Was tun gegen Damenbart und Hexenhaare? |
Verena Schmidt |
23.05.2023 08:30 Uhr |
Kräftige Haare auf der Oberlippe empfinden wohl die meisten Frauen als störend. Welche Ursachen hat der Damenbart und wie rückt man ihm am besten zu Leibe? / Foto: Getty Images/Cicy
Wenn dicke und/oder dunkle Haare bei Frauen übermäßig an Stellen sprießen, die eigentlich typisch für die männliche Behaarung sind, bezeichnen Mediziner das als Hirsutismus. Betroffen sind vor allem Oberlippe und Kinn, aber auch auf Brust, Schultern, Unterbauch, Rücken und inneren Oberschenkeln finden sich vermehrt Haare. Wie so oft sind hier die Übergänge zwischen »noch normal« und »krankhaft ausgeprägt« fließend: Manche Frauen werden die Behaarung vielleicht als weniger störend empfinden als andere. Das Ausmaß des »Problems« hängt stark von der eigenen Wahrnehmung und Bewertung ab.
In der Mehrzahl ist die übermäßige Gesichtsbehaarung hormonell bedingt. Etwa in Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause, also Zeiten hormoneller Umstellung, kommt es typischerweise zu dem haarigen Problem. Ist eine übermäßige Behaarung nicht hormonell gesteuert, spricht man übrigens von Hypertrichose. Dann wachsen allgemein mehr Haare am ganzen Körper oder an bestimmten Stellen.
Beim Hirsutismus ist meist die Sekretion der männlichen Geschlechtshormone, der Androgene, durch die Eierstöcke oder Nebennieren erhöht. Dazu kann eine erhöhte Sensitivität auf Androgene kommen (zum Beispiel ein höherer Rezeptorbesatz) sowie eine verstärkte Aktivität des Enzyms 5-alpha-Reduktase, welches Testosteron in seine aktive Form Dihydrotestosteron umwandelt. Statt der feinen, weichen Flaumhaare (Vellushaare), die bei Frauen normalerweise an den betroffenen Stellen wachsen, bilden sich dann kräftige, dunkle Terminalhaare.
Hinter einer gesteigerten endogenen Androgenproduktion steckt in 70 bis 90 Prozent der Fälle ein Polyzystisches Ovarialsyndrom, kurz PCOS. Es ist mit einer Prävalenz von 15 Prozent die häufigste endokrinologische Erkrankung bei Frauen im fertilen Alter; vermutlich gibt es auch eine hohe Dunkelziffer. Neben dem Hirsutismus sind auch Akne und Haarausfall am Kopf typische Beschwerden beim PCOS, dazu kommen oft Zyklusstörungen und ein unerfüllter Kinderwunsch. Etwa 70 Prozent der Betroffenen haben zudem Stoffwechselstörungen, meist bauchbetontes Übergewicht und eine Insulinresistenz. Der Überschuss an Insulin im Blut fördert eine weitere Gewichtszunahme und verstärkt zudem den Überschuss männlicher Hormone, da Insulin Nebennieren und Eierstöcke zur Produktion von Androgenen anregt.
Um Hirsutismus, Alopezie und Akne beim PCOS zu behandeln, bekommen die Frauen in der Regel kombinierte orale Kontrazeptiva, die die ovarielle Androgensekretion unterdrücken. Auch die antiandrogen wirksamen Arzneistoffe Spironolacton, Finasterid und Flutamid werden off Label eingesetzt. Wichtig: Da die Wirkstoffe teratogen sind, müssen die Frauen bei Einnahme sicher verhüten. Beiden Wirkstoffklassen können auch in Kombination gegeben werden. Zudem kann Metformin, das zur Behandlung der Insulinresistenz bei PCOS dient, einen Effekt auf die Behaarung haben. Denn wenn sich der Insulinspiegel normalisiert, produzieren auch Nebennierenrinde und Ovar weniger Androgene – nach einiger Zeit kann sich dann das übermäßige Haarwachstum bei Hirsutismus verringern.
Ein Androgenüberschuss kann übrigens auch durch ein Adrenogenitales Syndrom (AGS), eine angeborene Funktionsstörung der Nebennieren, bedingt sein. Die klassische schwere Form macht sich durch einen Aldosteronmangel schon kurz nach der Geburt bemerkbar. Die mildere Form der Erkrankung, das sogenannte Late-onset-AGS, ähnelt in seinen Symptomen dem PCOS. Erste Anzeichen treten typischerweise in der Pubertät auf, zum Beispiel späte, unregelmäßige oder ausbleibende Blutung, Akne und männlicher Behaarungstyp, später auch unerfüllter Kinderwunsch und Fehlgeburten.
Sind die Hormonwerte normal und ein PCOS und AGS ausgeschlossen, liegt womöglich einfach eine genetisch bedingte, erhöhte Sensitivität der Haarfollikel auf Androgene vor. Dies ist bei Südländerinnen häufig der Fall. Es gibt auch einige Medikamente, deren Einnahme Hirsutismus als unerwünschte Arzneimittelwirkung mit sich bringt. Das sind unter anderem Androgene, Anabolika, Antiepileptika wie Phenytoin und Carbamazepin, Corticosteroide und Ciclosporin.