem Arzt vollständig darüber aufgeklärt, dass sie ein Scheinmedikament oder eine Scheintherapie erhalten und die Wirkung durch den Placebo-Effekt zustande kommen wird. Diese Vorgehensweise nutzt die Erkenntnis, dass sich der Placebo-Effekt nicht ausschalten lässt und dass die reine Zuversicht des Patienten einen Teil der Wirkung durch den Arzneistoff ausmacht, wenn der Arzt positiv darauf hinwirkt. Dass der Ansatz gut funktioniert, konnte eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School bereits für verschiedene Erkrankungen wie Depressionen, Migräne, chronische Rückenschmerzen, Fatigue bei Krebstherapien, allergische Rhinitis und das Reizdarmsyndrom zeigen.

Negatives Gegenstück

Über das Gegenstück zum Placebo, das Nocebo und sein Effekt, ist wesentlich weniger bekannt. Definiert als das Auslösen oder Verschlimmern von Symptomen durch eine negative Einstellung des Patienten gegenüber Medikamenten oder medizinischen Eingriffen, hat der Nocebo-Effekt lange eher ein Nischendasein innegehabt.

Inzwischen gehen Experten jedoch davon aus, dass die Auswirkung des Nocebo-Effekts auf die Behandlung von Patienten sogar größer ist als der Placebo-Effekt. So konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass 70 bis 80 Prozent der berichteten Nebenwirkungen nicht von der untersuchten Substanz ausgegangen sind. Aus klinischen Studien ist bekannt, dass rund ein Viertel der Teilnehmer, die ein Placebo einnehmen, über Nebenwirkungen klagen. Werden die Teilnehmer gezielt nach Nebenwirkungen gefragt, steigt der Anteil der Betroffenen nochmal deutlich an. Patienten der Placebo-Gruppe berichten zudem meist von ähnlichen Nebenwirkungen wie die Probanden der Medikamentengruppe. Diese stimmen häufig gut mit den Symptomen überein, die im Rahmen der Aufklärungsgespräche besprochen wurden. In Studien mit trizyklischen Antidepressiva berichteten etwa Teilnehmer der Placebo-Gruppe signifikant häufiger von Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen, sexuellen Problemen und Müdigkeit als in Studien mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Ähnliches wird auch den Statinen angelastet. So zeigen Studien, dass Muskelschmerzen unter Statinen nur häufiger als unter Placebo auftreten, wenn der Patient weiß, dass er ein Statin einnimmt.

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