Wenn das Handy den Händen schadet |
Katja Egermeier |
15.08.2019 15:00 Uhr |
Erstes Symptom eines Karpaltunnelsyndroms ist ein Kribbeln in den Spitzen der ersten drei Finger, vom Daumen bis zum Mittelfinger. / Foto: Adobe Stock/Lightfield Studio
Dass ein Karpaltunnelsyndrom, also ein Nerven-Engpass im Handgelenk, der mit schmerzhaften Taubheitsgefühlen einhergeht, durch intensive Handarbeit entstehen kann, wissen Mediziner schon lange. Bei Fleischern beispielsweise gelte das KTS als Berufskrankheit, sagt Professor Helmut Buchner von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN). Es sei bekannt, dass Drehbewegungen im Handgelenk das KTS verstärken – Bewegungen wie eben dem Hantieren mit dem Messer, dem Stricken oder beim Auswringen von Wäsche. »Insofern ist es plausibel, dass der dramatische Mehrgebrauch von Smartphones und Computertastaturen ein KTS auslösen kann«, erklärt der Neurologe in einer Pressemeldung.
Ein KTS entsteht durch Druck auf den Nervus medianus, der an einer Engstelle durch das Handgelenk führt. Auslöser ist häufig eine Schwellung, die durch belastende Bewegungen, Schlafen mit abgeknickten Handgelenken, starke Gewichtszunahme oder hormonelle Einflüsse beispielsweise in der Schwangerschaft oder den Wechseljahren entstehen kann. Die Schwellung führt häufig zu Entzündungen, die wiederum Vernarbungen hervorrufen können. Das verschlechtert die Durchblutung und fördert die Schwellung zusätzlich.
Die ersten Anzeichen äußern sich laut Buchner in einem elektrisierenden und brennenden Kribbeln in den Spitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Das Schütteln der Hände lasse die Missempfindungen häufig wieder verschwinden. Im weiteren Verlauf jedoch könnten Schmerzen auftreten, die nachts bis in den Arm ziehen, erklärt der Neurologe weiter. »Zum Schluss kann das Kribbeln in ein permanentes Taubheitsgefühl übergehen und sich die Muskulatur am seitlichen Daumenballen der betroffenen Hand zurückbilden.« Daher rät Buchner, wer häufig Kribbeln im zweiten und dritten Finger spüre, solle einen Neurologen aufsuchen.
Ob ein KTS vorliegt, lasse sich dann durch zwei einfache Tests klären. Beim sogenannten Phalen-Test provoziere man die Enge: Der Patient presst die Handflächen wie beim Beten aneinander und knickt zugleich die Handgelenke in einem Winkel von 90 Grad ab. »Tritt nach zwei Minuten kein Kribbeln auf, liegt kein KTS vor«, so Buchner. Beim zweiten Test, dem sogenannten Hoffmann-Tinel-Zeichen, klopft der Arzt mit dem Finger auf den Mediannerv in der Innenseite des Handgelenks. Führe das zu einem Kribbeln in den Fingerspitzen, sei das ein Hinweis auf ein KTS. Eindeutig festgestellt werden kann das Syndrom schließlich mit einer Elektroneurographie, die anhand von Stromimpulsen misst, wie lange der Nerv für die Reizweiterleitung braucht.
Die Belastung zu vermeiden, etwa durch eine weniger intensive Smartphone-Nutzung oder eine Handschiene, helfe möglicherweise im Anfangsstadium, löse die Engstelle jedoch nicht auf, erklärt der DGKN-Experte. Die Behandlungsoption, einmalig Kortison in die Engstelle zu spritzen, werde hierzulande selten angewendet und eigne sich in erster Linie für Schwangere, deren Hormonhaushalt sich nach der Geburt wieder umstelle. Am besten hilft laut Buchner nach wie vor eine Operation. Der Eingriff, der dem eingeklemmten Nerv mehr Platz verschafft, wird etwa 300.000 Mal jährlich in Deutschland vorgenommen.