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Verträglichkeit ist relativ 

Weizenbedingte Erkrankungen

Weizenhaltige Lebensmittel können unangenehme Symptome auslösen und manchmal sogar die Gesundheit gefährden. In einigen Fällen hilft nur der Verzicht, andere Betroffene können kleine Mengen tolerieren. Was bei Gluten, ATI und FODMAP zu beachten ist.
Nicole Schuster
14.07.2021  09:00 Uhr

Weizenfrei leben: Modetrend oder ein Muss für ein beschwerdefreies Leben? Das kommt darauf an. Es gibt drei Erkrankungen, bei denen Weizen entzündliche Prozesse im Körper auslöst. Bei der Zöliakie handelt es sich um eine Immunreaktion auf Gluten, bei der Weizenallergie um eine echte Allergie, während bei der ATI-Sensitivität Getreideproteine, die sich von Gluten unterscheiden, das angeborene Immunsystem aktivieren.

Die größte Herausforderung für Patienten ist wohl die Glutenunverträglichkeit. »Die Zöliakie nennen wir wegen ihrer vielen unterschiedlichen Erscheinungsbilder auch das Chamäleon unter den inneren Erkrankungen«, sagt Professor Dr. Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie und Dünndarmerkrankungen am Universitätsklinikum Mainz, im Gespräch mit PTA-Forum. Betroffene leiden unter einer lebenslangen Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten. Das Proteingemisch ist Bestandteil der hierzulande verbreiteten Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste; auch in den alten Sorten Einkorn, Emmer und Kamut kommt es vor. Betroffen ist etwa einer von 100 Menschen, wobei allerdings nur bei 20 bis 50 Prozent der Patienten das Vollbild mit Bauchbeschwerden ausgeprägt ist. 50 bis 80 Prozent haben untypische oder nur vermeintlich geringe Beschwerden und wissen oft nichts von ihrer Erkrankung.

Nehmen Zöliakie-Patienten Gluten zu sich, entstehen im Dünndarm entzündliche Prozesse, die zu einer Entzündung und sukzessiven Zerstörung der Darmschleimhaut führen. Die Dünndarmzotten bilden sich zurück und der Körper kann dementsprechend weniger Nährstoffe aufnehmen. Bei Kindern sind Gedeihstörungen mit Gewichtsstillstand oder sogar -abnahme, Appetitlosigkeit, Erbrechen und Durchfall mit Fettstühlen typische Symptome. »Bei Erwachsenen kann sich die Krankheit ebenfalls mit Untergewicht und Durchfall äußern, aber auch genau das Gegenteil, also Verstopfung und auch Übergewicht, sind möglich«, erzählt Schuppan. »Andere Menschen leiden unter unspezifischen Beschwerden, etwa starker Müdigkeit, depressiven Verstimmungen, Muskel-, Knochen- oder Gelenkschmerzen, Nervosität, Migräne, einem ungeklärten Eisenmangel oder Hautproblemen.« Die Störung tritt oft zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1 oder Hashimoto-Thyreoiditis auf.

Diagnostisch können sich Autoantikörper vom Typ IgA und IgG, die sich gegen das körpereigene Enzym Gewebetransglutaminase richten, im Blut nachweisen lassen. In den meisten Fällen müssen jedoch bei einer Gastroskopie Gewebeproben entnommen und untersucht werden, um die Diagnose abzusichern.

Für den Laien gibt es Gluten-Check-Tests, die zu Hause angewendet werden können. »Für einen ersten Hinweis können sie hilfreich sein. Die endgültige Diagnose muss aber vom Arzt kommen, da Selbsttests nicht ausreichend sensitiv und spezifisch sind«, erklärt der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Zöliakiegesellschaft. Eine fälschlich gestellte Selbstdiagnose kann die Lebensqualität unnötig beeinträchtigen; wiegt ein falsch negativer Test hingegen irrtümlich in Sicherheit, zögert das Therapiemaßnahmen hinaus. Arzneimittel gegen Zöliakie gibt es derzeit nicht. Betroffene müssen alle Lebensmittel mit Gluten meiden, selbst Spuren können zum Problem werden.

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