Was Riechen mit Gefühlen zu tun hat |
Der Geruchssinn sorgt dafür, dass man keine sexuellen Beziehungen zu engen Verwandten hat. / Foto: Getty Images/shironosov
Wie ein Leben ohne Riechsinn ist, erleben gerade Hunderttausende, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Den Geruch vorübergehend verlieren gehört zu den häufigen Nebenwirkungen. Das kann nicht nur gefährlich sein, wenn man keinen Rauch, kein Gas oder auch kein verdorbenes Lebensmittel erkennt. Die Nase steuert auch die Gefühlswelt, bis hin zu Sexualverhalten und Freundschaften.
»Wenn der Geruchssinn beeinträchtigt ist, geht einem Menschen sehr viel an emotionaler Wahrnehmung verloren«, sagt Neurologe Peter Berlit. Es gibt auch einen Zusammenhang mit Depressionen. Geruchsverlust bringt zudem die Ernährung durcheinander: wer nicht riecht, schmeckt auch nicht richtig, vom Kochen und Abschmecken ganz zu schweigen. Manche Menschen verlieren den Appetit.
»Der Geruchssinn wird oft unterschätzt«, sagt Berlit. »Viele sagen: lieber den Geruchssinn verlieren als blind oder taub werden, aber der Geruchssinn spielt bei vielen Dingen eine zentrale Rolle. Er ist im Gehirn deutlich enger als andere Sinne mit dem limbischen System verschaltet, das für Emotionen zuständig ist.« Angst, Stress, Frust – all das lässt den Körper Moleküle erzeugen, die sich im Achselschweiß nachweisen lassen und die andere Menschen wahrnehmen können. Die Konzentration ist aber so schwach, dass das meist unbewusst passiert.
»Die Menschen kommunizieren richtig über Düfte und Gerüche«, sagt Thomas Hummel, Leiter des interdisziplinären Zentrums »Riechen und Schmecken« am Uniklinikum Dresden, der dpa. »Wenn man einen Infekt ausbrütet, ändert sich der Körpergeruch. Wenn sich die Laune ändert, man sich fürchtet oder freut, all das teilt man mit. Ich kann zum Beispiel bei meiner Frau riechen, wenn sie nervös ist.« Was es genau ist, kann der Arzt und Pharmakologe nicht sagen. »Es ist kein Duft, der einem in die Nase springt. Man nimmt es unterschwellig wahr.«
Diese Kommunikation sei besonders ehrlich, weil der Aussendende sie nicht verändern könne, sagt Bettina Pause, Professorin für Biologische Psychologie und Sozialpsychologie an der Universität Düsseldorf. »Ich möchte jetzt mal nach Freude riechen, obwohl ich ängstlich bin - das geht nicht«, sagte sie 2021 bei einem Vortrag im Kortizes Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs. Man könne Parfüm aufsprühen, die Angstmoleküle würden aber trotzdem produziert.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.