Was tun bei Blasenschwäche? |
Blasenschwäche ist ein häufiges Leiden, besonders unter Frauen. Doch nur wenige Betroffene trauen sich, das Thema beim Arzt oder in der Apotheke anzusprechen. / Foto: Getty Images/diephosi
Obwohl Harninkontinenz, also unwillkürlicher Urinverlust, hierzulande eine Volkskrankheit ist, wendet sich nur eine von fünf Personen damit an einen Arzt – und das, obwohl eine Blasenschwäche die alltägliche Lebensqualität sehr beeinträchtigen kann. Zum Arzt zu gehen lohnt sich aber: »80 Prozent der Betroffenen können von ihrem Leiden geheilt werden, und bei den restlichen 20 Prozent lässt sich durch eine gute Hilfsmittelversorgung der Alltag erträglicher gestalten«, betont Professor Dr. Daniela Schultz-Lampel, Direktorin des Kontinenzzentrums Südwest im Schwarzwald-Baar Klinikum. Als Mitglied im Expertenrat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft kennt sie sich mit den verschiedensten Ausprägungen und Ursachen von Inkontinenz aus.
Ihre Erfahrung ist, dass das Tabu, über Blasenschwäche zu sprechen, nach wie vor so groß scheint, dass viele Betroffene ihre Harninkontinenz verschweigen und versuchen, sich irgendwie selbst zu helfen. Erwähnt dann etwa die PTA im Beratungsgespräch, dass Studien zufolge um die 40 Prozent der Menschen über 70 Jahre Kontinenzprobleme haben, kann das für Betroffene entlastend und ein guter Einstieg in ein vertrauliches Beratungsgespräch sein. Erfahrungsgemäß wissen viele Betroffene kaum etwas über das breite Spektrum an Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten, das ihnen auch als gesetzlich Krankenversicherte zusteht. Nicht selten versuchen sie stattdessen, sich beispielsweise mit normalen Slipeinlagen und Menstruationsbinden zu helfen, die für diesen Zweck völlig ungeeignet sind.
Mediziner unterscheiden verschiedene Formen der Harninkontinenz, die unterschiedliche Ursachen haben und daher auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Menschen mit einer Belastungsinkontinenz verlieren häufig beim Heben, Tragen, Husten, Niesen oder Lachen unkontrolliert Urin. Das kommt daher, dass diese körperlichen Belastungen den Bauchinnendruck erhöhen, was sich auch auf die Blase überträgt, und der Schließmuskel den Druck nicht zurückhalten kann. Bei Frauen ist die Ursache häufig eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, die durch Schwangerschaft und Geburt, aber auch durch die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre hervorgerufen werden kann. Bei Männern ist die Belastungsinkontinenz selten. Wenn sie auftritt, ist die häufigste Ursache eine radikale Prostata-Operation bei Prostatakrebs, wobei die neuen nervschonenden Operationsverfahren die Inkontinenzraten deutlich gesenkt haben.
Als erste Therapiemaßnahme bei Belastungsinkontinenz rät Schultze-Lampel dazu, die Beckenbodenmuskulatur zu trainieren, »zunächst unter physiotherapeutischer Anleitung und dann regelmäßig zu Hause.« Ergänzende Maßnahmen können verschiedene Methoden der Elektrostimulation der Beckenbodenmuskulatur sein oder auch der Einsatz von Pessaren oder Inkontinenz-Tampons, die die Harnröhre leicht anheben und damit den Schließmuskel unterstützen. Der Arzneistoff Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI), erhöht den Muskeltonus des Schließmuskels der Harnblase und vergrößert deren Kapazität. Ein neues Verfahren bei Frauen ist die vaginale Lasertherapie. Wenn all das nicht hilft, schafft eine TVT-Bandoperation in vielen Fällen Erleichterung. TVT steht für »Tension-free Vaginal Tape«, ein »Vaginalbändchen« unter der Harnröhre, das den Schließmuskelapparat unterstützt.
Menschen mit einer Dranginkontinenz verspüren häufig einen überfallartigen Harndrang und verlieren manchmal Urin, bevor Sie die Toilette erreichen. Die Ursachen können eine Instabilität des Blasenmuskels, eine Blasenentzündung, aber auch Tumoren oder eine neurologische Erkrankung wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson sein. Die Dranginkontinenz ist aber auch die typische Inkontinenz im Alter.
Auch ihr lässt sich durch Beckenbodentraining gut entgegenwirken. Dazu kommen wirksame Medikamente wie Anticholinergika (etwa Oxybutynin, Tolterodin) und Beta-3-Adrenozeptoragonisten (wie Mirabegron). Ist der Erfolg der Medikamente begrenzt, ist auch die Injektion von Botulinum-A-Toxin (Botox) eine etablierte Methode. Eine ebenso neuartige wie wirksame Methode ist die Stimulation des Nervus tibialis. Dabei wird unter der Haut der Schienbeinnerv stimuliert, was dem Körper das Gefühl des Laufens vermittelt. »Und wer läuft, muss normalerweise nicht Wasser lassen«, erklärt Schultz-Lampel. Eine andere Form der Nervenstimulation ist die sakrale Neuromodulation, bei der ein »Blasenschrittmacher« an die Blasennerven im Kreuzbein implantiert wird.