Was steht berufspolitisch an? |
Isabel Weinert |
06.01.2023 09:00 Uhr |
PTA leisten nicht erst seit der Corona-Pandemie sehr viel. / Foto: Adobe Stock/WavebreakmediaMicro
PTA-Forum: Erfolge und Misserfolge – was ist aus Ihrer Sicht für PTA und Apotheker gut gelaufen in diesem Jahr, was weniger gut, was gar schlecht?
May: Sehr gut sind die PTA, Apothekerinnen und Apotheker, aber auch die PKA mit den wachsenden Aufgaben im dritten Jahr der Pandemie zurechtgekommen. Auch wenn die Belastung sehr hoch war, hat sich die öffentliche Apotheke weiter als unverzichtbarer, starker Bestandteil des Gesundheitssystems profilieren können.
Kratt: Die Adexa-Tarifkommission konnte für 16 von 17 Kammerbezirke spürbare Tariferhöhungen ab Januar 2022 abschließen. Das war ein großer Erfolg, der für die Attraktivität des Arbeitsplatzes Präsenzapotheke unbedingt nötig war. Und wir konnten mit dem Sächsischen Apothekerverband (SAV) nach fünf Jahren Verhandlungszeit einen Rahmentarifvertrag für Sachsen und Tarifgehälter für 2023 und 2024 abschließen: ein echter Meilenstein!
Definitiv schlecht und unfair war die Erhöhung des Kassenabschlags mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Diese Entscheidung hätte von der Standespolitik aus unserer Sicht mutiger und frühzeitiger bekämpft werden müssen – unter Einbezug der ganzen Apothekenteams und in allen Bundesländern.
Gregor: Dieses Jahr haben die PTA wieder Außerordentliches in den Apotheken geleistet. Trotz anhaltend hoher Corona-Fallzahlen waren bundesweit nur die wenigsten Apotheken aufgrund von Personalmangel geschlossen. Dies ist auch dem großen Einsatz der PTA zu verdanken.
Die uns von der Politik entgegengebrachte sogenannte Wertschätzung ist aber dann nichts wert, wenn im Gegenzug zu der Bewältigung der außerordentlichen Arbeitsbelastung der Gesetzgeber danach hingeht und eine Honorarkürzung vornimmt. Eine Honorarkürzung, die Apotheken trifft und damit auch die PTA in den Apotheken. Dass die Honorarkürzungen als Schlag ins Gesicht der Apotheker und der PTA gesehen werden, hat dazu geführt, dass sich auch viele PTA an den in einzelnen Bundesländern ausgerufenen Streikmaßnahmen beteiligt haben. Hier hätten wir uns natürlich gewünscht, dass sich mehr Landesapothekerverbände an dem Streik beteiligen.
PTA-Forum: Die Pharmazeutischen Dienstleistungen sind angelaufen. Wie bewerten Sie den Start, was bedeutet die Implementierung dieser Dienstleistungen für das Ansehen von Apothekenteams, welche Entwicklung erwarten Sie?
May: Die Dienstleistungen sind aus meiner Sicht bei den Patienten noch nicht bekannt genug. In einigen Apotheken sind die Teams Feuer und Flamme und haben sich mit Fort- und Weiterbildung in den jeweiligen Bereichen fit gemacht. Zeitlich ist es aber eine große Herausforderung, die leider nicht von allen Apotheken angenommen werden kann beziehungsweise deren Kosten-Nutzen-Bilanz auch in manchen Fällen negativ ist. Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass die Personaldecke in der Apotheke stark genug ist, damit die Arbeitszeit nicht am Ende für die grundlegenden Aufgaben fehlt.
Gregor: Der Anlauf der Pharmazeutischen Dienstleistungen war im Berufsstand sehr verhalten. Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Apothekenteams nach fast drei Jahren Corona und einer damit einhergehenden exorbitanten Arbeitsbelastung, nicht mehr die personellen Ressourcen hatten, die notwendig sind, um die Pharmazeutischen Dienstleistungen flächendeckend umzusetzen. In Gänze sind diese aber äußerst positiv zu bewerten, dadurch rücken sie in den Focus der ureigenen Tätigkeit. Die Rückmeldung, die wir von unseren Mitgliedern haben, die in Apotheken arbeiten und Pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, sind durchweg positiv. Die Kundenzufriedenheit nimmt deutlich zu. Die Kundinnen und Kunden identifizieren sich mit »ihrer Apotheke«. Hier gilt es ganz klar zu erwähnen, dass die Apotheken, die Pharmazeutische Dienstleistungen umfassend anbieten, einen klaren Standortvorteil haben.
PTA-Forum: Das PTA-Reformgesetz gilt seit 1. Januar 2023. Ist es aus Ihrer Sicht der große Wurf?
May: Aus unserer Sicht ist es nicht der große Wurf. Wir wollten für die PTA verbesserte Ausbildungsbedingungen durch die Verlängerung der Schulzeit. Die ist ja, wie man weiß, nicht umgesetzt worden. Also müssen die Schülerinnen und Schüler den neuen und zusätzlichen Stoff in der gleichen Zeit lernen.
Gregor: Der BVpta hat von Anfang an die Position vertreten, dass er das Reformgesetz nicht als tatsächliche Reform ansieht. Dafür ist es in wesentlichen Punkten defizitär. Es wurde die große Chance vertan, die Ausbildung zu verlängern und damit dem Standard anderer Gesundheitsfachberufe auch auf internationaler Ebene anzugleichen. Ebenfalls wurde keine Möglichkeit einer Qualifikation, die dem Beruf eine Karrieremöglichkeit eröffnen könnte, berücksichtigt. Auch wird es ohne Ausbildungsvergütung zukünftig immer weniger möglich sein, qualifizierten Nachwuchs zu generieren.
PTA-Forum: Zur Ausbildung von PTA im praktischen Jahr: Wissen Sie, ob es bereits Apotheken gibt, die die neuen Richtlinien bereits umsetzen? Denken Sie, die Richtlinien werden künftig auf breiter Ebene angenommen?
May: Dazu haben wir noch keine belastbaren Daten.
Gregor: Es ist jetzt sicherlich zu früh, um die Frage zu beantworten, ob Apotheken die neuen Richtlinien bereits umsetzen. Diese Richtlinien gibt es ja erst seit kurzer Zeit. Wir gehen aber davon aus, dass nach einer gewissen Umgewöhnungsphase alle Apotheken die BAK-Richtlinien umsetzen werden. Insoweit sind Parallelen zur Ausbildung der Pharmazeuten im Praktikum erkennbar. Auch hier haben fast alle Apotheken nach einer gewissen Eingewöhnungsphase flächendeckend umgesetzt. Hier wird mit der BAK-Richtlinie dem Apothekenpersonal ein guter Leitfaden an die Hand gegeben, der gewährleistet, dass eine Praktikumszeit optimal genutzt wird.
PTA-Forum: Wie sieht Ihres aktuellen Kenntnisstands nach die Implementierung der neuen Lehrpläne in den PTA-Schulen aus? Läuft alles nach Plan?
May: In vielen Bundesländer arbeiten die Lehrplankommissionen auf Hochtouren und setzen die neuen Lehrpläne um. Von daher sehe ich dem neuen Schuljahr optimistisch entgegen.
Gregor: Die Implementierung der neuen Lehrpläne in den PTA-Schulen ist länderspezifisch. Von daher können wir hier keine allgemeine Aussage treffen. Desweitern ist zu beachten, dass die neuen Lehrpläne erst für Auszubildende gelten, die im nächsten Jahr mit ihrer Ausbildung anfangen.
PTA-Forum: Die Vorhersage für die Personalsituation in Apotheken sieht düster aus: Apothekermangel wird prognostiziert, so das Ergebnis einer ABDA-Studie. Von welcher Personalentwicklung gehen Sie bei PTA aus?
May: Die Personalsituation für PTA ist – analog zu den Apothekerinnen und Apothekern – problematisch. Es wird mehr pharmazeutisches Personal gebraucht, da Bürokratie, neue Aufgaben, hohe Krankenstände und die neuen Pharmazeutischen Dienstleistungen (PharmDL) zu bewältigen sind. Dazu kommt ein zunehmender Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance und nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anders als bei den Approbierten fehlen aber bei den PTA noch die flächendeckende Schulgeldfreiheit und bessere Karriereaussichten in der Apotheke.
Gregor: Der Personalmangel in Apotheken ist mittlerweile schon eine richtige Notlage. Qualifiziertes Personal fehlt in fast jeder öffentlichen Apotheke. Im PTA-Bereich ist die Situation besonders eklatant. Es gibt kaum Apotheken, die nicht händeringend PTA suchen. Die Generation, die aktuell vor einer Berufsentscheidung steht, hat ein großes Angebot an Ausbildungsplätzen, vor allem in den Gesundheitsfachberufen. Es ist schwer, junge Menschen in der heutigen Zeit für einen Beruf zu begeistern, der keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Als PTA zu starten und als PTA in Rente zu gehen, ist nicht gerade die Zukunftsvision der Generation Z. Es braucht schon mehr Karrieremöglichkeiten und eine bessere Vergütung, um den Job in der öffentlichen Apotheke attraktiv zu gestalten.
PTA-Forum: Wie sieht es mittlerweile mit der Schulgeldfreiheit aus? Ist (wird) sie flächendeckend umgesetzt?
May: Nein, soweit wir wissen, ist das noch nicht in allen Bundesländern realisiert.
Gregor: Aktuell ist es so, dass die Schulgeldfreiheit in allen Bundesländern angestrebt wird. Es gibt Bundesländer wie NRW, Berlin, Saarland oder Bayern, die bereits von der Schulgeldfreiheit profitieren und in anderen Bundesländern wartet man noch auf die Umsetzung. Aber auch hier ist klar, dass die Schulgeldfreiheit keinen Nachwuchsboom auslösen wird. Denn ohne eine Ausbildungsvergütung werden immer weniger junge Menschen den Beruf ergreifen wollen.
PTA-Forum: Wie prognostizieren Sie die Entwicklung der Verdienstmöglichkeiten in den Apotheken? Wo und warum kommen Apothekenleitende an ihre Grenzen? Welche Alternativen außer eines steigenden Gehalts haben Apothekenleitende für ihre Mitarbeiter?
Kratt: Für 16 Kammerbezirke waren die tariflichen Gehaltssteigerungen für 2023 schon Ende 2021 beziehungsweise Anfang 2022 festgelegt worden. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat die Spielräume für Tarifabschlüsse – aber auch individuelle Gehaltsverhandlungen im übertariflichen Bereich – leider verengt statt erweitert, wie es eigentlich dringend nötig wäre. Auch die Pharmazeutischen Dienstleistungen werden in der ersten Zeit nicht viel zusätzlichen Gewinn generieren. Aber es ist zumindest nicht zu erwarten, dass die Apothekenleitenden übertarifliche Gehälter abschmelzen werden, weil dies den Mangel an Arbeitskräften nur weiter verstärken würde. Wo immer es geht, empfehlen wir den Arbeitgebenden die Auszahlung der steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie, um die Reallohnverluste ihrer Angestellten auszugleichen. Und natürlich gibt es eine Reihe von teils steuerfreien Zusatzvergütungen wie Gutscheine, Zuschüsse zur Kinderbetreuung, ein Jobticket oder Zuschuss zum E-Bike.
Gregor: Die Verdienstschere der PTA geht immer weiter auseinander. Mittlerweile verdienen PTA in der Industrie deutlich mehr als diejenigen in der Öffentlichen Apotheke. Das sehen wir auch bei Rückmeldungen von Mitgliedern. Viele PTA haben ihren Beruf in der Öffentlichen Apotheke bereits an den Nagel gehängt und sind in die Industrie gewechselt. Wir haben hier also neben dem demografischen Wandel noch ein (vom Bundesgesetzgeber) hausgemachtes Problem. Welches wir nur dann lösen können, wenn die Apothekenhonorierung substanziell erhöht wird. Dann haben auch PTA in der öffentlichen Apotheke zumindest die Aussicht. eine höhere Vergütung zu erlangen.
Unabhängig davon haben aber Apothekenleitende mannigfaltige Alternativen, um den PTA-Beruf attraktiv zu gestalten. Insbesondere seien hierzu genannt die Finanzierung von Fort- und Weiterbildungen, betriebliche Altersvorsorge sowie die Übernahme von Kitabeiträgen oder steuerrechtliche Rabattgutscheine. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement sowie flexiblere Arbeitszeiten runden die Möglichkeiten ab.
PTA-Forum: Welche Herausforderungen sehen Sie für 2023 für Apotheker, PTA und PKA?
May: Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Pläne umsetzt, im Frühjahr eine nachhaltige Strukturreform für den Gesundheitsbereich vorzulegen, müssen wir sehr darauf achten, dass die Apotheken nicht noch weiter belastet werden – weder finanziell noch bürokratisch! Natürlich wäre eine bessere und dynamische Honorierung wichtig, aber das ist derzeit nicht sehr realistisch. Da erwarte ich eher kleine Schritte und Nachbesserungen.
Gregor: Die Zeiten für die inhabergeführte deutsche Apotheke sind herausfordernd. 2023 wird ganz im Zeichen der angekündigten Strukturreform stehen. Hier gilt es, dass sich der Berufsstand frühzeitig positioniert und seine Forderungen adressiert. Wir als BVpta werden das Gesetzgebungsverfahren aktiv und kritisch begleiten und uns entsprechend einbringen. Für uns ist es nicht ausreichend, wenn am Ende der Strukturreform Apotheken nicht zusätzlich belastet werden. Der Erhalt des Status Quo führt in die Sachgasse. Das Ziel des gesamten Berufsstandes muss sein, Bürokratie abzubauen (Stichwort: Präqualifizierung) und vor allem für eine besser Honorierung der Apothekenleistung zu sorgen. Die Forderung nach einer Erhöhung des Apothekenhonorars und die damit verbundene bessere Honorierung der PTA mag ambitioniert sein, aber nur dann haben wir die Möglichkeit, die PTA in der öffentlichen Apotheke zu halten.
PTA-Forum: Welches sind Ihre großen Vorhaben in 2023, welche Ziele verfolgen Sie, was erwarten Sie von der Politik?
Kratt: In diesem Jahr wird die Adexa-Tarifkommission mit dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) weiter über eine Modernisierung des Bundesrahmentarifvertrags verhandeln. Hier hat der Rahmentarifvertrag für Sachsen in einigen Punkten Maßstäbe gesetzt. Für Sachsen selbst gilt es jetzt, Angestellte über den neuen Tarifvertrag zu informieren, von der Wichtigkeit der Tarifbindung zu überzeugen und als Adexa-Mitglieder zu gewinnen. Außerdem stehen in alle vier Adexa-Regionen im September Regionale Vollversammlungen an, auf denen die ehrenamtlichen Vertretungen neu gewählt wird.
Von der Politik erwarte ich, dass sie die Apothekenteams nach drei harten Corona-Jahren nicht im Regen stehen lässt. Ein weiteres Apothekensterben und eine schlechtere Arzneimittelversorgung darf sich Deutschland nicht leisten!
Gregor: Uns als Bundesverband der PTA ist es besonders wichtig, auch nächstes Jahr für unsere Mitglieder immer da zu sein. Wir wollen auch weiterhin der Ansprechpartner des Berufsstandes und der Politik für alle Fragen rund um die PTA sein. Dass betrifft alle Fragen zur Ausbildung, der Fort- und Weiterbildung. Damit unser Berufsstand überhaupt eine Zukunft haben kann, müssen wir als BVpta mit gut ausgebildeten PTA die Vor-Ort Apotheke stärken und unterstützen. Denn nur mit starken und selbstbewussten PTA hat die Vor-Ort-Apotheke eine Chance.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.